In dem ersten großen Strafprozess in Deutschland seit Einführung des Anti-Doping-Gesetzes 2015 sprach das Landgericht München am Freitag auch die vier Helfer des Erfurter Arztes schuldig.
Vier Jahre Haft für Doping-Arzt
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Mark S. mehrere Winter-und Radsportler über Jahre hinweg mit Blutdoping behandelte. Zudem verabreichte er der österreichischen Mountainbike-Vizeweltmeisterin Christina Kollmann-Forstner in einem Fall ein Präparat, das nicht für den Gebrauch an Menschen zugelassen war. Der 42-Jährige wurde deshalb von der Strafkammer unter dem Vorsitz von Richterin Marion Tischler auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Mountainbikerin war übrigens selbst zu einer bedingten, achtmonatigen Haft verurteilt worden. Sportlich ist sie für vier Jahre gesperrt worden.
Auch Mittäter verurteilt
Als wichtigster Helfer des Mediziners Mark S. erhielt am Freitag ein Handwerker eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Eine Krankenschwester wurde zu einem Jahr und vier Monate auf Bewährung verurteilt. Für zwei weitere Komplizen gab es Geldstrafen. Gegen die Urteile sind Rechtsmittel möglich, sie sind noch nicht rechtskräftig.
"Operation Aderlass" in Seefeld aufgeflogen
Das Netzwerk war Anfang 2019 aufgeflogen. Bei Razzien in Erfurt und während der Nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Seefeld in Tirol wurden im Rahmen der "Operation Aderlass" u.a. vier der fünf in München Angeklagten verhaftet. In dem Prozess legten alle fünf - teils umfassende - Geständnisse ab.
Einige involvierte Athleten wurden in ihren Heimatländern separat angeklagt und verurteilt; zumeist sprangen aber dabei Bewährungsstrafen heraus. Einer der prominentesten internationalen Stars, der von der Affäre betroffen ist, ist der italienische Radprofi Alessandro Petacchi, der eine zweijährige Sperre ausfasste, zivilrechtlich aber nicht belangt wurde.
Bedingte Haftstrafen für Baldauf und Dürr
Bereits im Jänner 2020 waren am Landesgericht Innsbruck mehrere Prozesse zu Ende gegangen: Jeweils wegen schweren Sportbetrugs wurden die ehemaligen Langläufer Dominik Baldauf (fünf Monate) und Johannes Dürr (15 Monate) zu bedingten Haftstrafen verurteilt. Ein Jahr später, am vergangenen Dienstag, war der ebenfalls involvierte Ex-Radprofi Stefan Denifl wegen des gleichen Delikts zu zwei Jahren Haft, 16 Monate davon bedingt, verurteilt. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Er ist der bisher einzige Sportler dieser "Operation Aderlass" in Österreich, der tatsächlich auch teilweise ins Gefängnis muss.
Sportrechtlich hatte es auch Schuldsprüche u.a. gegen Max Hauke, Baldauf und Harald Wurm gegeben. Wurm wurde am Freitag in Innsbruck strafrechtlich allerdings von den Vergehen nach dem österreichischen Anti-Doping-Bundesgesetz und vom Vergehen des schweren Betrugs freigesprochen, wegen einer Falschaussage aber teilschuldig befunden.
Doku bringt Ermittlungen ins Rollen
Johannes Dürr war die Schlüsselfigur zur Aufdeckung des Dopingskandals. Im Vorfeld der Nordischen WM 2019 in Seefeld ließ Dürr mit einer Beichte in einer am 17. Jänner ausgestrahlten ARD-Dokumentation aufhorchen. Dabei gestand der mittlerweile 33-Jährige, vor Olympia neben EPO- auch Eigenblutdoping betrieben zu haben. Seine Aussagen brachten die Ermittlungen ins Rollen und führten zu einer Reihe von Festnahmen.
Mit den Urteilen vom Freitag in Innsbruck (Wurm) und vor allem jenen in München gegen den Drahtzieher der "Operation Aderlass", dem Arzt Mark S., sind nach über zweijährigen Ermittlungen und Gerichtsverfahren nun die größten Rechtsschritte eingeleitet. Alle Urteile vom Freitag sind noch nicht rechtskräftig. Der Kampf gegen die nicht enden wollende "Krankheit im Spitzensport", das Doping, geht aber unvermittelt weiter.
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