Die Situation in der Ukraine, wo Präsident Janukowitsch vor einer Woche nach monatelangen Protesten gestürzt wurde, könnte noch "viel ernster sein", meinte Annan. Angesichts der möglicherweise drohenden Spaltung des Landes müsse die internationale Gemeinschaft "vorsichtiger" sein. Der Diplomat, der den Vereinten Nationen von 1997 bis 2006 vorstand, sprach sich für "rasche Wahlen" aus, die aber nur ein "erster Schritt" in Richtung Demokratie seien. Derzeit wird die Ukraine von einer Übergangsregierung, die am Donnerstag vom Parlament bestätigt wurde, geführt. Präsidentschaftswahlen sind für den 25. Mai angesetzt.
Wahlen seien jedoch "nicht genug", betonte Annan vor einigen Hundert Zuschauern im Parlament. Sie seien immer nur Teil eines größeren politischen Prozesses. Zudem müsse eine Gesellschaft auch auf Friede und Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten gebaut sein.
Derzeit könne kein Land der Welt behaupten, eine "perfekte Demokratie" zu haben, erinnerte Annan. Denn Demokratie sei überall "work in progress". Kein Mensch sei der "geborene gute Demokrat", so Annan, der sich deshalb für mehr Training in dem Bereich aussprach.
In diesem Zusammenhang kritisierte der Friedensnobelpreisträger von 2001 auch die teilweise fehlende Demokratie in den UNO-Einrichtungen. Annan sprach sich für eine Reform des UNO-Sicherheitsrates, des mächtigsten Organes der Organisation, aus - "je früher, desto besser", denn das würde auch dessen Legitimität verstärken. Im Sicherheitsrat besitzen nur die fünf ständigen Mitglieder (Frankreich, Großbritannien, Russland, China, USA) Vetorecht . Dass beispielsweise kein einziges afrikanisches Land oder Indien im Sicherheitsrat vertreten sei, habe keine Rechtfertigung. Er wäre "nicht überrascht", so Annan, wenn künftig Entscheidungen des Rates "angezweifelt werden".
Kofi Annan besuchte am gestrigen Donnerstagabend gemeinsam mit Bundespräsident Heinz Fischer den Wiener Opernball. Der ehemalige UNO-Chef hält sich nach Angaben aus der Präsidentschaftskanzlei noch bis Freitagabend in Österreich auf, öffentliche Termine stehen jedoch nicht auf der Agenda.
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