Sollte der Aidserreger auch in den kommenden Jahren nicht zurückkehren, wäre es erst der zweite Patient weltweit, der als von HIV geheilt gilt. Noch sei es für ein solches Fazit aber zu früh, schrieben die britischen Mediziner. Die Therapie kommt nur für eine sehr kleine Zahl von HIV-Infizierten infrage.
Gegen HIV immunes Erbgut
Dem Patient waren blutbildende Stammzellen transplantiert worden, weil er an einer Art von Lymphdrüsenkrebs litt. Das Besondere daran: Der Spender hat in seinem Erbgut eine sehr seltene Mutation, die ihn immun gegen bestimmte Formen des HI-Virus macht. Davon profitierte nun auch der Patient. 16 Monate nach der Transplantation setzte er Medikamente ab, die die Vermehrung des HI-Virus unterdrücken. Wiederum eineinhalb Jahre später war der Erreger noch immer nicht bei ihm nachweisbar.
Ähnlicher Erfolg in Berlin
Eine ähnliche Behandlungsmethode war das erste Mal 2007 in Berlin erfolgreich. Bei Timothy Ray Brown, der als "Berlin-Patient" in die wissenschaftliche Literatur einging, war 1995 eine HIV-Infektion diagnostiziert worden. Mehr als ein Jahrzehnt konnte die Krankheit mit Medikamenten in Schach gehalten werden. 2006 wurde bei dem US-Amerikaner allerdings auch noch Leukämie festgestellt.
Stammzellen transplantiert
Sein Arzt, Gero Hütter vom damaligen Universitätsklinikum Benjamin Franklin, heute Teil der Berliner Charite, schlug daraufhin eine Stammzelltransplantation vor. Eine derartige Transplantation kommt dann infrage, wenn eine Chemotherapie keine Option mehr ist. Allerdings ist sie riskant. Das Immunsystem des Patienten muss zunächst komplett ausgeschaltet werden.
Mediziner Hütter hatte dabei allerdings eine revolutionäre Idee: Er suchte einen Knochenmarkspender für Brown mit einer äußerst seltenen genetischen Mutation, durch die das HI-Virus nicht in Körperzellen eindringen kann. Normalerweise braucht das Virus den sogenannten CCR5-Rezeptor, um an Zellen anzudocken.
1,5 Prozent haben Immun-Mutation
Bei einer bestimmten genetischen Veränderung bleibt diese Eintrittstür in die Zelle aber verschlossen. Gerade einmal knapp 1,5 Prozent der Nordeuropäer verfügen über diese Mutation, die sie gegen die meisten HIV-Varianten immun macht. Doch es fand sich ein passender Spender und das Experiment gelang: Brown gilt nach der Stammzellspende als HIV-frei – und das bis heute.
Keine Therapie für alle HIV-Patienten
Eine Heilung von HIV auf breiter Front ist aber durch die Methode Experten zufolge nicht zu erwarten. Bei der Knochenmarkstransplantation handle es sich um einen starken Eingriff, der mit schweren Nebenwirkungen einhergehen kann, wie Gerd Fätkenheuer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, sagte. "Damit kommt sie für die alleinige Therapie der HIV-Infektion nicht infrage, sondern nur dann, wenn zusätzlich eine Krebserkrankung vorliegt, die mittels Stammzellentransplantation heilbar ist. Es müssen also schon sehr spezielle Bedingungen gegeben sein."
Für Georg Behrens, Präsident der Deutschen Aids-Gesellschaft, sind die Ergebnisse dennoch sehr vielversprechend: "Diese Behandlung ist zwar sehr experimentell, bringt uns aber dennoch voran, da sie für eine begrenzte Zahl von Patienten neue Optionen erschließt."
Stammzellen gentechnisch verändern
Die Idee, dass einem HIV-positiven Patienten Stammzellen entnommen und dann gentechnisch verändert wieder zurücktransplantiert werden, hat auch für Mediziner Behrens großes Potenzial, da sie ein wesentlich schonenderes Verfahren darstellen würde. Zudem sei es äußerst schwierig, einen CCR5-negativen Spender zu finden. Dazu passt das Fazit der aktuellen Studie: So plädieren deren Autoren dafür, nun an HIV-Therapien zu forschen, bei denen die Unterdrückung des CCR5-Rezeptors im Mittelpunkt steht.
(APA)
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