Nawalnys Anwälte kündigten umgehend Berufung an. Seine Vertrauten riefen nach dem Urteil zu weiteren Protesten in der Hauptstadt auf.
Während des Prozesses wurden vor dem Gerichtsgebäude Dutzende Nawalny-Anhänger festgenommen. International wurde das Urteil scharf kritisiert. Angeführt von den USA forderten mehrere westliche Staaten, darunter auch Österreich, gleichlautend die "sofortige und bedingungslose Freilassung" Nawalnys.
Berufung im Nawalny-Prozess
"Natürlich werden wir Berufung einlegen", sagte die Anwältin Olga Michailowa im Gerichtssaal. Zudem wolle sie sich an den Europarat wenden, sollte eine frühere Entscheidung des Europäischen Gerichtshof nicht befolgt werden. Die Richter in Straßburg hatten das Urteil von 2014 als willkürlich eingestuft und Nawalny Schadenersatz zugesprochen, den Russland gezahlt hatte.
Das Moskauer Gericht erklärte, die Haftstrafe werde um die Zeit verkürzt, die Nawalny zuvor unter Hausarrest verbracht habe. Details gab das Gericht nicht bekannt. Die Agentur IFX berichtete unter Berufung auf Anwälte, die noch zu verbüßende Strafe belaufe sich damit auf zwei Jahre und acht Monate.
Giftanschlag im August
Nawalny folgte den Ausführungen der Richterin mit einem verschmitzten Lächeln, um zu signalisieren, was er vom Prozess hält. Für Aufsehen sorgte, dass er Liebesbeweise in Richtung seiner Frau Julia schickte, die der Urteilsverkündung mit versteinerter Miene folgte. So zeichnete Nawalny mit seinem Zeigefinger ein Herz auf die Plexiglasscheibe, hinter der er stand.
Nawalny war bei seiner Rückkehr nach Moskau am 17. Jänner festgenommen und einen Tag später zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Der Kritiker von Präsident Wladimir Putin war im August in Russland mit einem chemischen Kampfstoff vergiftet worden und hatte sich monatelang zur Behandlung in Deutschland aufgehalten. Er macht Putin persönlich für den Anschlag verantwortlich. Die Regierung in Moskau weist jede Beteiligung von sich.
Nawalny fasst Haftstrafe aus
Dem Prozess wohnten auch zahlreiche internationale Diplomaten bei. Wie ein Sprecher des Wiener Außenamts der APA bestätigte, war auch ein österreichischer Diplomat anwesend. "Der Grund dafür war, aus erster Hand wahrzunehmen, wie das Verfahren abläuft", warf der Sprecher russische Vorwürfe, es habe sich um eine Einmischung in innere Angelegenheiten gehandelt, zurück. "Zur Achtung und zum Schutz der Menschenrechte haben wir uns alle verpflichtet. Sie (die Menschenrechte, Anm.) sind keine innere Angelegenheit."
Die USA zeigten sich zutiefst besorgt über das Urteil und forderten ebenfalls die Freilassung Nawalnys. Die Washingtoner Regierung werde sich eng mit ihren Verbündeten absprechen, um Russland zur Verantwortung zu ziehen, erklärte Außenminister Antony Blinken. "Das perverse Urteil von heute zielt eher auf das Opfer eines Giftanschlags als auf die dafür Verantwortlichen", unterstrich der britische Außenminister Dominic Raab.
Das Urteil gegen Alexej @Navalny ist ein herber Schlag gegen fest verbriefte Freiheitsrechte und Rechtsstaatlichkeit in #Russland. Der EGMR hat dieses Verfahren bereits 2017 als willkürlich kritisiert. Alexej #Nawalny muss unverzüglich freigelassen werden.
— Heiko Maas ???????? (@HeikoMaas) February 2, 2021
Der deutsche Außenminister Heiko Maas wertete das Urteil als "herben Rückschlag" für Rechtsstaat und Menschenrechte in Russland. "Seine Menschenrechte und Grundfreiheiten müssen respektiert werden, genau so wie jene aller anderen Protestierenden und Medienvertreter, die in den vergangenen Tagen festgenommen wurden", schrieb das österreichische Außenministerium am Dienstagabend in englischer Sprache auf Twitter.
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