SALZBURG24: Mittlerweile sind Ski-Stars auf der ganzen Welt mit einem deiner Ullr unterwegs. Was genau ist das eigentlich?
HANS FUCHS: Der Ullr begeistert und begleitet mich seit 53 Jahren. Den ersten habe ich von meinem Vater bekommen. Das war ein drei, vier Zentimeter großes Metallplättchen und er hat zu mir gesagt: "Das ist der Ski-Gott". Ich habe nicht viel darüber gewusst. Wir wohnen gleich neben der Kirche, unsere Familie hat seit Jahrhunderten Messnerdienste gemacht. Gott, das war für mich etwas anderes. Der Ullr ist ein heidnischer Gott. Den kennen sie in der Kirche nicht, dort ist der heilige Bernhard der Beschützer der Skiläufer und Alpinisten.
Der Ullr begleitet dich also schon fast dein ganzes Leben lang. Wie bist du auf die Idee gekommen, deine eigenen Glücksbringer zu machen?
Ich wollte immer einen Ullr selber machen. Und mit einem Schaf hat das alles angefangen. Von 1991 auf 92 hat im alpinen Gelände eines unserer Schafe überwintert. Ich habe zwei Tage gesucht und es nicht gefunden. Ich habe mir gedacht, wahrscheinlich hat‘s ein Fuchs gerissen. Und wie ich im Jahr darauf Salzsteine hinauftrage, kommt mir ein Schaf entgegen, halb wollen, halb nackert mit der Ohrmarke 20. Da hab ich mir gedacht: "Das gibt’s ja nicht, es hat überlebt". Das hat mir so getaugt. Die Überwinterung hat den Anlass gegeben meinen eigenen Ullr zu machen aus Zirbenholz und der Wolle des 20er Schafs.
Woher kommt der Ullr ursprünglich?
Der Ullr ist ein nordischer Gott aus Norwegen. Um die Jahrhundertwende hat er sich in den Alpen verbreitet und die Auswanderer haben ihn bis nach Kanada, Australien und Amerika gebracht. Der Ullr ist immer dargestellt als Ski-Jäger: Mit Pfeil, Bogen und Ski. Er ist der Gott des Winters und der Jagd. Es gibt auch eine Ski-Göttin, die Skade, aber der Ullr hat sich durchgesetzt. Dabei gibt es nichts, was es nicht gibt: Alle Formen, alle Materialien.
Wie kommt es, dass den Ullr heute kaum noch jemand kennt?
Mitte der 60er sind die Ullr total verschwunden. Da sind die Lifte gekommen und der göttliche Segen, der den Skifahrern so wichtig war, ist verschwunden. Auch die Keilhosen gab's nicht mehr. Auf der war eine eigene Schlaufe, wo man den Ullr aufhängen konnte. Damit ist dann auch der Ullr verschwunden. Aber mich hat das immer begeistert und ich habe mir gedacht, dass das anderen auch eine Freude machen wird.
Hast du das Ullr-Machen irgendwo gelernt oder es dir selbst beigebracht?
Ich habe Ullr gesammelt, also habe ich schon gewusst, wie die ausschauen und dass es verschiedene Figuren gibt. Ich habe mich gefragt: Welche Figur gefällt mir am besten? Das war der Ullr, der ausschaut wie ein Skifahrer. Die anderen sind eher göttlich, das liegt mir nicht so.
Würdest du sagen, dass es zur Herstellung eine bestimmte Gabe braucht, dass man dem auch einen guten Wunsch mitgeben kann?
Ja, auf alle Fälle. Ich drücke die Ullr nicht raus wie eine Maschine. Ich habe jeden zehn Mal in der Hand, bevor er fertig ist. Von mir ist das ein guter Wunsch. Meine Botschaft ist nicht, dass man gewinnen muss. Das Schaferl hat überwintert, die Kraft zum Durchhalten gehabt: Die will ich weitergeben. Das, was wir von der Schöpfung bekommen - die Schafwolle, das Zirbenholz - das ist unser Leben, davon kommt unsere Kraft.
Sieger bist du sowieso, wenn du durchhältst. Nicht der Pokal oder der erste Platz sind wichtig. Das war mir im Leben auch nie wichtig. Der schöne Sport, dabei sein, das ist mir wichtig. Diese Freude über den Sport, die kann ich gar nicht für mich behalten, die muss ich teilen. Das möchte ich meinem Ullr mitgeben.
Deine Ullr sollen dem Besitzer Kraft und Glück bringen: Glaubst du selbst auch an Glück und Schicksal?
Auf alle Fälle. Ich habe beim Skifahren immer Glück gehabt, in meinem ganzen Leben eigentlich. Und manchmal war es echt haarscharf. Und ich möchte nicht sagen, dass das ausschlaggebend war, aber es ist etwas dran. Skifahren, der Wintersport, das hat mich mein ganzes Leben begleitet und ich habe immer einen Ullr dabei. Auch im Auto. Für mich ist der etwas Besonderes. Ich kenne viele Leute, die den immer mithaben. Die davon so überzeugt sind und das auch weitergeben.
Marcel Hirscher, Hermann Maier, Mikaela Shiffrin und Stefan Kraft: Sie alle haben einen persönlichen Ullr von dir. Hättest du dir je gedacht, dass du mit deinem Ullr so bekannt wirst?
Das hätte ich nie gedacht, dass ich mal so weit komme. Das dauert aber auch seine Zeit. Die Leute müssen erst etwas darüber wissen, damit das einen Wert bekommt. Ich sage zuerst immer, das ist ein Glücksbringer. Oft kannst du eh nicht mehr sagen, weil die warten nicht darauf, dass ich erzähle. Wenn du sie wieder triffst hast du mehr Zeit und kannst erzählen, was dahintersteckt. Und dann tragen manche den Ullr mit Stolz.
Mittlerweile bist du im Skizirkus eine kleine Legende. Wie lange hat es gedauert, bis du dir dort einen Namen gemacht hast?
Ich bin ab 2000 immer zu kleineren Rennen wie den österreichischen Meisterschaften, da gibt es keine Absperrung und der Rennstress ist schon vorbei, man hat Zeit zum Reden. Ich habe überall einen tollen Einstieg gehabt. Wenn das nicht gewesen wäre, dann hätte ich es vielleicht auch wieder gelassen. Wenn ich jetzt zu einem Rennen fahre, dann habe ich schon meine Leute dort. Und ich bin mir sicher, vor zehn Jahren wäre ich sprachlos gewesen, wenn ich da rein gekommen wär. Das erschlägt dich, so viele Persönlichkeiten.
Sind die Sportler auch schon auf dich zu gekommen und haben gefragt, ob du einen Ullr für sie machst?
Von den Spitzensportlern hat noch keiner gefragt. Peter Schröcksnadel (ÖSV-Präsident, Anm.) oder Hans Pum ÖSV-Sportchef, Anm.) geben das schon in Auftrag. Wie sich Salzburg für Olympia beworben hat, habe ich zur Einkleidung der Skistars Ullr gemacht. Wirklich gekommen ist bisher nur der Alexander Maier, der Bruder vom Hermann, der Snowboarder. In Amerika ist dem Alex mal der Ullr gebrochen und seine Eltern haben angerufen und gesagt, sie brauchen einen neuen, weil ohne geht es nicht.
Ich weiß nicht genau, wo jeder meiner Ullr aufbewahrt wird, aber manche sagen es mir. Der Stefan Kraft hat ihn etwa immer auf seiner Tasche. Für Nicole Schmidhofer muss ich heuer einen machen für das Olympiajahr.
Du bist im Lungau der einzige Ullr-Macher: Hast du Angst, dass der Ullr wieder ausstirbt, wenn ihn keiner mehr herstellt?
Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Allgemein wird der Ullr wieder populärer. Einmal natürlich durch mich, aber auch, weil viele Skiorte hundertjähriges Jubiläum feiern. St. Anton, auch Kitzbühel, haben zum Jubiläum wieder einen prägen lassen. Mein Ullr ist aus Zirben, das ist mein Markenzeichen. Ich kann den persönlich gestalten, das ist mir immer wichtig: Der Ullr muss aktuell sein und zum Anlass passen. Nur der Ullr ist zu wenig, die Leute wollen ein Erinnerungsstück haben. Aber wer einmal einen Ullr hat, für den ist er etwas Besonderes.
Danke lieber Hans für das interessante Gespräch!
Wir veröffentlichen jeden Sonntag ein Interview mit besonderen Menschen aus Salzburg – egal ob prominent oder nicht. Wir freuen uns über eure Vorschläge an nicole.schuchter@salzburg24.at.
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