Vom Triumph zur Krise

Stefan Pierer und KTM: Aufstieg, Absturz und das Ende einer Ära in Mattighofen

Stefan Pierer gibt sein "Lebenswerk" KTM aus der Hand. (ARCHIVBILD)
Veröffentlicht: 22. Mai 2025 10:27 Uhr
Im Jahr 1992 übernahm Stefan Pierer nach einer Insolvenz die Motorradsparte von KTM, 33 Jahre später drohte erneut das Aus. Jetzt gibt der 68-Jährige sein "Lebenswerk" aus der Hand.
Sein "Lebenswerk", wie er den Motorradhersteller KTM selbst sieht, hat der Steirer Stefan Pierer mittlerweile aus der Hand gegeben. Nach der Annahme des Sanierungsplans der insolventen KTM AG Ende Februar schied er endgültig aus dem Vorstand aus, bei der KTM-Mutter Pierer Mobility AG wird er dies nach Abschluss des Verfahrens ebenfalls tun und sich auch als Aktionär zurückziehen (müssen). Der 68-jährige Pierer hat den Motorradhersteller groß gemacht, bevor der Absturz kam.
 
Nicht das erste Mal geriet KTM 2024 finanziell in der Bredouille. Schon 1991 war der Motorradhersteller mit Sitz in Mattighofen (Bezirk Braunau) in die Pleite geschlittert und in vier Firmen zerteilt worden. Pierer übernahm daraufhin die Motorrad-Produktion. 33 Jahre später musste das Unternehmen erneut Insolvenz anmelden. Pierer wollte es wieder sanieren und sagte: "Die Marke KTM ist mein Lebenswerk und dafür kämpfe ich" - wenn auch nicht mehr als Chef. Mit Gottfried Neumeister habe er "den perfekten Nachfolger" gefunden. Er sei "fest davon überzeugt, dass er das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft führen wird".
 
Die industrielle Motorradproduktion des Unternehmens begann 1953 als Kronreif-Trunkenpolz-Mattighofen (KTM). Bereits 1934 hatte Hans Trunkenpolz eine Spenglerei und Autowerkstatt gegründet. 1984 wurde mit Heinz Kinigadner auf KTM zum ersten Mal ein Österreicher auf einem österreichischen Rennmotorrad Motocross-Weltmeister.

1992 übernahm Pierer Motorradproduktion

Nach der Insolvenz 1991 wurde KTM in vier Firmen zerteilt: Motorrad, Fahrrad, Kühler und Werkzeugbau. KTM-Fahrrad ging an Hermann Urkauf, dessen Familie das Unternehmen noch heute führt und darauf Wert legt, nichts mit der Pierer'schen Motorrad-Firma KTM AG zu tun zu haben. Die Motorradproduktion übernahm 1992 Stefan Pierer mit seiner Cross Industries und der Aufstieg begann: Das erste Straßen-Motorrad wurde 1994 präsentiert. 1996 ging das Unternehmen an die Börse. 1999 entstand ein neuer Firmenhauptsitz in Mattighofen mit vier Fertigungslinien. Der erste Rallye-Dakar-Sieg mit dem Italiener Fabrizio Meoni 2001 läutete eine 18-jährige Serie von Siegen ein.

2007 stieg die indische Bajaj-Gruppe bei KTM ein, die mit ihren millionenschweren Geldspritzen nun den Konkurs von KTM abwendete. 2008 wurde der X-Bow, ein KTM-Fahrzeug auf vier Rädern, präsentiert, bleibt aber unter den Erwartungen. Das Land Oberösterreich griff KTM in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 mit einer Haftung in Höhe von 33,6 Mio. Euro unter die Arme. 2013 übernahm die KTM-Gruppe die Marke Husqvarna. 2016 debütierte KTM in der MotoGP.

Karriere startete als Vertriebsassistent bei Hoval

Seine Berufslaufbahn begann Pierer 1982 bei der HOVAL GmbH in Marchtrenk als Vertriebsassistent. 1987 gründete er die heutige Pierer Mobility-Beteiligungsgruppe, in der er Mehrheitsaktionär und heute noch als CO-CEO tätig ist. Seit 1992 ist er Aktionär und war bis 4. März 2025 Vorstand der nunmehr KTM AG. In der über beidem stehenden Pierer Industrie AG sind seine Beteiligungen gebündelt, dazu zählen etwa 80 Prozent an der Pankl-Gruppe oder 100 Prozent an Abatec. Zuletzt übernahm er mit dem Robau-Konsortium aus Pierer Industrie, Mark Mateschitz Beteiligungs GmbH und zwei der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich zuzuordnenden Firmen die Mehrheitsbeteiligung am oberösterreichischen Feuerwehrausrüster Rosenbauer. Laut "Krone" (15. Mai) ist er aber mittlerweile aus der Geschäftsführung der Robau Beteiligungsverwaltung GmbH ausgeschieden.
 
Von Juni 2022 bis Dezember 2024 war der Unternehmer Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich, kritisiert in der Funktion die hohen Lohnnebenkosten, warnt vor der Abwanderung der Industrie und fordert eine längere Lebensarbeitszeit. Nach der KTM-Insolvenz zog er sich aus dieser Funktion aber zurück. Generell hat sich Pierer seither deutlich rarer gemacht. Dicke Luft herrscht zwischen Pierer und Stephan Zöchling. Der Remus-Chef ist auch Vorstand in der Pierer Industrie und Aufsichtsratschef der KTM-Mutter Pierer Mobility, er war auch als ein möglicher KTM-Investor im Spiel. Pierer soll Aktien an Zöchlings Dabepo Holding verpfändet haben, die dieser nun mangels Rückzahlung nun offenbar zu Geld machen will. Es geht um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.
 
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Nach wie vor sitzt Pierer in den Aufsichtsräten von Pankl Racing Systems AG, SHW AG, Mercedes-Benz Group AG und ist stellvertretender Vorsitzender des Universitätsrates der Montanuniversität Leoben, wo er einst Betriebs- und Energiewirtschaft studiert hat.

Großspenden und umstrittene Förderung

Im Zuge der Nationalratswahl in Österreich 2017 kündigte Pierer an, alle bis Ende Juli eingehenden ÖVP-Parteispenden zu verdoppeln, wodurch er die Partei mit 436.563 Euro unterstützte und einmal mehr im Fokus von politischen Mitbewerbern der Kanzlerpartei stand. 2022 kündigte er jedoch an, nie wieder politisch etwas spenden zu wollen.

Für Schlagzeilen sorgte auch die umstrittene Kulturförderung für die KTM Motohall in Mattighofen: KTM hatte 2015 vom Land eine Subventionszusage von insgesamt 4,5 Mio. Euro für den Bau einer Ausstellungshalle erhalten. 1,8 Mio. Euro davon stammten aus dem Kulturbudget - zwei Tranchen zu je 600.000 Euro wurden beschlossen, auf eine weitere verzichtete das Unternehmen schließlich. Das Vorgehen war in die Kritik geraten, nachdem 2018 Kulturförderungen für die Freie Szene gekürzt, aber die Auszahlung einer 600.000-Euro-Rate für die als Museum titulierte Motohall beschlossen worden war. Der ehemalige Landeshauptmann und Kulturreferent Josef Pühringer (ÖVP) sah sich in der Folge sogar mit Untreue-Ermittlungen durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft konfrontiert, die allerdings eingestellt wurden.
 

(Quelle: apa)

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