Der Anblick des ersten Exponats ist gewöhnungsbedürftig. Immerhin handelt es sich um eine präparierte Leiche, der Gedanke lässt sich nicht verdrängen. Doch schon beim zweiten Blick übt der Körper eine gewisse Faszination aus, noch realistischer könnte eine Darstellung kaum sein. Auf eine Art und Weise betrachtet man sich selbst und sieht Dinge, die sonst unter der Haut verborgen sind: Einzelnen Muskelfasern, die Sehnen und Knochen.
"Grenzbereich zwischen Leben und Tod"
Zu sehen gibt es das bei der Ausstellung „Körperwelten – Am Puls der Zeit“. Sie feiert am Mittwoch in Salzburg Europa-Premiere und bewegt sich im „Grenzbereich zwischen Leben und Tod“, wie es der Philosoph und Ethiker Franz Josef Wetz bei der heutigen Pressekonferenz im Messezentrum formuliert. Anhand des Todes werde das Leben präsentiert, sagt Wetz. Vom Pferd über die Raucherlunge bis zu Föten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien handelt es bei allen 200 Stück um echte Präparate. Um Teil der Ausstellung zu werden, muss man zuerst sterben.
199 Körperspender in Österreich
Die Exponate kommen aus einem Körperspender-Programm. Jede und jeder kann sich dafür anmelden. Aktuell sind weltweit 19.416 Menschen als Körperspender registriert, 199 davon in Österreich.
Verstirbt ein Körperspender, beginnt die sogenannte „Plastination“. Dieser Prozess wurde vom deutschen Mediziner Gunther von Hagens von 1977 an entwickelt. Dabei wird der Verwesungsprozess des Körpers durch das Injizieren von Formalin gestoppt. Anschließend werden Haut, Fett- und Bindegewebe entfernt. In einem Bad aus Lösungsmittel, beispielsweise Aceton, werden lösliche Fette und Wasser ausgetauscht. Im nächsten Schritt wird das Aceton in einer Vakuumkammer durch Kunststoff ersetzt. Muskeln, Sehnen, Knochen, sogar Arterien, Venen und das Nervensystem lassen sich so konservieren. Im letzten Schritt werden die Körper mithilfe von Drähten, Klammern und Nadeln fixiert und mit Gas, Licht oder Wärme ausgehärtet. 1.500 Arbeitsstunden stecken in einem Ganzkörper-Exponat, das nach etwa einem Jahr fertig ist.
Kritik an Körperwelten-Ausstellung
Seit 1995 touren zahlreiche Plastinate mit den „Körperwelten“ über den Globus. Der wissenschaftliche Aspekt steht im Vordergrund. Auch Laien sollen das sehen, was sonst Ärzten und Wissenschaftlern vorbehalten ist, sagt Kuratorin Angelina Whalley: „Wir möchten vermitteln, dass der Körper unsere Grundlage ist. Wir sind Körper, ohne könnten wir nicht existieren.“ Man sieht sich als Ort der Aufklärung über den menschlichen Organismus.
Von außen wurde das nicht immer so wahrgenommen. Zu Beginn gab es reichlich Kritik aus ethischer und moralischer Sicht. Am öftesten wurde laut Wetz der Vorwurf der Verletzung der Menschenwürde vorgebracht. Er nennt vier Gründe, die das widerlegen sollen:
- Freiwilligkeit der Körperspende bewahrt Selbstbestimmung
- Typisch Menschliche bleibt erhalten: Körper als Körper dargestellt
- Plastinate bleiben anonym: Recht auf Privatsphäre bewahrt
- Besucher verhalten sich respektvoll

"Betrachter nicht abstoßen"
Die lebensnahe Darstellung der Plastinate sahen Kritiker als „anmaßend“ an. Laut Whalley, selbst Medizinerin und Ehefrau von Erfinder von Hagens, hieß es, sie würden „Menschen dazu missbrauchen, Kunstwerke herzustellen.“ Das sei aber nicht der Anspruch, es gehe um Ästhetik. „Betrachter sollen sich nicht abgestoßen fühlen, sondern erkennen: ‚So großartig ist auch mein Körper‘“, schildert Whalley. „Es ist auch im Sinne unserer Körperspender, dass sie schön anzusehen sind. Niemand will ein Gruselexponat.“
Anatomie bestimmt Pose der Plastinate
Die Exponate nehmen verschiedenste Posen ein, vom Staffellauf bis zum Geschlechtsverkehr. Jede Positionierung ist laut Whalley einzigartig, man möchte sich nicht kopieren. Zudem kommt es auf die anatomischen Voraussetzungen an und darauf, was man zeigen möchte: Geht es vorrangig um das Nervensystem, bietet sich eine Denker-Pose an. Handelt es sich um einen athletischen Körper, rückt man die Muskulatur in den Vordergrund.
Die Schau in Salzburg soll zum Nachdenken über das eigene Leben, seine Geschwindigkeit und deren Auswirkung auf den Körper anregen. „Unser Leben hat sich beschleunigt, der Körper aber hat seinen eigenen Puls. Er lässt sich nicht beschleunigen“, erklärt Whalley. Ihr eigener Anspruch an die Ausstellung ist, dass sie Menschen berühren soll. Ein erhobener Zeigefinger bringt ihrer Meinung nach niemanden dazu, wirklich besser mit dem eigenen Körper umzugehen. „Das kann ich nur erreichen, wenn ich den Menschen mit dem notwendigen Wissen ausstatte.“
Details und Aktion für S24-User
Die Ausstellung "Körperwelten" ist in Salzburg von 16. Dezember bis 7. März 2021 zu sehen. Aufgrund der Corona-Maßnahmen müssen mit dem Ticket Zeitfenster gebucht werden, es gilt Maskenpflicht. SALZBURG24-User erhalten Familienkarten um fünf Euro, Erwachsenenkarten um drei Euro günstiger. Rabatte sind nur HIER mit dem Code SALZBURG24 erhältlich.
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