Mutationen sind bei Viren keine Besonderheit, denn sie finden ständig statt. Dabei verändert sich das Erbgut des Erregers, um sich an seine Umwelt anpassen zu können. Im Fall des neuartigen Coronavirus wurden inzwischen mehr als 300.000 unterschiedliche Mutationen nachgewiesen.
SALZBURG24: Herr Prof. Dr. Greil, was können Sie bislang zur Mutation "B.1.1.7" sagen?
Richard Greil: In Großbritannien dürfte die Mutation bereits bei mehr als 50 Prozent aller aktuellen Neuinfektionen aufgetreten sein. Mittlerweile ist "B.1.1.7" in fast ganz Europa nachgewiesen worden. Diese Mutation ist deutlich infektiöser – nämlich um bis zu 70 Prozent. Die Mutation scheint aber keinen schwereren Verlauf mit sich zu bringen. Zumindest geht das aus den bisherigen Daten hervor. Dennoch bedeutet dies eine höhere Ansteckungsrate, was zu einer höheren Belastung in Spitälern führen wird.
Und jetzt passiert genau das gleiche wieder: Die Gefahr durch neue Virusvariante wird nicht ernst genommen, es wird wieder abgewartet bis es zu spät ist, und wieder die Stimme der Wissenschaft ignoriert. Ein Blick nach UK sollte genügen um zu sehen, worauf wir zu schlittern.
— Isabella Eckerle (@EckerleIsabella) January 3, 2021
Wir müssen mit einem massiven Anstieg rechnen, zumal die Mutation nach derzeitigem Kenntnisstand auch häufiger bei Kindern beobachtet worden ist. Jedoch kann ein PCR-Test nicht zwischen einer herkömmlichen Corona-Infektion und einer Mutation unterscheiden.
Und wie kann man das unterscheiden?
Um eine Mutation festzustellen, müssen die RNA-Sequenzen eigens im Labor untersucht werden. Anschließend kann sie mit dem ursprünglichen Coronavirus-Genom oder seinen Mutationen verglichen werden. Dass ein Virus sich verändert und mutiert, ist normal.
Könnten die aktuell hohen Infektionszahlen in Salzburg auf das mutierte Virus zurückzuführen sein?
Das wird sich erst zeigen. In Österreich war es bis dato nicht üblich, dass positive Corona-Proben systematisch sequenziert und auf Mutationen hin untersucht werden. Die AGES hat bereits angekündigt, das nun zu ändern und die Sequenzierungsrate zu erhöhen. Aus Salzburg werden wir zudem diese Woche noch Material für eine Sequenzierung einschicken, um mehr Klarheit über das Infektionsgeschehen im Bundesland zu erhalten.
Ist die Impfung gegen das Coronavirus trotz Mutation wirksam?
Das ist sehr wahrscheinlich. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Impfung nicht wirksam bei der Mutation ist. Dennoch wird das Ausrollen der Impfkampagne in Österreich sehr zeitintensiv sein. Um vulnerable Gruppen zu schützen, sind 30.000 bis 40.000 Impfungen pro Tag nötig und davon sind wir sehr weit entfernt. Mund-Nasen-Schutz, Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln werden uns trotz des Impfstarts vorerst weiter im Alltag begleiten.
In Österreich wurden am Montag laut Innen- und Gesundheitsministerium 2.540 Coronavirus-Neuinfektionen verzeichnet. 378 neue Fälle kamen in Salzburg dazu.
Fast 400 Corona-Neuinfektionen in Salzburg
Ist die Sorge vor einer dritten Welle berechtigt?
Es ist noch zu früh, um darüber eine seriöse Aussage zu treffen. Man sollte sich in der letzten Woche des aktuellen Lockdowns die Entwicklung der Fallzahlen und die Situation in den Spitälern anschauen. Erst dann kann abgeschätzt werden, wie sich das Infektionsgeschehen möglicherweise entwickelt. Dennoch ist die Infektionsrate derzeit sehr hoch – und das trotz eines Lockdowns. Wir müssen in Österreich unter die Marke von 1.000 Neuinfektionen (2.540 neue Fälle am 7. Jänner, Anm.) pro Tag kommen, das ist das Ziel.
Vielen Dank für das Gespräch.
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