Der Suizid der monatelang mit Morddrohungen von Impfgegnern konfrontierten oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr hat nicht nur national, sondern auch international Wellen geschlagen. Politiker und Experten, die ebenfalls bedroht werden, solidarisierten sich. Während sich etwa in Deutschland etliche hochrangige Politiker klar äußerten, war in Österreich bis auf den Gesundheitsminister auch fünf Tage nach dem Tod nur Schweigen der Bundesregierung zu vernehmen.
Kanzler Nehammer spricht Mitgefühl aus
Erst am Mittwoch äußerte sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zu dem Vorfall. Er sprach den Angehörigen, Freunden und Patienten der verstorbenen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr sein Mitgefühl aus. "Wichtig ist, dass die Behörden weiter ermitteln, um jene auszuforschen, die Frau Dr. Kellermayr bedroht haben", betonte er in einer der APA übermittelten Stellungnahme, "Hass im Netz und persönliche Bedrohungen haben keinen Platz in unserer Gesellschaft".
"Es ist schrecklich, wenn ein Mensch aufgrund von Hass und persönlichen Bedrohungen keinen anderen Weg mehr sieht, als seinem Leben ein Ende zu setzen", so der Bundeskanzler weiter. Er begrüßte, dass "nun eine Obduktion stattgefunden hat, um Klarheit über die Umstände ihres Todes zu schaffen".
Reaktionen aus Deutschland
In Deutschland meldeten sich etwa Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), SPD-Vorsitzende Saskia Espen, Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz, der Präsident der deutschen Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, und sogar der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, zu Wort. Tenor aller: Es müsse mehr gegen den zunehmenden Hass im Netz unternommen werden.
Auch weitere bekannte Mediziner:innen meldeten Bedrohungen im Netz.
VdB legt Blumen vor Praxis nieder
In Österreich rief Bundespräsident Alexander van der Bellen noch am Todestag Kellermayrs zu einem Ende des Hasses auf, legte sogar vor der Praxis in Seewalchen Blumen nieder. Auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kondolierte per Twitter. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigten sich ebenfalls betroffen.
An vielen Orten im ganzen Land kommen Menschen zusammen, um an Dr. Lisa-Maria Kellermayr zu erinnern. Um gemeinsam ein Zeichen für Zusammenhalt und gegen Hass zu setzen. Ein stiller Moment des Gedenkens heute in Seewalchen. #YesWeCare pic.twitter.com/NzwcrH8NAK
— A. Van der Bellen (@vanderbellen) August 1, 2022
Die oberösterreichische Gesundheitsreferentin LHStv. Christine Haberlander (ÖVP) bekundete in einer Aussendung nicht nur ihr Beileid, sondern forderte auch die Möglichkeit grenzüberschreitender Strafverfolgung für Hass-Delikte. Darüber hinaus gab es aber keine Wortspenden von Politikern in Regierungsfunktionen und keine Teilnahme an den zahlreichen Mahnwachen. Stelzer sagte dann auf Anfrage gegenüber "Der Standard" (Mittwochausgabe), er wisse zwar, dass es "schwierig ist für die Behörden, weil sich viele Radikale unter dem Deckmantel der Anonymität verstecken, aber da würde ich mir teilweise schon ein härteres und schnelleres Vorgehen erwarten".
Ärztekammer und Polizei rieten zu Zurückhaltung
Polizei und Staatsanwaltschaft, die vor allem in Sozialen Medien heftig in der Kritik stehen, sie hätten zu wenig ermittelt bzw. Kellermayr zu wenig Schutz und Unterstützung geboten, wollen sich nicht konkret zu diesen Vorwürfen äußern. Man habe getan, was in dem Fall möglich war, hieß es. Das sagt auch die Oö. Ärztekammer, die der Ärztin - wie die Landespolizeidirektion Oberösterreich - zu mehr Zurückhaltung in der Diskussion geraten hatte. Außerdem wurde ihr von einem Funktionär mitgeteilt, dass ein Nachfolger für die Kassenarztpraxis schnell gefunden werde.
In vielen Städten Österreich fanden Mahnwachen statt, so auch in Salzburg.
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