Während noch von drei Jahren 19 Prozent aller Kinder und Jugendlichen arm oder armutsgefährdet waren, ist dieser Anteil im Jahr 2020 auf 22 Prozent angestiegen. „Das können wir klar auf die Pandemie zurückführen und wir rechnen damit, dass sich diese Verschlechterung aufgrund der Folgeschäden auch im kommenden Jahr fortsetzen wird“, sagt Erich Fenninger von der Volkshilfe Österreich heute im SALZBURG24-Interview. Blick man mehrere Jahre zurück, so hätten sich die Zahlen in Österreich – ähnlich sei dies auch in Deutschland – auf einem hohen Niveau stabilisiert.
„Der große Unterschied zur Zeit nach dem Krieg ist, dass die Kinder und Jugendlichen heute keine gemeinsamen Räume haben und sich daher nicht gemeinsam entwickeln können“, so Fenninger.

„Wir sehen sie nicht“
Die Armut der Kinder ist heute für Außenstehende jedoch kaum offensichtlich. Deutlich wird sie auf materieller, kultureller, sozialer und gesundheitlicher Ebene. Das bedeutet, dass arme Kinder und Jugendliche in Österreich in der Regel zwar ein Dach über dem Kopf haben, jedoch in prekären Wohnverhältnissen leben, kaum oder unzureichenden Kleidung besitzen, ungesund essen, von vielen sozialen Aktivitäten ausgeschlossen sind, einen schlechteren Zugang zu Bildung haben und häufiger unter chronische Krankheiten leiden.
Diese Faktoren treffen in Österreich und damit auch in Salzburg auf jedes fünfte Kind zu. „Die Kinder selbst erkennen, dass sie arm sind und sehen gleichzeitig, dass ihre Eltern alles für sie tun. Dadurch lernen sie in und mit der Armut zu leben. Sie reduzieren ihren Ansprüche“, erklärt der Sozialexperte im S24-Gespräch. So können Kinder etwa keine Freunde nach Hause einladen, weil der Platz fehlt; in der Folge erhalten sie selbst keine Einladungen. Ein Freundeskreis könne sich so nur bedingt – oder wenn, dann eben nur im gleichen Milieu – aufbauen.
Volkshilfe fordert Grundsicherung für Kinder
Die Volkshilfe Österreich sieht es als gesellschaftspolitische Aufgabe an, jedem Kind die besten Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. In einer Tour durch Österreich plädiert man für die Einführung einer Kindergrundsicherung und ruft zur Unterschriftenaktion auf. Die Kindergrundsicherung (statt der bisher bekannten Familienbeihilfe und des Familienbonus Plus) soll gewährleisten, dass alle Kinder die gleichen Zukunftschancen haben und zwar unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern.
So funktioniert die Kindergrundsicherung
Konkret hätte jedes Kind Anspruch auf dieses Geld, die Höhe steigt mit sinkendem Einkommen liegt aber bei mindestens 200 Euro pro Kind und Monat. Kinder in Haushalten unter 20.000 Euro würden so 625 Euro monatlich bekommen, Kinder aus Haushalten mit einem jährlichen Einkommen von über 35.000 Euro einen universellen Betrag von 200 Euro. „Mit diesem Modell kann die Kinderarmut in Österreich abgeschafft werden, das haben entsprechende Berechnungen ergeben – und man könnte sich das auch leisten“, ist Fenninger überzeugt. So würde die Einführung der Kindergrundsicherung den Staat rund zwei Milliarden Euro kosten. Die durchschnittliche Höhe des ausbezahlten Betrages würde bei 334 Euro pro Kind im Monat liegen.
Fenninger ist sich sicher, dass das Geld bei den Kindern ankommt und für deren Entwicklung verwendet werden würde. Denn: „Forschungen zeigen, dass keine Familien gibt, die das Geld den Kindern vorenthalten.“ Kommen Armut und Drogen zusammen, was etwa zwei bis vier Prozent betreffen würde, müsse man individuell über die Sozialarbeit intervenieren und verstärkt über Sachleistungen arbeiten, so der Sozialmanager.
Petition soll Aufmerksamkeit schaffen und verändern
Die Volkshilfe hat eine Petition gestartet und will damit den Druck der Zivilgesellschaft auf die Politik erhöhen, Kinderarmut zu sehen und etwas dagegen zu unternehmen. Seit einer Woche wurden 1.000 Unterschriften geleistet, 100.000 sind das Ziel. Um dies zu erreichen, tourt Fenninger durch ganz Österreich. Wer unterstützen möchte, kann dies heute, um 17 Uhr, am Kapitelplatz in der Stadt Salzburg oder jederzeit DIGITAL tun.
Fakts zu Kinderarmut (EU-SILC2 -Zahlen für das Jahr 2020):
- Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung sind Kinder mit höherer Wahrscheinlichkeit von Armut betroffen als der Rest der Bevölkerung (17,5%).
- 145.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind materiell depriviert. Das bedeutet, dass sich ihre Eltern drei von neun Merkmalen lt. EU-Definition nicht leisten können, dazu gehören unter anderem das Begleichen von regelmäßigen Zahlungen wie Miete, Wasser, etc., das Bewältigen von unerwarteten Ausgaben bis zu 1.240 €, die Warmhaltung der Wohnung, einmal im Jahr aus Urlaub zu fahren, eine Waschmaschine, ein TV-Gerät oder ein Handy.
- 2020 lebten 225.000 Kinder in überlegten, 164.000 Kinder in feuchten, 214.000 in lauten und 82.000 Kinder in lauten Wohnverhältnissen. In den 558.000 Haushalten, die überbelegt sind (wenn z.B. die Anzahl der Wohnräume im Verhältnis zur Zahl der Personen im Haushalt zu gering ist), leben in 475.000 Kinder.
- 10 Prozent der Kinder (131.000) unter 16 Jahren können sich eine Teilnahme an mit Kosten verbundenen Freizeitaktivitäten nicht leisten.
- 258.000 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren und 41 Prozent der armutsgefährdeten Kinder bis 17 Jahre können es sich nicht leisten, Urlaub zu machen.
- Besonders stark von Armut betroffen sind Kinder, die in einem Ein-Eltern-Haushalt leben. 31 Prozent der Ein-Eltern-Haushalte (78.000) sind armutsgefährdet, 11 Prozent sind erheblich, 18 Prozent materiell deprivier.
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