Nach Auskunft aus Teilnehmerkreisen war es vor allem die Sorge vor der sogenannten B117-Mutation, die die Politik zu weiteren Maßnahmen trieb.
Mutation: Härtere Einschränkungen werden überlegt
Sollte sich diese Mutation in Deutschland weiter ausbreiten, dürfte die nächste Chefrunde am 25. Jänner noch über viel härtere Corona-Einschränkungen sprechen, verlautete sowohl aus Regierungskreisen als auch den Bundesländern. Genau das soll nun verhindert werden.
Rasante Ausbreitung bereitet Sorgen
Grund für die Sorge ist vor allem die Einschätzung von Experten, dass B117 nach ersten Einschätzungen zwar keine schlimmeren Krankheitsverläufe bewirkt, sich aber sehr viel rascher ausbreitet als die bisherige Version des Coronavirus. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller warnte, dadurch drohten viel höhere Fallzahlen und vielen Krankenhäusern die Überforderung - und die Zahl der Toten dürfte weiter steigen. In Großbritannien, wo man die Mutation zuerst entdeckte, stieg die Zahl der neuen Positiv-Tests auf mehr als 60.000. Die Regierung in London beschloss einen erneuten harten Lockdown.
Drosten: Weitere Virus-Mutation in Südafrika
Als Merkel und etliche Ministerpräsidenten bereits am Montag mit Experten über die Corona-Lage berieten, warnte der Virologe Christian Drosten Teilnehmerangaben zufolge außerdem, dass man auch eine weitere Virus-Mutation in Südafrika im Blick haben müsse. Diese habe in einigen Townships schon 40 bis 50 Prozent der Bewohner infiziert. In Dänemark habe man eine wöchentliche Verdoppelung der Fälle mit der Mutation festgestellt, sagte Drosten am Dienstag im NDR.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es allerdings keine Anzeichen dafür, dass die in Südafrika entdeckte Variante ansteckender ist als die in Großbritannien entdeckte. Der deutsche Impfstoff-Hersteller Biontech zeigt sich zwar optimistisch, dass das eigene Präparat gegen B117 schützt. Aber für die südafrikanische Mutation gibt es bisher keine Einschätzung.
Coronavirus: Labore sollen nach Mutation suchen
Hinzu kommt, dass sich die deutsche Politik - und die in vielen anderen Staaten - in einem Blindflug befindet. "Dem RKI sind aktuell vier nachgewiesene Fälle durch die in UK entdeckte Variante bekannt", teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) am Mittwoch auf Nachfrage mit. Aber sowohl das RKI als auch Drosten räumen ein, dass man letztlich nicht weiß, wie viele Fälle es bereits gibt. Denn anders als in Großbritannien und Dänemark wird in Deutschland und den meisten Ländern bisher keine Gen-Sequenzierung bei den Viren vorgenommen - B117 bleibt also unentdeckt. Um dies zu ändern, erteilten Bund und Länder dem Bundesgesundheitsministerium am Dienstag den Auftrag, durch eine Verordnung Labore zu verpflichten, bei Corona-Infektionen nun auch nach der Mutation zu suchen. Die US-Gesundheitsbehörde geht ähnlich vor.
Das RKI weist allerdings darauf hin, dass diese Sequenzierung sowohl Geld wie auch Personal in den Laboren binde, die bei der Auswertung der PCR-Corona-Tests ohnehin kaum nachkommen. Das Bundesgesundheitsministerium wollte am Mittwoch noch nicht sagen, ob es deshalb finanzielle Hilfe geben wird.
Variante B117 in zahlreichen Ländern
Das European Center for Disease Prevention (ECDC) listete schon Ende des Jahres auf, dass man B117-Fälle auch in Belgien, Finnland, Frankreich, Island, Irland, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Spanien und Schweden ermittelt habe. Daher gilt eine Abschottung Großbritanniens nicht mehr als ausreichendes Mittel.
Deutschland verlängert Einreisebeschränkungen
Das deutsche Innenministerium kündigte am Mittwoch an, dass man die Einreisebeschränkungen für Reisende aus dem Königreich und Südafrika verlängern werde. Zugleich vereinbarten Bund und Länder, auch die Kontrollen bei der Einreise aus anderen Gebieten mit bekannten Fällen zu verschärfen. Allerdings hatte schon die zweite Corona-Welle gezeigt, wie lückenhaft diese Kontrollen sind. Denn schon die ursprüngliche Virus-Variante breitete sich nach offiziellen Angaben ab Oktober sehr stark in den Regionen Sachsens und Bayerns aus, die an Tschechien beziehungsweise Österreich grenzen. Dies geschah demnach auch durch den kleinen Grenzverkehr und Pendler, die von Kontrollen gar nicht erfasst wurden. Bei normal Einreisenden kontrolliere die Bundespolizei zwar verstärkt, ob die Personen ihre digitalen Einreiseanmeldungen ausgefüllt haben - aber Gesundheitschecks nehme sie nicht vor, räumte ein Sprecher des Innenministeriums ein.
Letztlich, so verlautete aus Bundesregierung und Landesregierungen in Deutschland, geht es vor allem darum, die wohl ohnehin nicht zu verhindernde Ausbreitung der Virus-Mutationen möglichst lange hinauszuzögern. "In gewisser Weise ist dies ein Wettlauf mit der Zeit", sagte Merkel dazu. In der Zwischenzeit sollen zumindest die Risikogruppen geimpft werden.
Kommentare
Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Starte die Diskussion.