EU-Ratspräsident Charles Michel schlägt vor, die Ukraine und Moldau zu EU-Kandidaten zu machen. Im jüngsten Entwurf der Abschlusserklärung des bevorstehenden EU-Gipfels heißt es: "Der Europäische Rat hat beschlossen, der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines Kandidatenlandes zu verleihen."
Ukraine beantragt EU-Beitritt
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nur vier Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Ende Februar die Aufnahme seines Landes in die Europäische Union beantragt. Auch Moldau und Georgien reichten ihre Gesuche in dieser Zeit ein. Während Moldau mit einem "Ja" vom EU-Gipfel rechnen kann, muss Georgien noch von der EU-Kommission genannte Prioritäten erfüllen.
Die Vergabe des Status wird angesichts der russischen Invasion mehr als symbolischer Schritt gewertet. Denn auch die Ukraine und Moldau müssen massive Reformen stemmen. Der Status ist nur die erste Stufe eines langen Beitrittsprozesses mit vielen Zwischenstufen. Dieser reicht über die Aufnahme von Verhandlungen bis zur Eröffnung von Beitrittskapiteln. Für jeden Schritt ist jeweils eine erneute Einstimmigkeit der 27 Mitgliedstaaten erforderlich.
Langes Warten auf Beitritt
Bis die Ukraine und Moldau tatsächlich Teil der EU werden können, dürfte es noch Jahre oder gar Jahrzehnte dauern. Hochrangige Vertreter mehrere EU-Staaten hatten betont, es dürfe keine Abkürzungen im Prozess für diese beiden Staaten geben. Einige Länder haben schon seit vielen Jahren einen Kandidatenstatus - Serbien beispielsweise besitzt ihn seit 2012, Nordmazedonien seit 2005 und Montenegro seit 2010.
Das Rekordtempo der Ukraine und Moldau im EU-Annäherungsprozess wirft ein Licht auf die schleppende Erweiterung in Richtung Westbalkan. Österreich warnte stets vor einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft". "Wenn wir ein Signal an den Osten schicken, müssen wir auch unsere geopolitische Verantwortung gegenüber dem Südosten Europas erfüllen", sagte zuletzt Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). "Wir können uns keinen geopolitischen Tunnelblick leisten."
Weitere Sanktionen gegen Russland?
Neben den Beitrittsgesuchen besprechen die EU-Staaten auch finanzielle und militärische Hilfe für die Ukraine sowie die durch den Krieg stark gefährdete Ernährungssicherheit. Weitere Sanktionen gegen Russland könnten ebenfalls Thema werden. Dabei haben die EU-Staaten laut Diplomaten erstmals Gold im Blick, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. "Wir werden weitermachen mit Sanktionen", heißt es im jüngsten Entwurf für die Abschlusserklärung des EU-Gipfels. Dies schließe die konsequente Umsetzung bestehender Sanktionen sowie die Schließung von Schlupflöchern ein, heißt es in dem Dokument, das auf den 20. Juni datiert ist.
Die EU-Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), treffen am Donnerstagvormittag (ab 9.30 Uhr) mit ihren Amtskollegen aus den sechs Westbalkan-Staaten - Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und der Kosovo - zusammen. Dabei wäre es beinahe zu einem Eklat gekommen: Die Führer Serbiens, Nordmazedoniens und Albaniens hatten aufgrund der Blockade Bulgariens bei der Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Skopje und in weitere Folge mit Tirana gedroht, die Sitzung zu boykottieren. Schlussendlich sahen sie jedoch davon ab.
EU-Gipfel beginnt am Donnerstag
Am Donnerstagnachmittag (ab 14.00 Uhr) beginnt der offizielle EU-Gipfel, dann wird auch über den EU-Kandidatenstatus der Ukraine und Moldau beraten. Am Freitagvormittag steht unter anderem der Euro-Gipfel, bei der die rasant steigende Inflation und Energiepreise besprochen werden, auf der Tagesordnung. Zu Gast werden EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe sein.
Kommentare
Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Starte die Diskussion.