"Pressestunde"

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr über 2025 als "Jahr der Stagnation"

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr war am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" zu Gast. (ARCHIVBILD)
Veröffentlicht: 05. Oktober 2025 16:14 Uhr
Für Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ist 2025 ein "Jahr de Stagnation", beim Budget herrscht für ihn noch "keine befriedigende Situation". Den Kollektivabschluss der Metaller begrüßte der Wirtschaftsexperte allerdings am Sonntag in der ORF-"Pressestunde.

Der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Gabriel Felbermayr, hat den Kollektivvertragsabschluss in der Metallindustrie unter der Inflation begrüßt. Dies sei für den Standort positiv und ein Zeichen, dass die Sozialpartnerschaft funktioniert, auch wenn zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft lange "hinter den Kulissen gerungen" worden sei, sagte Felbermayr am Sonntag in der ORF-Pressestunde. Beim Budget sieht er noch "keine befriedigende Situation".

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Die Signalwirkung auf andere KV-Verhandlungen hält der Wirtschaftsforscher aber für begrenzt, da die Ausgangslage in der Industrie mit hohen Energiekosten und der Exportabhängigkeit sehr speziell sei. Bei den nun gestarteten neuerlichen Verhandlungen über die Beamtengehälter, wo der bereits fixierte Abschluss über der Inflationsrate noch einmal aufgeschnürt werden soll, sieht er zum Teil Lohnzurückhaltung auch als kontraproduktiv an. Der Wifo-Chef nannte etwa den Sicherheitsbereich, beispielsweise die Polizei. "Das hätte negative Auswirkungen auf die Sicherheit im Land", da dann das Rekrutieren von neuen Polizeibeamten schwieriger würde.

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Rechnet mit Kompromissbereitschaft bei Beamten

Im Öffentlichen Dienst werde nun darüber verhandelt, dass man unter den bereits vereinbarten Werten bleibt - und dann dafür in den Jahren danach "mit etwas Lohnerhöhung rechnen kann und nicht mit einer Nulllohnrunde". Klar sei leider auch, dass die Budgetsanierung - auch - auf dem Rücken der öffentlichen Beschäftigung stattfinden werde. "Das ist keine schöne Nachricht". Aber je mehr man sagt, bei den Löhnen dürfe nichts passieren, desto mehr zwinge man den Staat zum Anpassen des Personalstandes. "Das weiß die Gewerkschaft sehr gut, das wussten auch die Metaller sehr gut", setzt Felbermayr auf Kompromissbereitschaft.

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2025 "Jahr der Stagnation"

Zur neuen Konjunkturprognose, die das Wifo am Dienstag mit dem Institut für Höhere Studien (IHS) präsentiert, sagte Felbermayr, dass sich an der grundsätzlichen Erwartung nichts geändert habe. 2025 sei nach zwei Rezessionsjahren ein "Jahr der Stagnation", eine leichte Belebung der Wirtschaft sei erst für nächstes Jahr zu erwarten, wobei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) derzeit generell weniger stark wachse als früher.

Dass das Auslaufen der Strompreisbremse nun für eine höhere Teuerungsrate sorgt, sei erwartbar gewesen. Für die Hochphase der Inflation nach dem Energiepreisschock sei sie aber "schon das richtige Mittel" gewesen, verteidigte Felbermayr den von ihm selbst vorgeschlagenen Preiseingriff.

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Mit Lebensmittelhändlern über Preise sprechen

Bei den Lebensmitteln hält der Ökonom eine Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmitteln für möglich. Felbermayr verwies dazu auf andere EU-Länder mit niedrigen Steuersätzen auf Lebensmittel. Die Regierung müsste sich dazu mit den vier großen Supermarktketten an einen Tisch setzen und über eine Art "Gentlemen's Agreement" sicherstellen, dass die Lebensmittelhändler die Preissenkungen weitergeben. Deutschland habe mit einer Mehrwertsteuersenkung während der Corona-Pandemie gute Erfahrungen gemacht.

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Budget: "Keine befriedigende Situation"

Für realistisch hält Felbermayr das Ziel der Regierung, 4,5 Prozent Defizit zu erreichen. Dies gehe sich "sehr knapp" aus - die Situation sei aber "sehr fragil". Kritisch sieht Felbermayr, dass Österreich damit noch weit über den 3 Prozent der Maastricht-Kriterien liegt - und dass man bei der Staatsschuldenquote auf 90 Prozent des BIP zusteuert: "Das, was wir da sehen, ist noch lange kein krisenfestes Budget. Das muss man in aller Deutlichkeit so sagen." Man sei damit "noch lange nicht gewappnet für eine neue Corona-Krise oder eine neue Verwerfung bei den Energiepreisen, was ja passieren könnte". Daher sei das "keine befriedigende Situation". "Mir macht Sorgen, dass wir auf den Märkten, bei den Zinsen, irgendwann mal so behandelt werden wie Frankreich, so der Wifo-Chef.

Mit dem aktuellen Budgetdefizit könne man die Staatsverschuldung nicht ausreichend dämpfen. "Darum würde ich schon sagen, die 4,5 Prozent reichen nicht." Eine Besserung sieht Felbermayr hier derzeit aber nicht: "In unserer Mittelfristperspektive sehen wir die 3 Prozent aber gar nicht - bis ins Jahr 2029, 2030 nicht. Da wird man sicher noch drüber nachdenken können oder müssen, wie mittelfristig der Konsolidierungskurs noch verschärft wird."

Änderungen bei Grundsteuer andenken

Bezüglich der Gemeinden sagte Felbermayr, man müsse danach trachten, dass diese mehr Autonomie bekommen über deren Einnahmen. Daher müsse man über die Grundsteuer nachdenken, bei der zuletzt Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl (ÖVP) darauf hingewiesen hatte, dass diese seit 40 Jahren nicht mehr erhöht worden sei. "Es gibt ja neben der Kommunalsteuer und der Grundsteuer sehr wenig Eigenes, was die Gemeinden machen können", so Felbermayr. "Ich glaube, dort müsste man aktiv werden" - und zwar im Kontext einer größeren Reform. Man könne beispielsweise zu einer Bodenwertsteuer gehen - statt einer Grundsteuer, so ein Vorschlag.

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FPÖ: "Katastrophales Zeugnis" für Regierung

Die FPÖ ortet in Felbermayrs Aussagen ein "katastrophales Zeugnis für diese teuerste Regierung aller Zeiten". "Rekordschulden, Rekordsteuern, Rekordinflation, völlig überbordende Bürokratie und dazu noch eine standortfeindliche Energiepolitik sind die tatsächlichen Teuerungstreiber", sagte FPÖ-Wirtschaftssprecherin Barbara Kolm und forderte "klare Entlastungen und Bürokratieabbau". Ein Nein gab es zu Überlegungen, die Grundsteuer zu erhöhen oder die Einführung einer Bodenwertsteuer. Klare Zustimmung kam hingegen zu der von Felbermayr angesprochenen Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Dies sei aber von den anderen Parteien - von der FPÖ in der Aussendung neuerlich als "Einheitsparteien" verunglimpft - "nicht zu erwarten", sagte Kolm.

(Quelle: apa)

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