Eine zentrale Rolle wird die Iran-treue Hisbollah spielen, gegen die im Libanon nicht regiert werden kann. Im Zentrum der Hauptstadt kam es indes am Abend erneut zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Diese versuchten, die Absperrung zum Parlament im Zentrum der Stadt zu überwinden, wie auf Bildern des libanesischen Senders LBCI zu sehen war. Dabei warfen sie auch Steine. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Menge zu vertreiben.
Forderung nach politischen Veränderungen
Viele Libanesen haben nach der Explosion mit mindestens 160 Toten und mehr als 6.000 Verletzten endgültig das Vertrauen in die politische Elite verloren und verlangen tiefgreifende politische Veränderung. Auch aus dem Ausland mehreren sich die Rufe nach Reformen.
UNO-Generalsekretär António Guterres forderte politische Veränderungen. "In dieser Zeit von Trauer und anhaltendem Frust ist die Wut des libanesischen Volkes greifbar. Ihre Stimmen müssen gehört werden", sagte Guterres. Reformen seien nötig, um die Bedürfnisse des Volkes zu erfüllen. Er sagte den Menschen im Libanon zugleich langfristige Unterstützung zu.
Regierung im Libanon geschäftsführend im Amt
Diabs Kabinett bleibt zunächst geschäftsführend im Amt. Viele Libanesen machen die Regierung für die verheerenden Explosion am vergangenen Dienstag verantwortlich. Diab führte sie hingegen auf "chronische Korruption" im Libanon zurück. Die Detonation soll durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein, die dort über Jahre ohne Sicherheitsvorkehrungen lagerten. Die Ermittlungen laufen noch.
Proporzsystem nach Konfessionen
Wegen vieler unterschiedlicher Interessen haben Regierungsbildungen im Libanon in der Vergangenheit häufiger lange gedauert. Die Macht in dem kleinen Land am Mittelmeer ist nach einem Proporzsystem unter den Konfessionen aufgeteilt. Der Premier muss immer ein Sunnit sein, der Staatschef ein Christ und der Parlamentspräsident ein Schiit.
Der Ministerpräsident hatte am Wochenende zunächst angekündigt, dem Kabinett an diesem Montag eine vorgezogene Neuwahl vorzuschlagen. Damit wollte er die Lage beruhigen. Die nächste Abstimmung über das Parlament steht im Libanon eigentlich erst 2022 an.
Warnung vor Folgen einer Explosion im Hafen
Sicherheitsexperten haben die libanesische Regierung nach Reuters-Informationen im Juli vor den verheerenden Folgen einer Explosion im Hafen von Beirut gewarnt. Dabei wurden explizit die 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat erwähnt, die vergangene Woche vermutlich zu der gewaltigen Explosion führten, die große Teile der Stadt zerstört hat.
Die Chemikalien hatten der Regierung zufolge sechs Jahre lang ungesichert im Hafen gelagert. Die Warnung der Sicherheitsexperten sei an Ministerpräsident Hassan Diab und Präsident Michel Aoun gegangen, sagten mit entsprechenden Berichten vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Im jüngsten Bericht der Generaldirektion für Staatssicherheit gebe es einen Hinweis auf einen Brief an die beiden Politiker, der am 20. Juli verschickt worden sei. Der Inhalt des Briefs geht aus dem Bericht, den Reuters einsehen konnte, nicht hervor.
"Habe gewarnt, dass das Beirut zerstören kann"
Ein mit den Vorgängen Vertrauter sagte aber, das Schreiben habe die Ergebnisse einer Untersuchung zum Inhalt gehabt. Darin sei der Schluss gezogen worden, dass die Chemikalien umgehend abgesichert werden müssten. "Es gab die Gefahr, dass das Material, sofern es gestohlen worden wäre, für Terroranschläge genutzt werden könnte", so die Person, die an der Formulierung des Briefs beteiligt war und nicht namentlich genannt werden will. "Ich habe sie gewarnt, dass das Beirut zerstören kann, wenn es explodiert."
Die Büros des Ministerpräsidenten und des Präsidenten ließen Anfragen zu dem Brief unbeantwortet. Auch die Staatsanwaltschaft wollte sich nicht äußern.
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