Trotz der Initiative der Vereinten Nationen sind Touristen im Allgemeinen kaum bereit, für nachhaltiges Reisen tiefer in die Tasche zu greifen: "Bewusst mehr zu zahlen für Umwelt- und Sozialverträglichkeit gilt nur für eine kleine Minderheit als Prestigekriterium", sagte Tourismus-Professor Harald Friedl von der Fachhochschule Joanneum in Graz zur APA.
Kein Schwarz-Weiß beim Thema Nachhaltigkeit
Bei Nachhaltigkeit gebe es aber kein Schwarz-Weiß, "sondern viele Schattierungen von super-engagierten Öko-Profis am einen Ende bis zu den Kreuzschifffahrten am anderen Ende", so Friedl. Besonders der Kreuzfahrttourismus ist problematisch - nicht nur aus ökologischer Sicht. "Da wird die Wertschöpfung auf einen Konzern konzentriert", betonte Friedl. Die besuchten Destinationen hätten davon so gut wie keinen wirtschaftlichen Nutzen, meinte er mit Blick auf beliebte Hafenstädte wie Venedig oder Hamburg. "Die Touristen kommen zum Aussteigen und trinken vielleicht noch einen Kaffee."
Aber auch viele andere Sommerziele ächzen unter den Touristenmassen, der Widerstand der Bewohner hat diese Saison vielerorts einen neuen Höhepunkt erreicht. Dass sich daran bald etwas ändern wird, sei jedoch unwahrscheinlich. "Nach meiner Ansicht muss es erst richtig krachen, damit die Politik reagiert", so Friedl. Einige schöne Beispiele gebe es aber schon: So haben etwa Städte wie Berlin, Paris, Salzburg und Wien Online-Zimmervermittlern wie Airbnb gegengesteuert. "Man hat den Entwicklungen Rechnung getragen."
Reisen gehöre "mittlerweile zum guten Ton"
Dass die Reiselust der Menschen generell zurückgehen wird, glaubt er nicht. "Es gehört mittlerweile zum guten Ton." Das soziale Prestige des Reisens sei stark gestiegen, deshalb boome das wahnsinnig. Zudem werde Konsum als zentraler Motor der Wirtschaft gesehen, viele Gegenden seien einfach vom Tourismus abhängig. "Fährt man gar nicht mehr hin, bricht die Wirtschaft dort komplett zusammen", so Friedl und verweist etwa auf die Malediven, eine "politisch äußerst problematische Region".
"Dass jemand aktiv nach Hotels mit Umweltzeichen sucht, ist die absolute Ausnahme", so Friedl weiter. Strategische Werbung in diese Richtung zu machen, sei nicht sehr gewinnbringend. Zertifizierungen könnten aber als Differenzierung zu anderen Angeboten herangezogen werden, erläuterte Penz, die an der Wirtschaftsuniversität Wien unterrichtet.
Nachhaltiges Reisen muss auch nicht automatisch teurer sein: "Reisen mit dem Bus und Fahrrad beispielsweise ist im Vergleich mit individuellem Auto umweltfreundlicher und kann zusätzlich als Erlebnis wahrgenommen werden", so Penz. Nachhaltiger Tourismus müsse jedoch, wie jeder Urlaub, an die Aspekte Erholung, Entspannung und Erlebnis gekoppelt sein. Den Bezug zum Alltag und womöglich dem dort schon praktizierten nachhaltigen Verhalten herzustellen, sollte man lieber vermeiden - "denn Abschalten ist im Urlaub wesentlich".
(APA)
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