Vor „ÖVP-Parteifreunden“ echauffierte sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) über die Arbeitsmoral der Menschen in Österreich, die Sozialpartner und thematisierte Kinderarmut. Die Ansprache soll am Vorabend der Eröffnung der Salzburger Festspiele in einem Lokal in der Halleiner Altstadt (Tennengau) abgehalten worden sein und wurde auch gefilmt. Seit das Video Mittwochabend erstmals in den Sozialen Netzwerken aufgetaucht ist, geht es viral und sorgte bereits für zahlreiche Reaktionen.
Karl Nehammer mit Brandrede in Hallein
Das Thema Kinderarmut sei in Österreich laut Nehammer einfach zu lösen: „Es ist nicht gesund, aber ein Hamburger bei McDonalds kostet 1,40 Euro. Pommes dazu und es sind 3,50 Euro“. Aber auch die Teilzeitarbeit ist dem Kanzler offenbar ein Dorn im Auge. „Wenn ihr mir vorwerft, die Armut in Österreich wird immer größer, die Menschen haben immer weniger Geld, wieso erhöht sich dann die Teilzeit-Quote nicht?“, fragt er in die zustimmend nickende Runde. „Nicht einmal bei den Frauen, die keine Betreuungspflichten haben. Wenn ich zu wenig Geld habe, gehe ich mehr arbeiten“.
In dieser Diskussion dürfe man sich nicht verlieren. "Dann heißt das: Jeder Elternteil hat sein Kind beim Staat einzumelden, wir machen Kalorientabellen, wir schauen wie viel Essen kriegt das Kind, wie wird's ernährt und dann sind wir in der DDR."
"Ja, ja, ich bin bei dir, ich komm zu dem", ruft der Kanzler einem Zuhörer zu, der in die Rede hineinruft meint, er habe kein Problem damit, wenn jemand 30 Stunden arbeite oder 20, aber "ohne Subventionen von uns allen, die fleißig arbeiten." Nehammers Antwort: "Was ist in Österreich real? Real ist, über all das hab ich mich mit dir gar nicht unterhalten. Warum? Weil dann kommt nämlich die Gewerkschaft her und die Wirtschaftskammer her und sagt: "He, putz di, Sozialpartnerschaft, Sozialpartnerschaft!"
Gewerkschaft bremse Rot-Weiß-Rot-Card
Die Gewerkschaft, die Nehammer im Video auch als größten Bremser bei der "Rot-weiß-rot"-Card bezeichnet, zeigt sich über die Rede des Kanzlers empört. "Die Sozialpartnerschaft hat einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung von Krisen geleistet, insbesondere durch Maßnahmen wie die Kurzarbeit. Die Behauptung des Kanzlers, dass die Sozialpartnerschaft ein Hindernis sei, ist für uns nicht nachvollziehbar. Sie ist ein Erfolgsmodell für unser Land und hat maßgeblich zu unserem Wohlstand beigetragen. Für uns sind die Aussagen des Kanzlers daher absolut unverständlich", sagte Vizepräsidentin Korinna Schumann zur APA. Die Wirtschaftskammer wollte die Aussagen gegenüber der APA nicht kommentieren.
Regierungspartner kritisiert Bundeskanzler
Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag auf das Video angesprochen, sagte Vizekanzler Werner Kogler er habe einiges von dem Video gehört, dieses aber noch nicht gesehen. "Ich werde mich dann ärgern, wenn ich es mir angeschaut habe, oder auch nicht." Kogler lobte hingegen die Regierungsarbeit, explizit das Paket gegen Kinderarmut. "Wenn das (Video, Anm.) jetzt Aufmerksamkeit erregt - möglicherweise berechtigt - dann ist doch ein guter Zeitpunkt für die Regierung und auch für den ÖVP-Teil, das was angekündigt wurde (...) beschleunigt anzugehen." Klubobfrau Sigrid Maurer präzisierte auf Twitter: "Die Teilzeitquote wird sich erst dann ändern, wenn es tatsächlich Wahlfreiheit gibt - mit einem entsprechenden Ausbau der Kinderbetreuung. Das hat der Kanzler selbst angekündigt - es ist jetzt ein guter Zeitpunkt diesen Worten Taten folgen zu lassen."
Als zynisch bezeichnet es der grüne Sozialminister Johannes Rauch, Menschen in Not auszurichten, sie seien selbst Schuld oder sollen ihren Kindern Fast Food servieren. "In der Regierung arbeiten zwei sehr unterschiedliche Parteien mit teils sehr unterschiedlichen Werthaltungen zusammen. Der Bundeskanzler sagt ja selbst am Ende dieses Videos, dass seine Vorstellungen mit den Grünen nicht durchzusetzen sind. Und das ist gut so." Auch er lobt die von der Regierung aufgrund der Teuerung beschlossenen Entlastungsmaßnahmen. "Wir können und wollen nicht zuschauen, wie Kinderarmut zunimmt: Deshalb gibt es zusätzlich 60 Euro pro Kind und Monat, für jene, die es besonders brauchen - die Auszahlung beginnt heute, rückwirkend ab Juli."
„Empathielos, menschenverachtend und abgehoben“
Das gestern publik gewordene Video, in dem Bundeskanzler Karl Nehammer in „schockierender Deutlichkeit über Frauen, Kinder und die Sozialpartnerschaft herzieht“, bestätige einmal mehr, dass Nehammer als Kanzler ungeeignet sei und er und seine Regierung besser heute als morgen abtreten sollten, hält SPÖ-Frauensprecherin, Eva-Maria Holzleitner, in einer Aussendung fest. „Karl Nehammers Aussagen sind eines Bundeskanzlers der Republik Österreich unwürdig.“
FPÖ-Chef Herbert Kick bezeichnete Nehammer in einer Aussendung als „empathielos, menschenverachtend und abgehoben“.
Auch aus Salzburg hagelt es Kritik an den Aussagen und dem Auftritt Nehammers. "Was Nehammer hier vor seinen Salzburger Parteikollegen zum Besten gibt, ist einfach nur abstoßend. Während Familien aufgrund der Teuerungen verzweifeln, macht sich der Kanzler über sie lustig und wertet sie ab. Die Salzburger ÖVP applaudiert. Wir Grüne fordern eine klare Distanzierung vom Salzburger ÖVP-Chef LH Haslauer und eine sofortige Entschuldigung von Nehammer“, so Grünen-Obfrau Martina Berthold in einer Aussendung.
ÖVP Salzburg verteidigt Nehammer-Rede
In einer Aussendung am Donnerstagabend meldete sich schließlich auch die Salzburger ÖVP zu Wort. Das Video sei von einem Gast aufgenommen und an Freunde und Bekannte verschickt worden, "weil er von den klaren Aussagen des Kanzlers zum Mittelstand begeistert war". Diese hätten die Aufnahme offenbar geteilt, bis jemand es der SPÖ zugespielt habe. Von dort aus sei es schließlich an die Medien gelangt. Es sei "auffällig", dass dies ausgerechnet am Tag nach der "SORA-SPÖ-Affäre" passiert ist. Man teile jedenfalls die Kernaussage Nehammers Rede, dass sich Leistung wieder lohnen müsse. Die Aufnahme zeige, dass der Bundeskanzler "den direkten Kontakt sucht" und offen, "wenn auch etwas pointiert", mit Menschen diskutiere.
(Quelle: salzburg24)






