„Gemeinsam bringt man mehr weiter“ – ein einfacher Leitspruch, der für so vieles gelten kann, haben Anrainer:innen rund um den Salzburger Almkanal in die Tat umgesetzt. Sie gründeten eine Energiegemeinschaft und ließen zusammen mit der Ökostrombörse ein Kleinwasserkraftwerk mitten in der Stadt Salzburg, zwischen der Sinnhub- und der Leopoldskronstraße, errichten. Das Projekt ist beinahe fertig. In etwa einem Monat wird der kleine Betonfisch rund 170 Haushalte mit Strom versorgen. Wir haben uns das Vorzeige-Projekt vor Ort angesehen.
Kleinwasserkraftwerk erzeugt 300.000 kWh Strom pro Jahr
Das Herzstück, die Wasserkraftschnecke – eine Schraube, die sich angetrieben vom abfließenden Wasser bis zu 30 Mal pro Minute um ihre eigene Achse dreht – wurde im November eingehoben. Die Drehbewegung wird in elektrische Energie umgewandelt und soll fortan mehr als 300.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen.
Bei unserem Besuch am SinnHUB vor wenigen Tagen war noch alles gut eingehüllt, das Dach provisorisch. „Das Dach wird mit Betonfertigteilen, die besonders gedichtet sind, geschlossen. So stellen wir sicher, dass das Drehgeräusch der Wasserschnecke für die Anrainer nicht zu laut ist“, schildert der Obmann der Salzburger Ökostrombörse, Franz Kok, im Gespräch mit SALZBURG24.
SinnHUB: Die Rechnung geht auf
Auch wenn man die volle Kraft des Wassers im Almkanal nutzen will, ein Vollversorger für die beteiligten Haushalte wird SinnHUB zwar nicht. Allerdings dürfte die Stromrechnung der Vereinsmitglieder ab März deutlich schrumpfen. „Bei einer konstanten Leistung von 40 kWh können wir im Durchschnitt zirka die Hälfte der Stromverbrauchs, nämlich den Grundbedarf, decken“, so Kok. Der Ökostrom des Kleinwasserkraftwerks kostet den Endverbraucher inkl. Servicekosten etwa 22 Cent/kWh. „Da haben schon vor der Strompreissteigerung viele Haushalte mehr bezahlt.“ Und der Betrag bleibt fix: Denn das Bezugsrecht in Höhe von 4.560 Euro, das jedes Vereinsmitglied für die Finanzierung des Kleinwasserkraftwerks bezahlt hat, berechtigt zum Bezug von 45.000 kWh in einem Zeitraum von 30 Jahren.
Gemeinschaftsprojekt als Blaupause
Kein Wunder also, dass binnen kürzester Zeit sämtliche Bezugsrechte verkauft und Interessenten aktuell nur noch auf eine Warteliste gereiht werden können. „In Summe haben wir über das gesamte Stadtgebiet 150 Personen, die gerne dabei wären, auf unsere Warteliste gesetzt“, berichtet Dietmar Kurz, Vorstand der Erneuerbaren Energiegemeinschaft SinnHUB, im S24-Gespräch. Aufgrund des enormen Andrangs und der hohen Nachfrage liebäugelt der Verein bereits mit neuen Projekten und der Ausweitung auf andere erneuerbare Energieträger. „Über das gleiche Prinzip könnten wir dann zusätzliche Energiequellen miteinfließen lassen.“
Lange Zeit habe man immer nur darüber diskutiert, doch passiert sei nichts bis wenig mit dem Argument der hohen Kosten. „Jetzt ist das völlig gekippt, denn allen ist jetzt klar, dass jede zusätzliche neue Energieanlage Geld spart, vor allem langfristig“, ist sich auch Johannes Hübl vom EEG SinnHub sicher.
Auch für Franz Kok von der Ökostrombörse ist sicher, dass dies nicht das letzte Projekt in diese Form sein wird – im Gegenteil: „Im Bereich der gestauten Fließgewässer in Salzburg könnte es durchaus sein, dass da noch ein, zwei solche Anlagen kommen.“ Aktuell würden dazu Gespräche mit den Eigentümern geführt, mehr dazu wolle er aber noch nicht sagen, gibt sich der Ökostrom-Obmann noch bedeckt. In Sachen Nachhaltigkeit könne man mit derartigen Projekten, wie etwa auch gemeinschaftlich genutzten Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern von Wohnhausanlagen, der Stadt Salzburg durchaus unter die Arme greifen.
Bürgerbeteiligungsmodell auch auf Windparks übertragbar
Und wie steht es um das Modell der Bürgerbeteiligung in Sachen erneuerbare Energien außerhalb der Stadt Salzburg? Hier gebe es tatsächlich konkrete Überlegungen für Skigebiete. „Dieses Modell können wir auch für einen Windpark anbieten“, so Kok. So könnten – im Sinne des Gemeinschaftsgedankens – Skigebiete oder Tourismusregionen über gesicherte und langfristig niedrige Stromentgelte auch den Betrieb von Liften oder von Hotels absichern. Eine konkrete Anfrage dazu habe man bereits erhalten.
Es werde und müsse noch viel passieren, um die Energiewende zu schaffen – und erneuerbare Energiegemeinschaften könnten hier einen regelrechten Schub bringen. Was noch fehle, sei die Handreichung der Gemeinden. „Die Politik muss ihre Zusagen in die Handlungsebene übersetzen“, fordert Kok. So brauchte es bei den Genehmigungsverfahren eine positive Routine, „und nicht die Routine des Verhinderns und des Demotivierens von Menschen“.
Ein Betonfisch zum Leben erweckt
Zurück zum Almkanal: Aktuell gibt es am gesamten Almkanal entlang 17 aktive Kleinwasserkraftwerke und etwa 35 ehemalige. Doch der SinnHUB könnte in Sachen Ökoenergie zu einem wichtigen Marker einer neuen Bewegung werden. Denn der kleine Betonfisch an der Leopoldskronstraße ist das erste und bislang einzige Projekt einer Gruppe von Salzburger:innen, die es geschafft hat, dem allseits so viel zitierten Gemeinschaftsgedanken Leben einzuhauchen – als wohl größte erneuerbare Energiegemeinschaft Österreichs.
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