Erst vor knapp einer Woche sind die Arbeiten für die Sanierung von fünf Tunneln auf der Tauernautobahn (A10) in Salzburg gestartet. Konkret betroffen sind Ofenauer und Hiefler Tunnel zwischen Tennen- und Pongau sowie die Tunnelkette Werfen mit Brentenberg-, Zetzenberg- und Helbersbergtunnel. Stau auf der A10 und Zeitverlust von bis zu drei Stunden sowie viel Verkehr auf den Ausweichrouten waren besonders vergangenes Wochenende die Folge. Während Verkehrslandesrat LH-Stv. Stefan Schnöll (ÖVP) ein Gespräch mit der Asfinag und den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden angekündigt hat, liegen bei vielen Anrainer:innen, Pendlerinnen und Pendlern und Firmen schon jetzt die Nerven blank.
Verkehrssituation in Eben „fast unerträglich“
„Am Wochenende, aber auch schon am Donnerstag und Freitag war es fast unerträglich. Die Lawine zieht sich durch Eben“, schildert Bürgermeister Franz Fritzenwallner (ÖVP) im S24-Gespräch am Montag. Weil bis zum Reittunnel auf der A10 saniert wird, würden viele bei Flachau abfahren und dann durch das Fritztal, das die Gemeinden Eben und Hüttau (beide Pongau) umfasst, weiterfahren. Aktuell sei der Urlaubsrückreiseverkehr noch „extrem hoch“. Und: „Spätestens im Winter kommt das nächste Problem, denn dann kommen die Urlauber und Tagesskifahrer.“ Die Arbeiten im Winter einfach auszusetzen, dürfte nicht ganz so einfach sein, vermutet der Ebener Bürgermeister. Zudem bezweifelt er, dass Alternativen wie Bus und Bahn von Wintertourist:innen genutzt werden. Denn diese reisen ja bekanntlich meist mit viel Gepäck wie Ski und Co, merkt Fritzenwallner an.
Navis leiten Autos von A10 auf Forststraßen
Schon jetzt würden sich auf den Ausweichrouten gefährliche Szenen abspielen, berichtet der Ortschef. Denn Navis hätten Autos zwischen Hüttau und Pöham bereits zu einem Bauernhof geleitet. „Dort stehen sie praktisch an. Es geht nur über einen Forstweg weiter. Man hat zwar schon versucht, dort abzusperren. Diese Absperrungen haben die Autofahrer aber teilweise weggeräumt“, so Fritzenwallner. Er habe zwar Verständnis dafür, dass man sich auf sein Navi verlässt. Für die Anrainerinnen und Anrainer sei die Situation aber „sehr schlimm“. Bei der Gemeinde seien bereits Forderungen eingegangen, ausländische Kennzeichen abzufangen und diese auf die Autobahn zurückzuleiten. Dazu sei die Gemeinde aber gar nicht befugt, klärt Fritzenwallner auf.
Augenzeuge schildert Beobachtungen
Anrainer Martin Grunert aus Hüttau (Pongau) hat genau solche Situationen, wie sie der Ebener Bürgermeister beschreibt, beobachtet. Konkret geht es um eine Nebenstraße der Katschberg Straße (B99). Dort seien vergangene Woche Absperrgitter aufgestellt worden, die immer wieder geöffnet würden, berichtet Grunert. Der Weg sei schmal, teils einspurig und endet eben vor einem Bauernhof bzw. einer Schranke. „Leider wurde vor langer Zeit das Schloss an der Schranke entfernt, sodass man diese problemlos öffnen kann“, führt er aus.
„Mir kamen dann fast 30 Fahrzeuge auf einem schmalen Straßenstück entgegen, welche ich alle wieder hinunterverwiesen habe. Die Straße freizubekommen war mehr als schwierig, da es kaum Umkehrmöglichkeiten gibt. Etliche Fahrzeuge setzen mit ihren Unterböden auf der Straße auf.“ Gleichzeitig wollte eine Touristin dringend durchfahren, da ihr Navi sie auf diesem Weg ins Krankenhaus Schwarzach leitete, so Grunert weiter. „Die Beifahrerin hatte einen medizinischen Notfall. Zum Glück, dass ich gerade an der Straße war und die Rettungskette in Gang setzen konnte.“
Hüttauer Bürgermeister für weitläufige Umleitungen
Auch der Hüttauer Bürgermeister Rupert Bergmüller (ÖVP) schlägt Alarm: „Es kann nicht sein, dass gesperrte Forststraßen als Ausweichrouten genutzt werden. Das kann so nicht weitergehen. Es ist genau das eingetreten, wovor wir Bürgermeister die Asfinag gewarnt haben“, sagt er im S24-Interview. Aber nicht nur Pendlerinnen und Pendler sowie Anrainer:innen, sondern auch viele Firmen würden aufgrund der aktuellen Situation an ihre Grenzen stoßen. „Wenn eine Baustelle Beton braucht, wird der im Kübel fast schon wieder fest. Für die Wirtschaft entsteht das größte Chaos, weil irgendwann niemand mehr zu uns fahren wird“, befürchtet der Hüttauer Ortschef. Er rechnet außerdem damit, dass sich mit der Sanierung und Sperre des Tauerntunnels zwischen Salzburg und Kärnten ab Herbst 2024 die Lage noch einmal verschärft. „Nach dem Brand im Tauerntunnel damals waren auch weitläufige Umleitungen möglich“, gibt Bergmüller zu bedenken. Ihm sei nicht klar, warum der Durchreiseverkehr nicht jetzt auch umgeleitet werden kann.
Kuchler Bürgermeister bemängelt Baustellen-Management
Der Kuchler (Tennengau) Bürgermeister Thomas Freylinger (ÖVP), bemängelt, dass er noch im Juni die Verantwortlichen der Asfinag gebeten habe, sich die Zeiten „ordentlich durchzurechnen und nichts schönzureden.“ Freylinger kritisiert, dass in zwei statt drei Schichten gearbeitet werde. „Es ist international bekannt, dass sich die Bauzeit um ein Drittel verkürzt, wenn in drei Schichten gearbeitet wird.“ Er fordert außerdem, das 14 Kilometer lange Nadelöhr zu entschärfen.
„Asfinag sorgt für zwei Jahre Chaos“
Der Kuchler Ortschef versteht zudem nicht, wieso die Autobahn jetzt überhaupt für den Durchzugsverkehr geöffnet ist. „Im Winter wäre es noch viel wichtiger, dass man zum Beispiel von Dezember bis nach Fasching vier Spuren aufmacht. Wir wissen ja auch, dass am Pass Lueg Lawinengefahr herrscht. Und auch durch das Lammertal wird sich keiner mehr fahren trauen, weil es gefährlich werden kann. Und dann haben wir die Befürchtung, dass überhaupt keine Tages- oder Wochentouristen mehr kommen.“ Aus touristischer Sicht sei die Situation ein „Wahnsinn“. „Jetzt sorgt die Asfinag für die nächsten zwei Jahre Chaos. Und es ist immer noch ein staatlicher Betrieb, das heißt die Steuerzahler zahlen das.“ Die Ankündigung, dass die Busse am Stau vorbeifahren, hält der Kuchler Bürgermeister für falsch. „Der Bus steht selbst im Stau. Und wie man den Autofahrern erklären soll, dass es abschnittsweise keine Rettungsgasse gibt, weil die Busse am Pannenstreifen fahren, frage ich mich auch. Das ist Humbug.“
Ein praktischer Arzt hätte sich schon an den Bürgermeister gewandt und ihm mitgeteilt, dass es Probleme bei der Visite gebe bzw. die Fahrten länger dauern würden. „Und auch das Entsorgungsunternehmen Struber kann die tägliche Versorgung teilweise nicht sicherstellen“, so Freylinger. Schwierigkeiten drohen auch bei Feuerwehreinsätzen: „Die Leute kommen erst gar nicht zum Feuerwehrhaus.“
Transportfirma mit über zwei Stunden Verzögerung
Für Ärger sorgt das Baustellenmanagement und der damit einhergehende Stau auch bei der Kuchler Firma Hartl Transporte. Das Unternehmen transportiert nicht nur Baumaterial, sondern auch Tiere. „Wir müssen pro Tag mit zwei bis zweieinhalb Stunden Zeitverlust rechnen. Das ist weder für die Tiere, noch für die Fahrer angenehm“, schildert Manuela Hartl im S24-Interview. Täglich sind vier bis fünf Lkw der Firma auf der Staustrecke unterwegs. Lkw-Lenker:innen hätten aber nicht nur Schwierigkeiten, Termine einzuhalten, sondern müssten zusätzlich auf ihre Pausen achten. „Wenn jemand zwei Stunden im Stau steht, zählt das nicht als Pause. Es ist reine Arbeitszeit, die verloren geht“, so Hartl.
Zudem würden sich auf der Autobahn gefährliche Szenen abspielen, wie Hartl berichtet: „Die Leute steigen aus, laufen auf der Autobahn herum und suchen wahrscheinlich Toiletten. Und das nächste Problem ist, wenn ein Unfall passiert, kann ich mir nicht vorstellen, wie die Rettungskräfte überhaupt durchkommen sollen. Weil die Fahrbahn nur einspurig ist, kann gar keine Rettungsgasse gebildet werden.“ Den Ausweichverkehr bekomme die Familie Hartl auch privat zu spüren. „Gestern war Kuchl komplett zu. Es ist nicht zumutbar, gerade weil viele Kinder jetzt auch wieder am Schulweg unterwegs sind. Das ist ja auch eine Gefahr für die Kinder in den betroffenen Gemeinden, wenn Lkw und Autos durchfahren.“
Gollinger Bürgermeister fordert überregionale Lösung
Auch für Golling (Tennengau) seien die vergangenen Tage eine Katastrophe gewesen, bringt es Bürgermeister Peter Harlander (ÖVP) auf den Punkt. „Das Ganze hat nicht nur die B159 betroffen, sondern auch die Bahnhofstraße und andere Gemeindestraßen. So kann es keine zwei Jahre weitergehen.“ Nicht nur die im Markt ansässigen Geschäfte, sondern auch die Therme Aqua Salza würden massiv leiden. „Es ist aber ein überregionales Problem, deswegen braucht es auch eine überregionale Lösung. Eine Gemeinde allein kann das nicht stemmen.“ Trotzdem denkt man in der Kommune bei der Autobahnabfahrt ein verkehrsabhängiges Ampelsystem an, so Harlander. „Viel Verkehr kommt von Pass Lueg und fährt dann bei uns wieder auf die Autobahn auf. Die Autos, die diesen Bereich queren, kommen dadurch allerdings ewig nicht weiter."
Rund 50.000 Menschen in Salzburg betroffen
Zählt man die Einwohnerzahlen der Gemeinden Kuchl, Golling, Hüttau, Werfen, Pfarrwerfen, Eben, Altenmarkt, Bischofshofen, St. Johann und Flachau zusammen, sind ca. 50.000 Menschen von den Auswirkungen der Tunnelsanierung auf der A10 betroffen.
Wirtschaftskammer unterstützt Gemeinden
Salzburgs Wirtschaftskammer-Präsident Peter Buchmüller pflichtet den Gemeinden in einer Aussendung bei. „Es muss umgehend ein Kommunikationskonzept ausgearbeitet werden, damit der Transitverkehr großräumig über andere Routen etwa die Brenner- oder die Pyhrnautobahn umgeleitet wird. Lkw und Pkw des Transitverkehrs, die dennoch die Tauernautobahn befahren, sollen – so wie während der Reisezeit im Sommer – nicht von der Autobahn abfahren dürfen. Diese Abfahrtssperren müssen rigoros kontrolliert werden, damit die Anrainergemeinden nicht von der Verkehrslawine erdrückt werden.“
Asfinag hält an Plänen fest
Trotz der massiven Kritik stellte die Asfinag am Montag gegenüber der APA klar, dass sich am Zeitplan und Bauablauf nichts ändern werde. Wie bei derartigen Großbaustellen üblich, werde man aber "in den kommenden Tagen gemeinsam mit den Verkehrsbehörden evaluieren, ob es noch vereinzelte Verbesserungspotenziale vor allem im Bereich der Anschlussstellen gibt (besserer Verkehrsfluss), an der Verkehrsbelastung wird das aber nichts ändern." Verkehrslandesrat Schnöll war am Montag für S24 für eine Stellungnahme vorerst nicht zu erreichen. Ein Termin für den geplanten Verkehrsgipfel wurde bislang noch nicht verkündet. Somit ist das letzte Wort in der Causa Tunnelsanierung auf der A10 in Salzburg wohl noch nicht gesprochen.
Kommentare
Al2222
Damit es sich, bei entsprechenden Verkehrsaufkomnen gerade um 7.00 Uhr zum Pendlerverkehr, nicht in den Tunnels staut, was sehr gefährlich wäre. Darum haben sie auch wenige Autos im Gegenverkehr nach dem Helbersbergtunnel gesehen, da sie vom Norden nach Süden gefahren sind und die Autos von Süden kamen, aber durch die Blockabfertigung am Helbersbergtunnel von Süden nach Norden ,geblockt' durch die Baustelle gefahren sind.
Unbefangen
Ich habe heute früh um 7:00 Uhr den Baustellenbereich Richtung Süden passiert - warum um diese Uhrzeit eine Blockabfertigung Richtung Salzburg aktiv war können wahrscheinlich nur die „ Experten“ der ASFINAG erklären. Es waren ganz wenige Fahrzeuge im Gegenverkehrsbereich unterwegs aber vor dem Helbersbergtunnel bereits ein langer Stau wegen der Blockabfertigung …
SilviOB
aha... und richtung süden ist diese sinnlose blockabfertigung nie nötig? nur ständig richtung norden... egal wie wenig verkehrsaufkommen... da sind wahre experten am werk.