Die Extremisten hatten Montagfrüh aus mehreren Richtungen mit dem Sturm auf die Stadt begonnen und sie bis zum Abend eingenommen. Ein Taliban-Kommandant in Kunduz-Stadt namens Mullah Usman sagte, mehr als 1.000 Kämpfer hätten an der Offensive teilgenommen. Kunduz ist die erste Provinzhauptstadt, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 von den Aufständischen erobert wurde.
Der Vizegouverneur der Provinz Kunduz, Hamdullah Daneshi, sagte: "Die Taliban haben ihre weiße Flagge im Stadtzentrum gehisst." Daneshi wurde nach Berichten von Augenzeugen zum Flughafen gebracht, wohin viele der rund 300.000 Bewohner der Stadt geflohen waren. Der Flughafen war am Montagabend noch unter der Kontrolle der Regierung. Dort unterhalten die afghanischen Sicherheitskräfte Stützpunkte. Der Gouverneur hielt sich bereits vor dem Angriff im Ausland auf.
Taliban-Kommandeur Usman sagte am Montagabend: "Unsere Kämpfer bewegen sich nun in Richtung des Flughafen-Hügels vor, wo sich der Feind versteckt." Die Taliban hätten den Sitz des Gouverneurs, das Gebäude des Provinzrats und eine Radiostation in Brand gesetzt. Die Aufständischen riefen Zivilisten dazu auf, bis zum Ende der Kämpfe in ihren Häusern zu bleiben.
Nach Angaben von Innenministeriumssprecher Sedikki traf am Flughafen Verstärkung ein. "Wir versuchen, die Stadt zurückzuerobern. Im Moment können wir keine Opferzahlen bestätigen." Die Taliban hätten das Gefängnis in Kunduz gestürmt und mehr als 600 Häftlinge befreit. Darunter seien 144 Taliban-Kämpfer gewesen, fügte er an.
Ein Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation sagte, Ausländer hätten sich ebenfalls am Flughafen außerhalb der Stadt versammelt. Lokale Medien berichteten, die Vereinten Nationen hätten ihr Personal am Montag aus Kunduz abgezogen. Das UNO-Gebäude sei danach von den Taliban geplündert worden.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, in ihrem Krankenhaus in Kunduz seien seit Montagfrüh mehr als 100 Verwundete behandelt worden. 36 davon schwebten in Lebensgefahr. Die Taliban brachten unter anderem das Provinz-Krankenhaus mit seinen 200 Betten unter Kontrolle. Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid teilte über Twitter mit, Kämpfer suchten darin nach "verwundeten feindlichen Soldaten". Polizisten seien gefangen genommen worden. Die Taliban hätten Fahrzeuge und Waffen erobert.
Die NATO beendete ihren Kampfeinsatz in Afghanistan im vergangenen Jahr. Der Nachfolgeeinsatz "Resolute Support" dient vor allem der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. US-Truppen fliegen allerdings weiterhin Luftangriffe gegen die Taliban.
(Quelle: salzburg24)