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Nach Paris-Attacken neue Festnahmen in Deutschland

Veröffentlicht: 17. November 2015 22:06 Uhr
Im Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris hat die Polizei bei Aachen am Dienstag sieben Verdächtige festgenommen. Sie wurden von Spezialeinsatzkräften in Alsdorf gefasst. Zudem wurde bekannt, dass der gesuchte 26-jährige Salah Abdeslam, Bruder eines der Selbstmordattentäter, vor rund zwei Monaten in Österreich war. Nach ihm wird international gefahndet.

"Wir haben Hinweise bekommen, dass sich einer der Gesuchten im Zusammenhang mit Paris möglicherweise in unserem Bereich aufhält", teilte ein deutscher Polizeisprecher mit. Die Identitäten seien noch nicht geklärt, die Vernehmungen liefen.

Eine Augenzeugin berichtete, dass Spezialkräfte der Polizei mit Sturmmasken und Maschinenpistolen eine Straße im Alsdorfer Stadtteil Schaufenberg vorübergehend abgesperrt hätten. Angeblich befindet sich dort die Wohnung der drei Personen, die am Vormittag nach dem Verlassen des örtlichen Jobcenters festgenommen worden waren. Bei diesen drei Festgenommenen handelt es sich nach Polizei-Angaben um zwei Frauen und einen Mann mit ausländischen Pässen.

Später wurden in Alsdorf zwei weitere Männer festgenommen. Die beiden Männer seien von Spezialkräften der Polizei in einem Mehrfamilienhaus festgenommen worden. Zurzeit werde ihre Identität geprüft und ob ein Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris bestehe.

Am Dienstagabend hieß es, dass noch ein zweiter Attentäter auf der Flucht sein könnte. Dies sei eine "starke Hypothese", erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstagabend aus Ermittlerkreisen. Demnach habe die Gruppe, die im Osten der Hauptstadt mehrere Bars und Restaurants ins Visier nahm, aus insgesamt drei Attentätern bestanden.

Die Zeitung "Le Monde" berichtete, nach zahlreichen Zeugenberichten seien in dem Auto des Kommandos drei Insassen gesessen: Die Brüder Brahim und Salah Abdeslam sowie eine weitere Person. Salah wird international gesucht, Brahim sprengte sich in die Luft. Bei den Anschlägen waren sieben Attentäter gestorben. Falls sich die These eines weiteren Beteiligten bestätigen sollte, stiege die Zahl der Attentäter auf neun.

Die Fahndung nach Salah Abdeslam läuft weiter auf Hochtouren. Salah Abdeslam war es offenbar gelungen, am Samstag aus Frankreich auszureisen. Der 26-Jährige wird unter anderem gesucht, weil er einen belgischen Polo gemietet hatte, mit dem die Bataclan-Attentäter zur Konzerthalle gefahren waren. Er stand Ermittlern zufolge in Verbindung mit dem belgischen Islamisten Abdelhamid Abaaoud. Der 27-Jährige aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek gilt als Kopf der Gruppe, die im Jänner im belgischen Verviers vor einem geplanten Anschlag zerschlagen wurde. Er soll inzwischen wieder für den IS in Syrien kämpfen.

Abdeslams Bruder forderte diesen zum Aufgeben auf. "Natürlich rate ich ihm, sich der Polizei zu stellen, damit die Justiz diese ganze Geschichte aufklären kann", sagte Mohamed Abdeslam dem französischen Fernsehsender BFMTV. Er betonte gleichzeitig, bis zum Beweis des Gegenteils müsse sein Bruder "weiterhin als unschuldig gelten".

Das österreichische Innenministerium gab am Dienstag bekannt, dass sich Salah Abdeslam vor rund zwei Monaten in Österreich aufgehalten hat. Laut Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck reiste er am 9. September mit zwei Begleitern aus Deutschland kommend in Oberösterreich ein. Damals gab es jedoch keinen Hinweis auf einen jihadistischen Hintergrund.

117 der in Paris getöteten Opfer wurden bisher identifiziert. Das sagte die französische Justizministerin Christiane Taubira am Dienstagnachmittag vor der Nationalversammlung in Paris. Betroffen seien 17 Nationalitäten.

In Frankreich wird die Suche nach den Hintermännern der Terrorakte mit größter Intensität betrieben. In der Nacht auf Dienstag durchsuchte die Polizei erneut 128 Wohnungen. Schon in der Nacht auf Montag hatte es 168 Durchsuchungen gegeben, die zu 23 Festnahmen führten und bei denen 31 Waffen gefunden wurden. Sie erfolgten im islamistischen Milieu insbesondere in den Regionen von Paris, Lyon, Grenoble, Toulouse und Lille. Nach der Mordserie vom Freitag seien landesweit 115.000 Polizisten und Soldaten mobilisiert worden, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve.

US-Außenminister John Kerry traf unterdessen in Paris ein und versprach einen "Sieg" gegen den "Islamischen Staat". "Jeder wird verstehen, dass wir angesichts der Attacken im Libanon, angesichts dessen, was in Ägypten passiert, in Ankara, der Türkei und jetzt in Paris unsere Bemühungen intensivieren müssen, sie im Kern zu treffen. Dort, wo sie diese Dinge planen", sagte Kerry, der am Vormittag mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande zusammengetroffen war.

Vor dem Hintergrund der Anschläge in Paris und des Absturzes eines russischen Flugzeugs über dem Sinai schmieden Frankreich und Russland eine Allianz gegen den islamistischen Extremismus. Wie der Kreml am Dienstag mitteilte, vereinbarten Präsident Wladimir Putin und sein französischer Kollege François Hollande, in Syrien militärisch und geheimdienstlich enger zusammenzuarbeiten. Moskau stufte den Sinai-Absturz als "Terroranschlag" ein und flog ebenso wie Frankreich neue Angriffe auf die Jihadistenmiliz IS in Syrien.

Der Kreml äußerte sich nach einem Telefonat zwischen Putin und Hollande. Beide hätten einen "engeren Kontakt" und eine "engere Koordinierung" bei Einsätzen gegen "terroristische Gruppen" in Syrien vereinbart. Der Elysee-Palast bestätigte die Angaben. Hollandes Büro erklärte zudem, der Präsident werde in der kommenden Woche am Dienstag US-Präsident Barack Obama und am Donnerstag Putin treffen, um das internationale Vorgehen gegen die Jihadistengruppe abzustimmen.

Deutschland lehnt indes auch nach der Pariser Anschlagserie eine Beteiligung an Luftangriffen gegen die Terrormiliz IS weiterhin ab. Dies sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Rande eines Besuches auf Zypern am Dienstag. "Es macht keinen Sinn, dass jetzt zu den 16 Nationen, die Bereitschaft gezeigt haben, Luftangriffe in Syrien zu fliegen, eine 17., 18. oder 19. hinzukommt", so der SPD-Politiker.

Es gebe eine Vielzahl unterstützender Aktivitäten, "und in diesem Spektrum, glaube ich, erfüllen wir eine durchaus wichtige Rolle", fuhr Steinmeier fort. Als Beispiel nannte er die Lieferung von militärischer Ausrüstung und Waffen an die Peschmerga im Nordirak, um diese im Kampf gegen den "Islamischen Staat" zu unterstützen.

Der französische Premierminister Manuel Valls kündigte unterdessen eine deutliche Aufstockung der Mittel für Polizei, Gendarmerie und Geheimdienst an. Den Sicherheitsbehörden müssten "noch nie dagewesene Mittel" gegeben werden, sagte Valls Dienstag früh. Da im Gegenzug nicht bei anderen Ressorts gekürzt werde, werde Frankreich "zwangsweise" seine europäischen Budgetziele nicht einhalten können. "Wir müssen das annehmen, und Europa muss das verstehen", sagte Valls.

Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) sieht indes in der österreichischen Neutralität kein Hindernis für einen militärischen Beistand an Frankreich. "Gegenüber Terrorismus kann es keine Neutralität geben", sagte Klug am Dienstag in Brüssel, er wollte dies aber als "persönliche Meinung" verstanden wissen. Von allen EU-Verteidigungsministern sei Frankreich eine klare politische und solidarische Unterstützung zugesichert worden. Dem habe er sich auch für Österreich angeschlossen, sagte Klug.

Am Dienstag tauchten zudem Gerüchte über angeblich in Österreich aufhältige IS-Spitzenvertreter auf. So berichtete die "Kronen Zeitung" online darüber, dass sich der angebliche Chef der IS-Geheimpolizei in Wien aufhalten soll. Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck nannte das gegenüber der APA "wiederkehrende und einander teils widersprechenden Gerüchte".

Außerdem berichtete die "Krone", dass der vor zwei Monaten nach Österreich gereiste und nun in Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris gesuchte Salah Abdeslam (26) bei seiner Einreise nach Oberösterreich den IS-Europa-Statthalter "Al-Jafar" und dessen Vertreter "Saddiq" chauffiert haben soll. "Saddiq" soll sich dem Bericht zufolge seit einiger Zeit fix in Wien niedergelassen haben. Laut Grundböck gebe es "auch darüber keine erhärteten Hinweise".

Der 20-jährige Tiroler, der bei dem Terroranschlag auf den Pariser Konzertsaal Bataclan schwer verletzt worden ist, traf am Dienstagabend in der Tiroler Klinik ein. "Er ist vollkommen stabil, wach und ansprechbar", hieß es seitens der Klinik. In den kommenden 24 Stunden sollen ausführliche Untersuchungen folgen. Diese seien für die weitere Behandlungsstrategie ausschlaggebend.

Die Spitzen der Republik kommen am Montag, 23. November, um 17.00 Uhr im Parlament zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich der Attentate von Paris zusammen. Bundespräsident Heinz Fischer, Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) werden Ansprachen halten. In die Säulenhalle laden Nationalratspräsidentin Bures und Bundesratspräsident Gottfried Kneifel (ÖVP). Die Veranstaltung wird auch vom ORF übertragen.

(Quelle: salzburg24)

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