Die chaotischen Zustände von Montagabend hatten sich am Dienstag gebessert. Caritas und zahlreiche private Helfern haben einen aufgelassenen Gepäckabladeraum auf dem Bahnsteig 1 zu einem Erstversorgungszentrum umgewandelt, indem hunderte privat gespendete Güter wie Mineralwasser, Obst, Kekse und Hygieneartikel gesammelt und an die ankommenden Flüchtlinger weiter gegeben wurden. "Neben Essen und Trinken ist vor allem Babynahrung sehr gefragt", sagte Helferin Cathy Schneider gegenüber APA.
"Es ist eine sehr schöne Atmosphäre", beschrieb Alexander Bodmann, Caritas-Generalsekretär der Erzdiözese Wien, die Situation am Westbahnhof. "Die Zivilgesellschaft leistet enormes", meinte er. "Das ist ein wirklich schönes Zeichen, dass wir es schaffen können, die Politik genauso wie die Zivilgesellschaft", sagte Bodmann. Jene Personen, die glauben würden, dass Österreich mit den Flüchtlingen nicht zurecht käme, "waren nicht hier am Westbahnhof".
Zustrom von Flüchtlingen geordneter
Der Zustrom von Flüchtlingen war - nicht zuletzt, weil Ungarn die Kartenkontingente für die Züge nach Österreich beschränkt hat - weit geordneter als am Montag. Erneut war Österreich in den meisten Fällen nur Zwischenstation auf dem Weg nach Deutschland. Die Eintreffenden wurden von eigens abgestellten Mitarbeitern der ÖBB empfangen und mehrsprachig entweder zu weiteren Zügen oder zu dem Versorgungszentrum gelotst. Unter den Mitarbeiters war auch der gebürtige Marokkaner Khalid, der seit mehr als 20 Jahren bei den ÖBB im Kundendienst arbeitet. Er war seit 6.30 Uhr am Westbahnhof und dolmetschte für die Flüchtlinge. "Ich muss mit ihnen Hocharabisch sprechen, sonst verstehen sie mich nicht", sagte er. Auf Deutsch, Arabisch, Französisch und Englisch informierte er die Flüchtlinge über die Abfahrtszeiten der Züge nach Deutschland.
"Die absolute Auslastungsspitze wird es heute nicht mehr geben", erklärte ÖBB-Sprecher Michael Braun. Er rechnete damit, dass sich die Zahl der Migranten in den Zügen "auf hohem Niveau einpendeln" werde. Am Nachmittag wurden noch mehrere Garnituren aus Ungarn in Wien erwartet.
Kleinkind mit hohem Fieber behandelt
Den eintreffenden Flüchtlingen waren die Strapazen der vergangenen Wochen und Monate deutlich anzusehen. "Ich bin seit zehn Monaten aus Pakistan unterwegs", erzählte ein Ankommender. Einige mussten wegen Kreislaufschwächen von der Rettung versorgt werden. Auch ein Kleinkind mit hohem Fieber wurde am Westbahnhof behandelt.
Kaum Polizisten im Einsatz
Auffällig war einmal mehr die Abwesenheit der Polizei. "In erster Linie geht es darum, die Schlepper zu bekämpfen", begründete Polizeisprecher Roman Hahslinger die geringe Anzahl an Beamten. Zudem werde auch darauf geachtet, dass es in Zügen zu keinerlei Gefährdung komme. Gerade eine Handvoll Polizisten waren am Westbahnhof abgestellt, um etwaige Asylanträge entgegenzunehmen. Bis Mittag suchte jedoch niemand um Asyl an, sagte Hahslinger.
(APA)
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