Chronologie

Wie Motorradbauer KTM in die Insolvenz schlitterte

Veröffentlicht: 25. Februar 2025 13:10 Uhr
Schicksalstag für KTM: Am heutigen Dienstag entscheidet sich die Zukunft des Motorradbauers aus Mattighofen. Jahre voller finanzieller Turbulenzen, drastischer Umsatzeinbußen und Entlassungen führten KTM bis in die Insolvenz. Ein Überblick über die Ereignisse.

Vor einem Jahr war in Mattighofen beim Motorradkonzern KTM noch alles „Ready to Race“. Die Konzernmutter Pierer Mobility – vormals KTM Industries – verkündete einen voraussichtlichen Rekordumsatz und -absatz 2024. Für 300 Mitarbeiter kam die Nachricht allerdings zu spät, sie wurden bereits im Dezember 2023 zur Kündigung angemeldet.

Sanierungsplan von insolventer KTM AG angenommen

Die Zukunft von KTM dürfte vorerst gesichert sein: Die Gläubiger haben dem Sanierungsplan am Dienstag zugestimmt und ermöglichen dem Motorradhersteller aus Mattighofen damit einen Neustart. Die …

Kurz darauf kam, weit weg vom 7.600 Einwohner zählenden Heimatort in Oberösterreich, der nächste Dämpfer: Seriensieger KTM musste sich bei der Wüstenrallye Dakar nur mit dem vierten Platz zufriedengeben.

Finanzielle Turbulenzen bei KTM beginnen 2023

Wenige Tage später kamen die nächsten schlechten Meldungen aus dem Konzern. In der Jahresbilanz zeigte das operative Ergebnis (EBIT) deutliche Tendenz nach unten. Die Kennzahl lag 2023 bei 160 Mio. Euro und damit um 32 Prozent unter dem Vorjahreswert. Trotz guter Nachfrage und deutlich höherer Zinsen seien die Kosten für Lagerbestände deutlich nach oben gegangen, daher habe Konzernchef Stefan Pierer seinen Händlern verlängerte Zahlungsziele und höhere Rabatte gewähren müssen, hieß es damals. Es folgte eine Dividendenkürzung von 2 auf 0,50 Euro je Aktie.

Doch das Unternehmen blieb am Gas und gab Mitte März 2024 die Übernahme der Mehrheit des italienischen Motorradbauers MV Agusta bekannt. Bereits seit Herbst 2022 hatte man eine Minderheitsbeteiligung gehalten. Unmittelbar darauf gab KTM bekannt, dass man 120 Forschungsjobs abbaut - zusätzlich zu den 300 Jobs, die bereits Ende 2023 zur Kündigung beim AMS angemeldet worden waren.

Die Pierer Industrie als Dachgesellschaft des Imperiums von Stefan Pierer (Pankl Racing, KTM, Husqvarna, GasGas, ...) kam aber auch anderweitig in die Schlagzeilen. Im Frühjahr 2024 wurde bekannt, dass Pierer laut Recherchen von „'Der Standard“ und ORF rund um eine Lebensversicherung in Liechtenstein Millionen Euro an Steuern nachzahlen musste.

Pierer Mobility mit Gewinnwarnung für 2024

Im Juni werden dann die Wolken über Mattighofen immer dichter: Die Pierer Mobility gibt eine Umsatz- und Gewinnwarnung heraus. Man rechne für 2024 mit einem Umsatzrückgang um 10 bis 15 Prozent. Trotzdem wirde kurz darauf bekannt, dass Pierer, Mark Mateschitz sowie der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (RLB OÖ) über eine Kapitalerhöhung beim Feuerwehrausrüster Rosenbauer einsteigen.

Im August wird der Abbau von 200 weiteren Jobs bekannt gegeben, mit Anfang September bekommt die Pierer Mobility AG und KTM AG mit Gottfried Neumeister einen Co-CEO neben Stefan Pierer.

Erste Dämpfer bei KTM-Produktion

Am 13. November 2024 kommt es dann richtig dick für den Motorradhersteller. KTM braucht eine Finanzierung in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages. Ziel sei es, durch eine signifikante Reduktion der Produktionsmengen die Lagerbestände auf Ebene der KTM wie auch auf Händlerebene auf ein wirtschaftlich nachhaltiges Niveau abzubauen. Es drohe 1.000 der rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter womöglich eine temporäre Kündigung.

Ende November des Vorjahres wird ein europäisches Restrukturierungsverfahren nach der Restrukturierungsordnung (ReO) eingeleitet. Das in Österreich erstmals angemeldete Verfahren ist laut Unternehmensangaben „notwendig“, um Finanzierungen in Höhe von rund 250 Mio. Euro „in voller Höhe zurückführen zu können“.

Am 29. November folgt dann der Hammer: Die KTM AG bringt beim Landesgericht Ried im Innkreis einen Insolvenzantrag ein. Er umfasst auch die Töchter KTM Components GmbH sowie KTM F&E GmbH. Von drei Insolvenzen sind insgesamt 3.623 Dienstnehmer betroffen, die Gesamtverbindlichkeiten werden auf rund 2,9 Mrd. Euro bei 2.500 Gläubigern geschätzt, erklärte der AKV. Die Insolvenzgläubiger sollen eine Quote von 30 Prozent erhalten. Sanierungsverwalter Peter Vogl geht von der Fortführung des Unternehmens aus und Firmenchef Pierer zieht sich als Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Oberösterreich zurück.

Auch KTM-Töchter insolvent

Zu all den schlechten Nachrichten wird bekannt, dass die insolvente KTM AG und ihre ebenfalls zahlungsunfähigen Töchter KTM Components und KTM Forschung & Entwicklung dem Finanzamt 18,6 Mio. Euro und der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) 15,1 Mio. Euro schulden.

Kurz vor Weihnachten 2024 beschließt das Landesgericht Ried nach der Berichtstagsatzung die Fortführung der insolventen KTM AG. Die Eigenverwaltung im Sanierungsverfahren bleibt erhalten. Der erwartete Gläubiger-Andrang am Landesgericht bleibt aus. Nach den Weihnachtsfeiertagen werden auch die Dezember-Löhne überwiesen. Novemberlöhne und -gehälter sowie das Weihnachtsgeld werden über den Insolvenzentgeltfonds abgewickelt.

Stefan Pierer tritt als CEO zurück

Das neue Jahr 2025 beginnt dann mit einem Rücktritt, bzw. mit einem Tritt zur Seite. Stefan Pierer gibt den Vorstandsvorsitz beim Mutterkonzern Pierer Mobility und der KTM AG ab. Zum CEO wird der im Konzern bereits leitend als Vorstand tätige Gottfried Neumeister. Pierer bleibe Co-CEO, er wolle den „Sanierungsprozess begleiten“, so der Konzern damals.

Am 27. Jänner gibt es dann gute Nachrichten für den Motorradbauer und die ganze Region: Die Aktionäre der Pierer Mobility stimmen in einer außerordentlichen Hauptversammlung für eine Kapitalerhöhung. Die Investorensuche zur Rettung des Traditionsbetriebes dauert aber an.

Am 20. Februar wird dann der Restrukturierungsplan der Pierer Mobility angenommen. Der Plan sieht vor, dass 68,69 Prozent der Finanzierungen bis Ende 2026 und der Rest bis 2027 getilgt werden, zuzüglich vereinbarter Zinsen.

Am Dienstag, 25. Februar 2025, läuft bereits seit 9.00 Uhr morgens die entscheidende nächste Runde: Am Landesgericht Ried im Innkreis stimmen die KTM-Gläubiger über den Sanierungsplan ab. Er sieht eine 30-prozentige Barquote vor, die bis Ende Mai ausbezahlt werden soll. Um sie zu bedienen, müssen rund 600 Mio. Euro aufgestellt werden. Zudem sind ca. 150 Mio. Euro nötig, um das Wiederanlaufen der Produktion im derzeit stillstehenden Werk in Mattighofen und den Betrieb bis Ende Mai zu finanzieren.

(Quelle: apa)

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28.04.2025
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