Im letzten Jahr waren es noch 116 Heranwachsende, die von Salzburger Bildungseinrichtungen genommen wurden, heuer sind es bis dato 406: 39 Prozent der diesjährigen Abmeldungen fallen auf den Salzburger Zentralraum bzw. Flachgau, 18 Prozent auf die Landeshauptstadt, 13 Prozent auf den Pongau, 16 Prozent auf den Pinzgau und drei Prozent auf den Lungau, was durchaus ein Stadt-Land-Gefälle zeigt.
Unterricht daheim problemlos möglich
Österreichweiter Spitzenreiter mit 2.049 Abmeldungen ist übrigens Niederösterreich, dahinter folgen Oberösterreich (1.427), die Steiermark (1.130) und Wien (870). Die mit großem Abstand meisten Abmeldungen gab es im Volksschulbereich mit fast 5.000 Kindern im häuslichen Unterricht. Zur Einordnung: Es wurde rund ein Prozent der betreffenden Altersgruppen in Österreich für das aktuelle Schuljahr abgemeldet.
Weil es hierzulande keine Schul-, sondern lediglich eine Unterrichtspflicht gibt, können Kinder auch häuslichen Unterricht oder eine Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht besuchen. Das muss der jeweiligen Bildungsdirektion bis zum Beginn des jeweiligen Schuljahrs angezeigt werden. Diese kann die Abmeldung nur untersagen, "wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist".
Gründe für Schulabmeldungen
"Es hat immer Familien gegeben, die sich aus den verschiedensten Gründen dazu entschieden haben, von daheim aus zu unterrichten anstelle ihre Kinder in eine öffentliche Schule zu schicken", zeigt Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) im S24-Gespräch Verständnis. "Diese Eltern sind davon überzeugt, den Unterricht daheim besser bewerkstelligen zu können, obwohl wir in Österreich gut ausgebildetes Lehrpersonal an den Schulen haben." Und auch die Corona-Pandemie habe demnach einen Einfluss auf den starken Anstieg der Abmeldungen: "Es gibt Eltern, die sich Sorgen um die regelmäßigen Covid-Tests und die Gesundheit ihrer Kleinen machen."
Elternvertreterin Sabine Gabath findet es gegenüber S24 problematisch, dass sich Eltern alle Fächer selbst aneignen und den gesamten Lernstoff unterrichten müssen: Von Deutsch über Mathematik bis Biologie. "Ich habe während der Lockdowns gemerkt, dass ich beim Lernen mit meinen Kindern an meine Grenzen komme." Es gebe ja nicht ohne Grund "gut ausgebildete Pädagogen, die sich die Vermittlung von Wissen jahrelang angeeignet haben."
"Mehr als Ort der Wissensvermittlung"
Um sicherzustellen, dass den Eltern bewusst ist, was Schulabmeldungen in der Praxis bedeuten, hat das Bildungsministerium konkrete Maßnahmen festgelegt: So sind etwa Lerngruppen aus mehreren Kindern im häuslichen Unterricht verboten. Für Landesrätin Gutschi ist die Schule "mehr als ein Ort der Wissensvermittlung." Die Kinder würden neben dem Unterrichtsstoff soziales Miteinander und Konfliktlösung lernen. Elternvertreterin Gabath pflichtet dem bei und nennt den täglichen Schulweg "auch ganz wichtig, um etwa Abstand zum Alltag und Wohnen zu bekommen."
Es gibt auch im Gegensatz zum Fernunterricht des vergangenen Schuljahres übrigens keine Unterstützung der Lehrkräfte beim Heimunterricht. Mit Ausnahme der Schulbücher werden keine Unterrichtsmaterialen zur Verfügung gestellt.
Forderung nach Anlaufstelle in Salzburg
"Es gibt keine Ansprechpartner, falls Kind oder Eltern im Heimunterricht überfordert sind", kritisiert Gabath, die deswegen eine eigene Anlaufstelle bzw. Hotline bei der Salzburger Bildungsdirektion fordert: "Nach einer Abmeldung fällt man komplett aus dem Schulsystem und ist außen vor", bemängelt die Elternvertreterin. Landesrätin Gutschi plädiert hingegen für verpflichtende Elterngespräche bei geplanten Schulabmeldungen, "um falsche Vorstellungen vom Heimunterricht ausräumen zu können und mögliche Angst vom Schulbesuch des Kindes zu nehmen." Die Schule samt ihren Unterrichtsformen habe sich in den letzten Jahren stark verändert: "In meiner Schulzeit war Frontalunterricht angesagt, das ist heute nicht mehr so."
So läuft die Externistenprüfung ab
Wird ein Kind zum häuslichen Unterricht angemeldet, muss es außerdem am Ende des Schuljahrs an einer öffentlichen Schule eine sogenannte Externistenprüfung über den Unterrichtsstoff des gesamten Schuljahres in einer schriftlichen und mündlichen Prüfung ablegen. Schafft man diese nicht, darf man sich im darauffolgenden Schuljahr nicht mehr abmelden, sondern muss die Schulstufe an einer Schule mit Öffentlichkeitsrecht wiederholen.
Solche Prüfungen finden im Land Salzburg immer im Juni statt. Alle weiteren Infos dazu hat die Bildungsdirektion HIER zusammengefasst. Für Elternvertreterin Gabath sind die "Prüfungen in allen Fächern innerhalb einer Woche eine starke Belastung für die Kinder." Und wegen der steigenden Zahl der Schulabmeldungen denkt man Gutschi zufolge aktuell darüber nach, die Externistenprüfungen auf weitere Standorte im Bundesland auszuweiten. "Eine solche Prüfung ist ein enormer organisatorischer Aufwand, sowohl für die Kinder als auch die Schulen."
Bereits mit Anfang 2022 soll zusätzlich zur Externistenprüfung außerdem schon nach dem Wintersemester überprüft werden, welche Lernfortschritte die abgemeldeten Schüler erzielen. So will man bei Problemen frühzeitig gegensteuern können, wie es aus dem Bildungsministerium heißt.
Schulpflicht in Österreich einführen?
Rechtliche Konsequenzen wie ein früheres Zurückholen in den Regelunterricht ergeben sich daraus allerdings nicht, schließlich sind auch an die Schulnachricht am Ende des ersten Semesters keine Konsequenzen geknüpft. Eine Rückkehr in öffentliche Schulen und in einen bestehenden Klassenverband sei "jederzeit problemlos und möglich", bestätigt auch Gutschi.
Eine Diskussion über die Einführung einer Schulpflicht sei für die Landesrätin zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls noch zu früh. Man müsse die weitere Entwicklung der Schulabmeldungen beobachten, so Gutschi, die sich als "Fan der Unterrichtspflicht" outete, "weil es bestimmte Lebenssituationen gibt, die das erfordern." Eine Schulpflicht – so wie in Deutschland – könnte laut Elternvertreterin Gabath hingegen "vielleicht der richtige Weg" sein.
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