Zustimmungsprinzip

"Nur Ja heißt Ja" nach Urteil um Sexualdelikte an Zwölfjähriger gefordert

Am Wiener Landesgericht fand der viel diskutierte Prozess um geschlechtliche Handlungen mit einer Zwölfjährigen statt. (ARCHIVBILD)
Veröffentlicht: 30. September 2025 07:39 Uhr
Ein Prozess um geschlechtliche Handlungen mit einer Zwölfjährigen in Wien, bei dem zehn Angeklagte freigesprochen wurden, hat österreichweit für Empörung gesorgt. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) kündigt nun eine „Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts“ an und will das Zustimmungsprinzip „Nur Ja heißt Ja“ umsetzen.

Am Freitag sind in Wien zehn Burschen in einem Prozess um geschlechtliche Handlungen mit einer damals Zwölfjährigen nicht rechtskräftig freigesprochen worden. Für das Gericht lagen die Tatbestände der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und der geschlechtlichen Nötigung nicht vor. Diese Entscheidung wird seither diskutiert. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) kündigte am Montag eine "Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts" an. Sie will das Zustimmungsprinzip umsetzen.

Sie äußere sich grundsätzlich nicht zu Urteilen der unabhängigen Rechtsprechung, könne aber "die große Betroffenheit und das öffentliche Interesse an diesem Fall gut nachvollziehen", teilte Sporrer auf APA-Anfrage mit. Der Schutz vor Gewalt begleite sie schon ihr ganzes berufliches Leben und sei ihr daher auch als Justizministerin ein zentrales Anliegen: "Die Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung sowie ein wirksamer Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt haben für mich oberste Priorität."

Sexualstrafrecht soll überarbeitet werden

Daher werde derzeit geprüft, "wie das geltende Sexualstrafrecht weiterentwickelt werden kann. Eine Maßnahme, die wir umsetzen wollen, ist die Einführung des Zustimmungsprinzips 'Nur Ja heißt Ja'. Damit müsste das Gericht künftig überprüfen, ob eine Zustimmung vorlag und nicht mehr, ob sich die Frau gewehrt hat oder zu erkennen gegeben hat, dass der Sexualakt gegen ihren Willen vollzogen wird", kündigte Sporrer an. Ein weiterer wichtiger Schritt sei der flächendeckende Ausbau von Gewaltambulanzen. "Diese Einrichtungen leisten einen unverzichtbaren Beitrag. Sie helfen Gewaltopfern rasch und unkompliziert und sichern Beweise gerichtsfest - eine entscheidende Unterstützung auch für spätere Gerichtsverfahren", bemerkte die Justizministerin.

Zuvor waren die Freisprüche in den sozialen Medien und in den Kommentarspalten einiger Zeitungen, aber auch von der Politik heiß diskutiert worden. Sie verstehe "die Welt nicht mehr", äußerte sich Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Wochenende auf X (vormals Twitter). Sie halte die Freisprüche "als Mutter und Politikerin für falsch", sie würden "ein fatales Signal der falschen Toleranz" aussenden. Tanner erinnerte an das Regierungsprogramm, das eine Verschärfung des Sexualstrafrechts vorsehe: "Diese Verschärfung muss kommen."

"Für mich zeigt dieser Fall ein Mal mehr, welchen Schaden die unkontrollierte Massenzuwanderung angerichtet hat", äußerte sich FPÖ-Obmann Herbert Kickl ebenfalls auf X, wobei von den zehn Beschuldigten die meisten zwar Migrationshintergrund aufweisen, aber entweder die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder in Österreich aufgewachsen sind. "In diesem Land läuft ordentlich etwas falsch - vor allem, wenn junge Mädchen nicht mehr geschützt werden", betonte Kickl.

"Skandalurteil" in Prozess um geschlechtliche Handlungen mit Zwölfjähriger

Heimische Boulevardmedien orteten am Wochenende ein "Skandalurteil", die deutsche "Bild"-Zeitung berichtete von einer "Jugendbande" und einer "Gruppenvergewaltigung", obwohl es in der Hauptverhandlung nicht um mit Gewalt oder Drohung vorgenommene bzw. erduldete geschlechtliche Handlungen gegangen war. Selbst den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen hatte die Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren fallen gelassen und aus Beweisgründen eingestellt.

Dessen ungeachtet sorgten die Freisprüche in den sozialen Medien für Unmutsäußerungen und Empörung bis hin zu unverhohlenem "Hass im Netz", den vor allem der vorsitzende Richter abbekam. Der Richter wurde, auch in mehreren Kommentaren unter dem X-Account des Rechtsvertreters des betroffenen Mädchens, wüst beschimpft und mit zahlreichen Schimpfwörtern versehen.

Die Medienstelle des Wiener Landesgerichts wurde mit etlichen wütenden bis hasserfüllten Eingaben bedacht. Unter anderem wurde die "sofortige" Suspendierung des Richters gefordert, der den Vorsitz des erkennenden Schöffensenats innehatte.

Zu Wort meldeten sich auch die SPÖ-Frauen. "Das Verhalten des damals zwölfjährigen Mädchens und sogar das der Mutter werden öffentlich diskutiert, anstatt das der Täter. Der Gerichtsprozess zeigt deutlich, dass wir auch in Österreich eine klare Definition von einvernehmlicher Sexualität brauchen. Nur Ja heißt Ja. In einigen Ländern wie in Schweden oder Spanien ist dies bereits gelebte Praxis. Es ist wichtig, dass wir von anderen Ländern lernen", stellte SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Ruth Manninger in einer Aussendung fest. "Die Scham" müsse die Seite wechseln: "Wir haben in Österreich ein Problem mit Männergewalt, mit Besitzdenken und mit patriarchalen Denkmustern." Die Bundesregierung arbeite mit Hochdruck an der Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen, um Lücken im Gewaltschutz zu schließen, bekräftigte Manninger.

(Quelle: apa)

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