Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) hat sich am Sonntag "zuversichtlich" gezeigt, ein verfassungsgemäßes Gesetz für das Kopftuchverbot für Mädchen bis zur achten Schulstufe vorzulegen. Die in der Begutachtung eingebrachten Einwände würden nun eingearbeitet. Zwar entscheide am Ende der Verfassungsgerichtshof, "ob es hält oder nicht", sagte Wiederkehr in der ORF-"Pressestunde": "Es sind aber andere Rahmenbedingungen als noch vor ein paar Jahren."
Im Regierungsprogramm hätten ÖVP, SPÖ und NEOS ein verfassungsgemäßes Gesetz für ein Kopftuchverbot vereinbart, so Wiederkehr: "Dem fühle ich mich als Bildungsminister verpflichtet." Er sehe es als seinen "Auftrag", dieses dem Parlament vorzulegen. Einerseits gebe es das Grundrecht auf Religionsfreiheit, andererseits aber auch Kinderrechte, die im Verfassungsrang sind, argumentierte Wiederkehr. Beim letzten Mal habe der Verfassungsgerichtshof "zu Recht gesagt", dass es entsprechende Begleitmaßnahmen brauche. "Die wurden seitdem gesetzt", erklärte der Bildungsminister und verwies etwa auf entsprechende Kinderschutzkonzepte an allen österreichischen Schulen. Daher seien die Rahmenbedingungen andere als noch vor ein paar Jahren.
Von dem Vorschlag der Volkspartei, das Verbot mit Zweidrittelmehrheit in den Verfassungsrang zu heben, hält Wiederkehr nichts, zumal ja die SPÖ schon fix gesagt habe, dass sie dabei nicht mitgehe: "Wenn die SPÖ so dezidiert schon eine Ablehnung gegeben hat, ist es auch gar nicht mehr ein Thema, weil es braucht die Zustimmung von allen drei Parteien." Dies sei bei den Koalitionsverhandlungen so vereinbart worden.
Einheitliches Bildungssystem beim Bund
Geht es nach Wiederkehr, brauche es "ein einheitliches Bildungssystem, von der elementaren Bildung bis zur Matura. Alles andere wäre ein Rückschritt." Freilich sollte die Kompetenz dafür beim Bund liegen. Schließlich gebe es bereits "jetzt schon im österreichischen Bildungsföderalismus" extreme Zumutungen. Er sehe es in seiner Verantwortung als Bildungsminister, "in der Reformpartnerschaft" einen guten Vorschlag in den nächsten Monaten zu erarbeiten, um das Bildungssystem effizienter und besser zu machen.
Die sogenannte "Reformpartnerschaft" hätte es ohne die NEOS nicht gegeben. "Wir haben in den Verhandlungen klargemacht, dass es große Reformen in Österreich braucht. Nicht als Selbstzweck, sondern damit wir vorankommen." Die budgetäre Krise habe nun dazu geführt, dass nun endlich strukturelle Reformen angegangen werden. "Aber Regieren ist kein Sprint, sondern man braucht eine gewisse Ausdauer", so Wiederkehr. Als Beispiel nannte er die geplante Föderalismusreform ("ein Riesenschritt") in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Energie, aber auch Bürokratie und Wirtschaft.
"Gute Rückmeldungen" zu Handyverbot
Bisher "sehr gute Rückmeldungen" habe man zum Handyverbot in Schulen erhalten, "nicht nur von Lehrern sondern auch von den Eltern und den Schülern". Als einen positiven Effekt sehe man die gesteigerte Konzentrationsfähigkeit. Aus Langzeitstudien aus anderen Ländern wisse man, dass sich die Leistungsfähigkeit überhaupt verbessere. Sanktionsmöglichkeiten auf europäischer Ebene brauche es beim Social-Media-Verbot bis 14. Dieses werde von Plattformanbietern nicht eingehalten, so der Bildungsminister: "Diese müssen wir sanktionieren." Neue Regelungen hätten aber nur auf europäischer Ebene Sinn. Es dürfe jedenfalls nicht sein, dass Kinder dazu gebracht werden, dass sie nicht adäquate Sachen sehen und süchtig gemacht werden. Der digitale Raum dürfe kein rechtsfreier Raum sein. Wiederkehr sieht diesbezüglich eine intensive Diskussion auf europäischer Ebene, in der sich die NEOS einbrächten.
Eigentlich entsprechen "Pflichten und Verbote" nicht seiner Vorstellung von Schule, diese sollte vielmehr ein "Ort der Entfaltung" sein. Dies gehe aber nur, wenn Grundregeln eingehalten würden, verteidigte Wiederkehr Strafen für unkooperative Eltern. "Eltern haben eine Verantwortung für die Entwicklung ihrer Kinder". Wenn sich diese nicht kümmern, hätten sie "auch die Konsequenzen zu tragen". Eine Streichung der Familienleistungen sei eine der Möglichkeiten, hierzulande gebe es aber eine "gute Tradition", dass Verwaltungsstrafen mit Geldstrafen geahndet würden. Aktuell gebe es ungefähr 2.000 Suspendierungen pro Jahr, darunter seien ein paar Dutzend Fälle, wo die Eltern gar nicht mehr kooperieren.
Wiederkehr sieht Erfolge wie verpflichtende Sommerschule
Die Einführung der verpflichtenden Sommerschule für Schülerinnen und Schüler mit Problemen in der Unterrichtssprache Deutsch sieht Wiederkehr als Erfolg. Es gebe eine "dramatisch hohe Anzahl an Kindern, die wir gezielt fördern müssen". Dies habe in den vergangenen Jahren nicht funktioniert, nun gebe es dafür mehr Mittel. Aus dem Ministerium komme dabei nur eine Vorgabe, ab kommenden Schuljahr muss aber jede Schule autonom ein Konzept erarbeiten, wie der Deutschunterricht an ihrem Standort gut aufgestellt ist. Das wolle man wissenschaftlich begleiten. Wiederkehr kann sich neben der Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahrs zudem vorstellen, dass bei Kindern, die einen stärkeren Förderbedarf brauchen, die Kindergartenpflicht von 20 auf 30 Stunden erhöht werde.
FPÖ ortet "Schönfärberei", Grüne unzufrieden
Die Freiheitlichen orten bei Wiederkehr "reine Schönfärberei und verantwortungslose PR-Politik". Während Wiederkehr von seinen Integrationsprojekten fabuliere, belegten die jüngsten Zahlen des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) den endgültigen Kollaps des Bildungssystems, argumentierte der freiheitliche Bildungssprecher Hermann Brückl: "Wenn mittlerweile jeder vierte Schüler eine nichtdeutsche Umgangssprache hat und die Zahl der außerordentlichen Schüler wegen mangelnder Deutschkenntnisse explodiert, dann sprechen wir nicht mehr von einer Herausforderung, sondern von einem ausgewachsenen Bildungsnotstand." Deutsch werde zur Fremdsprache in den Klassenzimmern, "weil die Systemparteien ihre Multikulti-Träumereien über das Wohl der österreichischen Kinder stellen".
Unzufrieden zeigte sich auch die grüne Bildungssprecherin Sigi Maurer nach dem Auftritt von Wiederkehr. Eine spürbare Entlastung für Lehrer und Hilfe für Schüler sei "weiter nicht in Sicht". Zunehmende Überstunden, fachfremder Unterricht und permanenter Zeitdruck seien längst die Regel im Klassenzimmer. Administrative Entlastung würden gekürzt, anstatt ausgebaut. Damit werde das Lehrpersonal "im Dauerstress verheizt".
Zufrieden hingegen gab sich die Industriellenvereinigung (IV) mit den Initiativen des Bildungsministers. Stärkung der Grundkompetenzen und Talenteförderung seien der Schlüssel für Fachkräfte von morgen. "Es ist entscheidend, dass Reformen jetzt weiter konsequent umgesetzt werden - für gleiche Bildungschancen, qualifizierte Fachkräfte und damit für die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs", betonte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
(Quelle: apa)




