Seit vergangenem Donnerstag liefert Russland weniger Gas nach Österreich. Das wirkt sich sowohl auf Privathaushalte, als auch auf die Industrie aus.
Salzburg verbraucht rund 2.800 GWh Gas pro Jahr
In Salzburg werden pro Jahr rund 1.800 Gigawattstunden (GWh) für Kund:innen benötigt: Von kleinen Haushalten bis zur Industrie. Dazu kommen noch einmal rund 1.000 GWh für Kraftwerke. Das beschreibt Siegfried Müllegger, Leiter der Energietechnik bei der Salzburg AG, am Montag im SALZBURG24-Interview.
Russland liefert 40 Prozent
Für das Bundesland Salzburg kommen etwa 40 Prozent aus Russland, die restlichen 60 Prozent von anderen Lieferanten wie Norwegen oder aus dem Inland. Am heutigen Montag sei rund die Hälfte der vereinbarten Menge an russischem Gas eingetroffen.
Können Engpässe ausgeglichen werden?
Die wohl direkteste Auswirkung des Gas-Engpasses sei aktuell, dass die Preise am Großhandelsmarkt spürbar steigen. „Da kann man Gas nach wie vor kaufen, aber eben zu höheren Preisen“, erzählt Müllegger. Die Versorgungssicherheit sei aktuell deshalb noch nicht in Gefahr, zumal im Juni kaum geheizt werde und der Verbrauch somit gering sei. Grundsätzlich sei es der Salzburg AG möglich, 100 Prozent Ausfall bei russischem Gas zu ersetzen, solange am Markt genügend vorhanden sei. Die Gasspeicher für Salzburg seien mit Stand Montag zu etwa 61 Prozent gefüllt, so Müllegger. „Wir speichern weiterhin voll ein und ersetzen heute sofort das nicht von Russland gelieferte Gas.“
So will Salzburg AG Versorgung sicherstellen
Um auch künftig die Versorgungssicherheit in Salzburg zu garantieren, sei kurz nach Beginn des Krieges in der Ukraine das Heizkraftwerk (HKW) Nord auf Öl umgestellt worden, berichtet der Experte. Und das HKW Mitte soll ab Herbst im Notfall mit Öl betrieben werden können. Privatkund:innen würden außerdem ohnehin bevorzugt beliefert, da sie als „geschützte Kunden“ gelten, ergänzt Müllegger.
Sorge in der Industrie
Aber wie sieht es bei der Industrie aus? „Das ganze Thema beschäftigt uns in der Industrie sehr akut, natürlich auch in Salzburg. Jeder ist besorgt ob der zukünftigen Entwicklung, die wir alle nicht kennen“, sagt Peter Unterkofler, Präsident der Industriellenvereinigung Salzburg (IV), im S24-Gespräch.
Die Industrie sei generell sehr stark von russischem Erdgas abhängig. Österreich importiere rund 80 Prozent des Bedarfs aus Russland. Allein die Industrie verbrauche die Hälfte davon in einem ruhigen Zyklus über das ganze Jahr. „Das sind zwischen 3,5 und vier Terrawattstunden (TWh) im Monat. Wenn man sich das anschaut und weiß, welche Liefermengen man jetzt bekommt und welche vielleicht künftig ausfallen, kann man nervös sein.“ Allerdings werden momentan noch 100 Prozent des Energiebedarfs gedeckt. Lediglich die Speicher könne man derzeit weniger anfüllen. „Wenn die Gaslieferungen annähernd so weitergehen wie jetzt, können wir das gut überbrücken."
Geringere Margen wegen hoher Rohstoffpreise
Die Lage der Industrie sei derzeit grundsätzlich keine schlechte, merkt Unterkofler an. "Die Auftragsbücher sind voll. Die Preissituation ist aber eine deutlich schlechtere. Die Margen sind zurückgegangen, weil man die hohen Rohstoffpreise oft nicht weitergeben kann.“
Überlegung zu alternativen Energien
Manche Unternehmen würden überlegen, Heizölkessel anzuschaffen oder jene zu nutzen, die noch in Betrieb sind. Auch das Aufstellen von Windkrafträdern sei eine Überlegung, was allerdings nicht unmittelbar helfe. „Aber jeder versucht natürlich, Alternativen nachzugehen.“ Auch nach Möglichkeit als Unternehmen selbst Gas einzuspeichern sei eine Option. „Die Gesetzesänderungen sind gerade auf den Weg gebracht worden, dass man das Erdgas selbst nutzen kann oder wenn man es hergeben muss, einen Kostenersatz bekommt.“
Welche Branchen besonders nervös sind
Fünf von 15 Branchen verbrauchen in Salzburg rund 90 Prozent des gesamten Gases: Stein- und Glasindustrie, Holz, Nahrungs- und Genussmittel, Bergbau und Maschinenbau. Dort sei die Nervosität am größten, weiß Unterkofler. Betroffen seien bei einer Zuspitzung der Lage aber auch andere Branchen, ergänzt Christoph Fuchs, Leiter der Wirtschaftspolitik bei der Salzburger Wirtschaftskammer, im S24-Interview. "Wenn zum Beispiel die Wäscherei kein Gas mehr hat, kann auch die Wäsche in Spitälern oder Altenheimen nicht rechtzeitig gewaschen werden. Die Folgeerscheinungen sind also überall spürbar und nicht nur bei dem, der unmittelbar Gas bezieht.“
Was passiert bei Lieferstopp?
In einer volkswirtschaftlichen Analyse hat die IV analysiert, welche Folgen der Worst Case, nämlich ein Lieferstopp ohne Substitutionsmöglichkeiten für russisches Erdgas, in der Prozesswärme hätte. In diesem Fall wären rund 50 Unternehmen mit über 10.000 Arbeitsplätzen in Salzburg betroffen. Wertschöpfungsverluste von rund 56 Mio. Euro pro Woche und damit elf Prozent der Salzburger Wirtschaftsleistung würden in diesem Fall drohen.
Bevor dieser Worst Case eintritt, gebe es allerdings noch Pläne für verschiedene Stufen mit weniger dramatischen Szenarien, so der IV-Präsident. „Die erste Stufe ist ein Aufruf zum Energiesparen. Die zweite Stufe ist die Ersetzbarkeit des Rohstoffes.“ Die dritte Stufe, die es zu vermeiden gelte, sei die Energielenkung, auch „Energietriage“ genannt. „Darunter versteht man das einseitige Zuteilen nach einem festgelegten Plan durch das Ministerium.“ Das Ausmaß solcher Steuerungen sei allerdings kaum überblickbar, da die Wirtschaft so stark vernetzt sei. Von dieser Gefahr sei man aber aus derzeitiger Sicht noch entfernt.
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