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Armut und Obdachlose

"Wir werden 2021 massive Probleme bekommen"

Weniger Plätze in Salzburgs Notschlafstellen verfügbar

SB: Obdachlos, Armut, Bettler, NEUMAYR / ARCHIV
Die kalte Jahreszeit wird vor allem für Obdachlose zum großen Problem.

Die Tage werden kürzer und die Nächte immer kälter. Der anstehende Winter stellt Obdachlose und Wohnungslose in Salzburg vor große Probleme und Gefahren. Aufgrund geltender Corona-Einschränkungen können auch längst nicht alle Plätze in den Notschlafstellen genützt werden.

Salzburg

In der Landeshauptstadt sind laut Caritas aktuell etwa 110 Menschen obdachlos bzw. leben auf der Straße. Und statt 120 Betten in Salzburgs Notschlafstellen können wegen der Corona-Maßnahmen aktuell lediglich 53 belegt werden. "Die anderen müssen im Freien übernachten", sagt Caritas-Sprecherin Johanna Koller gegenüber SALZBURG24. Nächte mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sind lebensgefährlich.

Weniger Platz in Notschlafstellen

Im Haus Franziskus stehen etwa 40 Plätze weniger zur Verfügung, im Haus Elisabeth sind 13 von 20 Betten für Frauen verfügbar. Hier können Betroffene duschen, Wäsche waschen und etwas Warmes essen. "Niemand soll in Salzburg hungern oder frieren müssen. Sachspenden wie Schlafsäcke und warme Kleidung, aber auch Lebensmittel, Hygieneartikel für Frauen und Geldspenden sind gerade jetzt dringend nötig", so Caritas-Direktor Johannes Dines. Denn der Organisation sind wichtige Termine, wie die alljährliche Inlandsammlung im Frühjahr, corona-bedingt entgangen.

Caritas, Haus Elisabeth, Essensausgabe, Caritas Salzburg
Das Haus Elisabeth bietet während der kalten Jahreszeit Frauen einen Schlafplatz und warmes Essen.

Keine garantierte Notunterkunft gibt es hingegen für rund 80 Notreisende in der Mozartstadt, also Obdachlose aus dem Ausland. Sozialarbeiter halten regelmäßigen Kontakt mit ihnen. Zudem würden Land Salzburg, Caritas und weitere Träger momentan an einer Lösung arbeiten.

"Wir werden 2021 massive Probleme bekommen"

Einen Anstieg bei den Obdachlosen bemerkt die Salzburger Armutskonferenz aktuell nicht, doch das dürfte sich nach dem Jahreswechsel ändern, befürchtet Carmen Bayer: "Wir stellen einen großen Anstieg beim ungesicherten Wohnen fest. Das sind zum Beispiel Menschen, die übergangsweise bei Bekannten leben oder denen Delogierungen aufgrund von Mietrückständen drohen." In diesem Bereich gab es laut Wohnbedarfserhebung 2019 einen Anstieg von gut 25 Prozent in Salzburg und auch die Zahl der Menschen, die von Delogierungen bedroht sind, stieg schon vor Corona stark an. "Diese Problemfelder wurden in einem Nicht-Krisenjahr sichtbar, für uns ist das mit Blick auf die aktuelle Lage alarmierend", so Bayer. "Wir werden 2021 massive Probleme bekommen."

Menschen haben Schulden aus Mietstundungen, sind nach wie vor in Kurzarbeit oder arbeitssuchend. Darum fordert die Armutskonferenz von der Bundesregierung schnell zugängliche Unterstützungsmaßnahmen. Bayer: "Anstatt unbürokratischer Hilfe scheint sich die Situation für Betroffene mit dem Wechsel der Mindestsicherung hin zur Salzburger Sozialunterstützung im Jänner 2021 aber weiter zu verschlechtern."

Corona verschärft soziale Misere

Kurzarbeit und Jobverlust beschleunigen die soziale Misere. Davon betroffen seien vor allem Frauen und Alleinerziehende, die oft in Teilzeitjobs, in der Gastronomie oder Tourismus, im Handel oder in Dienstleistungsbetrieben arbeiten. Auch Einzelunternehmer, Jugendliche, Ältere und Menschen mit Behinderung sind stark betroffen. Bemerkbar macht sich das bei der Sozialberatung der Caritas, wo es heuer einen Anstieg von fast 40 Prozent gibt – Tendenz weiter steigend. "Auch zur Mittelschicht zählende Personen melden sich immer häufiger", weiß Sprecherin Koller.

Caritas, Haus Elisabeth, Essensausgabe, Caritas Salzburg
Im ganzjährig geöffneten Haus Franziskus in der Anton-Graf-Straße gibt es warmes Essen und eine Unterkunft für Bedürftige.

Not kann jeden treffen – von heute auf morgen. Laut Statistik Austria waren elf Prozent der Salzburger Bevölkerung vor der Corona-Krise armutsgefährdet, das sind umgerechnet ca. 58.000 Menschen. Als armutsgefährdet gilt ein monatliches Einkommen unter 1.286 Euro – inklusive aller staatlichen Leistungen. "Salzburg ist grundsätzlich nicht schlecht aufgestellt", merkt Bayer von der Armutskonferenz an, schränkt jedoch ein: "Aber in einer Krise werden die Mängel deutlich sichtbar."

Eine Übersicht der Hilfsangebote in Salzburg – von Familie bis hin zur Obdachlosigkeit – findet ihr HIER.

(Quelle: SALZBURG24)

Was macht Corona mit den Armen?

Saftladen Saftladen
(SYMBOLBILD)

Corona wirkt auf unsere Psyche und konfrontiert uns mit unseren Ängsten. Existenzängste, Befürchtungen den Job zu verlieren, Stress und Streit in der Familie. Wir alle kennen es. Doch was macht die Pandemie mit jenen Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben? Wie gehen die Armen und Obdachlosen mit dem Virus um? Im Saftladen in der Stadt Salzburg haben wir Antworten auf diese Fragen gefunden.

Im Saftladen, eine Einrichtung des Vereins Neustart in der Schallmooser Hauptstraße, kommen jeden Tag Menschen mit den verschiedensten Problemlagen zusammen. Sie sind arbeits- oder obdachlos, wurden aus der Haft entlassen, leiden unter Suchtproblemen und/oder anderen psychischen Erkrankungen. Hier können sie tagsüber Zeit verbringen, sich waschen, etwas essen und trinken. Bei den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern finden sie ein offenes Ohr für alles, was sie beschäftigt.

Corona ist auch bei den Armen angekommen

„Corona ist Thema Nummer eins, wie in den anderen Gesellschaftsschichten auch. Es wird viel darüber geredet und debattiert“, sagt Peter Wieser vom Saftladen im Interview mit SALZBURG24. Die Klienten würden das Virus „sehr ernst“ nehmen, so gebe es eine hohe Akzeptanz, was die Maßnahmen wie Abstand und Maskenpflicht betreffe. „Es gibt Einzelne, die wir manchmal daran erinnern müssen, die Maske auch über die Nase zu ziehen, aber insgesamt funktioniert das wirklich erstaunlich gut, schildert Wieser die Duldsamkeit der Saftladen-Gäste. Darüber ist man in der Einrichtung auch sehr froh, denn bislang hat es dort noch keinen einzigen Corona-Fall gegeben.

Leute kommen aus Angst nicht mehr in Saftladen

Auffällig sei, dass einige Klienten die Pandemie sogar so ernst nehmen, dass die den Saftladen meiden – aus Angst sich anzustecken. Während vor Corona rund 100 Menschen täglich vorbeikamen, seien es im Moment nur mehr 60 bis 70 – und das, obwohl es zunehmend kälter wird. „Die, die nicht mehr kommen, suchen jetzt häufiger den Kontakt übers Telefon. Man merkt, dass die Menschen sehr in Sorge sind“, sagt Wieser. Zum einen falle ihnen die Decke auf den Kopf, zum anderen verzögern sich sämtliche Amtsgeschäfte, da der Parteienverkehr nicht mehr möglich ist und auch im Amt der Großteil ins Netz verlegt wurde. „Da tun sich unsere Klienten natürlich schwerer.“

Einrichtung im ersten Lockdown geschlossen

Beim Lockdown im März sei man gezwungen gewesen, den Saftladen komplett dicht zu machen, erinnert sich Wieser zurück. „Es gelang uns aber immer zumindest einen Ansprechpartner zu Verfügung zu stellen und wir konnten auch vereinzelt Duschen möglich machen oder dringend notwendige Kleidung leihen.“ Bei der gastronomischen Versorgung – die Gäste bekommen Frühstück, Mittagessen, Imbisse und Getränke zu erschwinglichen Preisen angeboten – wolle man bei einem neuerlichen Schließen in einem weiteren Schritt das Essen auch ausgeben. Das sei derzeit noch nicht notwendig, da die Besucher in der Einrichtung auch konsumieren dürfen, sofern sie maximal zu viert an einem Tisch – und eben nicht an der Bar – sitzen.

Und was, wenn’s an den ganz kalten Tagen doch wieder voller wird und der Platz ausgeht? „Dann werden wir nur eine begrenzte Anzahl von Menschen in den Saftladen hineinlassen können und ihren Aufenthalt zeitlich begrenzen müssen, dass sich jeder mal kurz aufwärmen kann.“ Und dass das auch funktionieren würde, da ist sich Wieser sicher, „weil die Leute einfach aufeinander schauen.“

Aufgerufen am 01.04.2023 um 07:10 auf https://www.salzburg24.at/news/salzburg/stadt/notschlafstellen-in-salzburg-weniger-angebot-durch-corona-95536438

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