Die Zukunft der Ukraine hängt nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj vom Ausgang der Schlachten in Schlüssel-Abschnitten der Front im Osten des Landes ab. "Bilohoriwka und Marinka, Awdijwka und Bachmut, Wuhledar und Kamjanka - und an anderen Plätzen entscheidet sich die Zukunft, die wir haben werden", sagte er in seiner allabendlichen Videoansprache am Montag. "Wir müssen die militärische Kraft des Feindes brechen. Und wir werden sie brechen."
Russland stimmt Verlängerung von Getreide-Deal zu
Währenddessen hat Russland einer Verlängerung der Vereinbarung über die weiteren Exporte von ukrainischem Getreide über drei Schwarzmeerhäfen zugestimmt. Allerdings soll dies anders als zuvor nur für 60 weitere Tage gelten, wie aus einer Mitteilung des stellvertretenden Außenministers Sergej Werschinin hervorgeht. Sie wurde am Montagabend auf der Webseite der russischen Botschaft in Genf veröffentlicht. Dort hatten Vertreter Russlands am Montag mit den Vereinten Nationen verhandelt.
Laut den Vereinten Nationen gibt es nun noch weitere, informelle Beratungen. "Die Unterredungen wurden gestern wie vereinbart abgeschlossen, aber Konsultationen mit allen Parteien werden fortgesetzt", teilte das Büro von UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters in einem E-Mail mit. Griffiths und die UNO-Handelsbeauftragte Rebeca Grynspan hatten sich am Montag mit Werschinin in Genf getroffen.
Das Abkommen war Ende Juli zunächst für eine Laufzeit von 120 Tagen geschlossen und im November noch einmal entsprechend verlängert worden. Hintergrund der verkürzten dritten Laufzeit ist die Unzufriedenheit des Kreml mit dem Status bei den russischen Düngemittelexporten, die als Teil des Deals ermöglicht werden sollen. Es müssten diesbezüglich "in vollem Umfang alle Versprechen und Verpflichtungen uns gegenüber erfüllt werden", betonte der russische Vizeaußenminister Alexander Gruschko am Dienstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. "Diesbezüglich hat sich für uns nichts verändert", forderte der Vertreter des Aggressorstaates die Abschaffung aller "direkten und indirekten Sanktionen" für die Exporte. Der Kreml sieht die grundsätzlich mögliche Ausfuhr unter anderem durch den eingeschränkten Zugang zu internationalen Häfen und Versicherungsfragen behindert.
Vereinbarung wäre ausgelaufen
Die Vereinten Nationen hatten bei der Unterzeichnung des Abkommens im Juli 2022 versprochen, sich für eine Erleichterung russischer Exporte vor allem von Düngemitteln einzusetzen. Wegen westlicher Sanktionen bleibt das aber schwierig. Laut Werschinin müssten unter anderem Bankzahlungen, Transportlogistik und Versicherungen erleichtert werden. Moskau besteht auch auf der Wiedereröffnung der russischen Pipeline für Ammoniak, die durch die Ukraine führt. Seit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf das Nachbarland im Februar 2022 ist sie nicht mehr in Betrieb.
Ohne Zustimmung Russlands wäre die Vereinbarung am Wochenende ausgelaufen. Durch die Initiative sind mehr als 24 Millionen Tonnen Getreide auf den Weltmarkt gekommen, was insbesondere die Nahrungsmittelknappheit in den ärmsten Ländern lindern soll. Auf dem Landweg wären diese Exporte kaum zu bewerkstelligen gewesen, da für den Transport einer Schiffsladung Dutzende komplette Güterzüge erforderlich wären. Die Erstabnehmer des aus drei ukrainischen Häfen exportierten Getreides sind aber nicht im globalen Süden angesiedelt. Zwei Drittel der Exporte gingen bisher nach China, Spanien, in die Türkei, Italien und die Niederlande.
Tote bei Angriff auf Kramatorsk
Unterdessen hat das russische Militär das Zentrum der Großstadt Kramatorsk in der Ostukraine mit Raketen beschossen. Bei dem Angriff seien mindestens sieben Menschen verletzt und einer getötet worden, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag gemäß einer in sozialen Netzwerken verbreiteten Mitteilung mit. Diese Taten zögen unvermeidlich "gerechte" Strafen nach sich, so Selenskyj. Durch den Angriff seien sechs Mehrfamilienwohnhäuser beschädigt worden, sagte er.
Bei weiteren Attacken in der Nacht wurden Behördenangaben zufolge im benachbarten Kostjantyniwka mindestens zwei Menschen getötet und sieben verletzt. Mehrere Raketeneinschläge gab es demnach zudem in der umkämpften Stadt Awdijiwka. Dabei seien mindestens ein Mensch getötet und zwei weitere verletzt worden, hieß es.
Die Frontlinie verläuft etwa 20 Kilometer östlich von Kramatorsk. Die schwer umkämpfte Stadt Bachmut befindet sich rund 30 Kilometer von der Stadt entfernt. Vor Kriegsbeginn lebten über 140.000 Menschen in Kramatorsk. Stand Dezember sollen noch etwa 80.000 Leute dort verblieben sein.
Kritik an Festhalten von Bachmut
Zuletzt äußerten sich ukrainische Militäranalysten kritisch über das Festhalten an der Schlacht um Bachmut. "Wir haben Informationen, dass die Ukraine Reservisten nach Bachmut schickt, die in westlichen Ländern ausgebildet wurden. Und wir erleiden Verluste unter den Reservisten, die wir für Gegenoffensiven einsetzen wollten", sagte der ukrainische Militäranalyst Oleh Schdanow. "Wir könnten hier alles verlieren, was wir für diese Gegenoffensiven einsetzen wollten."
Der ukrainische Militärhistoriker Roman Ponomarenko sagte, die Gefahr einer Einkesselung in Bachmut sei "sehr real". "Wenn wir Bachmut einfach aufgeben und unsere Truppen und Ausrüstung zurückziehen, kann nichts Schlimmes passieren", sagte Ponomarenko dem ukrainischen Radio NV, "wenn sie den Ring schließen, werden wir Männer und Ausrüstung verlieren".
Moskau setzt auf militärische Gewalt
Unterdessen betonte der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow, dass Moskau seine Ziele in der Ukraine nur mit militärischer Gewalt erreichen könne. "Wir müssen unsere Ziele erreichen. Aufgrund der aktuellen Position des Kiewer Regimes ist dies derzeit nur mit militärischen Mitteln möglich", sagte er russischen Nachrichtenagenturen zufolge.
Die russische Führung begründet den von ihr so bezeichneten militärischen Sondereinsatz mit dem Schutz russischsprachiger Menschen im Osten der Ukraine. Die Regierung in Kiew wird als Nazi-Regime bezeichnet, von dem die Ukraine befreit werden müsse. Die Ukraine und westliche Staaten sprechen dagegen von einem nicht provozierten russischen Angriffskrieg, der das Ziel habe, Teile ukrainischen Territoriums zu erobern.
Kommentare
Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Starte die Diskussion.