Habt ihr im Restaurant schon mal euer Handy gezückt, um euer Essen zu fotografieren, weil einfach so gut aussah? Offensichtlich wärt ihr damit nicht allein, wie man auf der Social-Media-Plattform Instagram sieht, die voll mit Bildern von wunderschön zubereiteten Gerichten ist. Viele Köche achten besonders auf das richtige Food-Styling, das Essen zu kleinen Kunstwerken macht. Aber natürlich, es soll auch schmecken.
„Optik spielt die Hauptrolle“
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es. Da stimmt auch Stefan Haas, Küchenchef im Restaurant Wassermann am steirischen Grundlsee, zu. „Essen wird mit allen Sinnen genossen. Die Optik spielt dabei aber sicher die Hauptrolle“, so Haas im Gespräch mit SALZBURG24. Nicht umsonst legt der Haubenkoch sehr viel Wert auf das Styling seiner Gerichte und postet sie auch stolz auf Instagram. „Der Gast hat so vorab eine Ahnung, was ihn erwartet. Man kann ihm das Essen schmackhaft machen“. Die Fotos seien wie Visitenkarten für den 39-Jährigen.
Gewaltiger Aufwand für Food-Styling
Darum steckt er auch richtig viel Arbeit und Zeit in jede seiner Kreationen. „Von Null weg bis zum fertigen Teller dauert es ewig“, erzählt Haas, der erst Skizzen von den finalen Werken anfertigt, ehe er in der Küche ans Werk geht. Ein gepostetes Foto einer seiner Teller ist für ihn wie Applaus für einen Künstler. „Wenn jemand vor dem Essen ein Foto macht, dann freut mich das voll. Es ist die Bestätigung, dass unsere Arbeit angenommen wird“, so der Steirer. Auf diese Weise und natürlich durch die Verleihung von Sternen oder Hauben erwerben Köche ihre Reputation. „Wir haben drei Hauben und sind am Weg zur vierten. Leider haben das andere Handwerksbranchen wie Tischler, Installateure usw. nicht. Das würde ihr Handwerk auch aufwerten“.
Künstlerische Werke erzählen Geschichten
Doch nehmen er und sein Team den Aufwand nicht nur für Hauben und Instagram-Likes auf sich. „Ich will eine künstlerische Geschichte erzählen, dabei die Region, Herkunft der Lebensmittel und deren Erzeuger hervorheben. Die Gäste wollen das Ausseeerland essen“, ist sich Haas sicher. Es sei essenziell, dass jede Zutat erklärt wird. Und davon gibt es in seinen kulinarischen Kunstwerken viele: Ein Menü aus acht Gängen bestehe aus 80 bis 100 verschiedenen Komponenten. Allein über 1.500 Kreationen hat er sich während der Lockdowns ausgedacht und niedergeschrieben, da der Steirer gerne Neues kreiert, als Althergebrachtes aufwärmt. „Es ist wie in der Musik: Manche Bands spielen halt nur Coversongs“.
Social Media als zweischneidiges Schwert
Die optische Aufwertung helfe dem Küchenchef dabei, seine Geschichte und Philosophie zu transportieren und natürlich neue Gäste zu gewinnen. Er selbst kommt am „Instagram-Foodporn“ auch nicht vorbei. „Als wir in London waren, wollte ich unbedingt in einem Lokal Steak essen, weil mich die Bilder auf Instagram gefesselt haben“, gibt der 39-Jährige zu. Dabei versucht er aber zu differenzieren, erklärt, warum Social Media Segen und Fluch zugleich ist. „Es ist gut, weil man zeigen kann, was man kann. Da ist unsere Generation nur so halb drinnen, wir wollen alles auch wirklich sehen und gehen hin. Für die Jüngeren gibt aber es nur noch die Wahrheit auf dem Bildschirm“. Und damit verkauft man bekanntlich kein Essen.
Auch Käsekrainer kann man stylen
Und das Essen soll bei all dem Styling und Aufwand nicht zu kurz kommen. „Es kommt auf die Kombination zwischen Optik und Geschmack an. Denn es muss schmecken und das Handwerk muss sitzen“. Man könne zwar auch eine Käsekrainer schön anrichten, doch bei diesem Klassiker würde sich der Haubenkoch eher darauf konzentrieren, dass sie gut gegrillt wird.
Vielleicht schmeckt sie dann auch besser, wenn sie am richtigen Teller präsentiert wird. Ein Aspekt, auf den Haas viel Wert legt. „Geschirr ist sehr wichtig, es zeigt den Zeitgeist und sollte unbedingt zum Gericht passen“. Um das Essen in den Vordergrund zu heben, setzt der Küchenchef meist auf weiße Teller.
„Mei Gschirr“ aus dem Pongau
Diese würde Haas bei Tina Kim-Wieser vergeblich suchen. Denn in ihrer Werkstatt im Pongauer Niedernfritz kreiert die gebürtige Südkoreanerin bunte und kreative Tassen und Teller. Unter der Marke „Mei Gschirr“ vertreibt sie seit einigen Jahren Handgemachtes aus Keramik. Davor habe sie mit ihrem Mann zwei Lokale im Pongau betrieben und nie das richtige Geschirr für die Speisen gefunden. Als Lösung fing sie an, verschiedene Teller selbst herzustellen. „Der Fokus lag dabei, das Essen schön anzurichten“, erzählt Kim-Wieser gegenüber S24 am Telefon, während sie im Korea-Urlaub verweilt. Schnell wurden Restaurant und Geschirr-Herstellung zu viel und die 46-Jährige konzentrierte sich nur noch auf die Handarbeit.
Schau mal was die liebe VERENA SCHNEGG] verzaubert hat! ???????????? Foto©VERENA SCHNEGG] #kirchmarmelade #unbunt #espressobecher
Gepostet von Mei Gschirr am Samstag, 2. Juli 2022
Neongrüne Teller lenken vom Essen ab
Erst wurde die Gastronomie auf ihr Geschirr aufmerksam. Doch während der Corona-Pandemie und besonders in der Zeit vor Weihnachten hätten auch zahlreiche Endkonsument:innen angefragt und bestellt. Es seien meist Leute, die großen Wert auf gutes Essen legen.
Besonders beliebt seien ihre Kaffeebecher, an deren Perfektion sie lange getüftelt hätte. Und das würden ihre Kund:innen zu schätzen wissen. „Viele bestellen mal zwei Becher und nach einiger Zeit dann wieder mehr“, erzählt Kim-Wieser. Ihre Kreationen sollten immer schön, aber auch praktisch sein, nennt sie ihre Vision. „Ich könnte auch neongrüne Teller machen, aber das lenkt vom Essen ab“, schmunzelt sie.
Und dabei stimmt sie mit Küchenchef Stefan Haas überein: „Das Essen steht im Vordergrund“.
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