Welt

Athener Regierung lehnt Vorschläge der Gläubiger ab

Griechenlands Premier Tsipras im Gespräch mit Bundeskanzler Faymann
Veröffentlicht: 26. Juni 2015 22:43 Uhr
Griechenland kann die Vorschläge der Gläubiger-Institutionen für Reform- und Sparmaßnahmen nach Angaben aus griechischen Regierungskreisen nicht hinnehmen. Die Vorschläge "können nicht akzeptiert werden", weil sie "rezessive" Maßnahmen und ein als "vollkommen unzureichend" einzustufendes Finanzierungsprogramm über fünf Monate beinhalteten, hieß es am Freitag aus Regierungskreisen in Athen.

"Der Vorschlag der Institutionen an die griechische Regierung war, unmittelbar Gesetze über zutiefst rezessive Maßnahmen zu erlassen als Bedingung für eine Finanzierung über fünf Monate, was vollkommen unzureichend ist", heißt es in einem Vermerk der griechischen Regierung.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat indes noch für Freitagabend eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts einberufen. Dabei solle über ein Abkommen mit den internationalen Geldgebern beraten werden, sagte ein Minister der griechischen Regierung. Finanzminister Yanis Varoufakis hat zudem die Vorschläge der Geldgeber für eine Verlängerung des Hilfsprogramms zurückgewiesen.

Griechenland habe Zugeständnisse gemacht und die Euro-Finanzminister würden bei ihrem Treffen am Samstag versuchen, eine Übereinkunft in Schulden- und Finanzfragen zu erzielen, erklärte Varoufakis. Dabei gab er sich durchaus optimistisch. Er sehe keinen Grund, warum es am Samstag keine Übereinkunft geben sollte, so Varoufakis.

Die internationalen Geldgeber sehen EU-Kreisen zufolge etwas Spielraum für ein Entgegenkommen. Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone hätten trotz harter Haltung der meisten Finanzminister ihre Bereitschaft signalisiert, einen halben Schritt auf das angeschlagene Land zuzugehen, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter.

So könnten die Euro-Finanzminister bei ihrem Treffen am Samstag ihre Zusage vom November 2012 erneuern, die eine Verbesserung der griechischen Schuldentragfähigkeit vorsieht. Diese umfasst eine Verlängerung der Kreditfälligkeiten, ein Moratorium bei den Zinszahlungen und niedrigere Zinsen. Die Chancen auf eine Einigung stünden bei über 50 Prozent.

Am Samstag um 17.00 Uhr treffen die Euro-Finanzminister dann nach vier erfolglosen Anläufen erneut in Brüssel zusammen. Die deutsche Kanzlerin Merkel hatte in der Nacht noch einmal betont, es sei Sache der Eurogruppe, einen Beschluss über ein griechisches Reform- und Sparpaket zu treffen, um die Staatspleite abzuwenden.

Am Freitag traf sich Merkel noch einmal mit Tsipras und dem französischen Präsidenten François Hollande in Brüssel zusammen. Nach Angaben aus Athen informierte Tsipras Merkel und Hollande über die griechische Position im Streit mit den internationalen Geldgebern. Er habe dabei Unverständnis über die harte Haltung der Institutionen geäußert, die auf weiteren Sparmaßnahmen bestünden. Die bisher erfolglosen Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission sollten am Freitag fortgesetzt werden.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte, Samstagnacht müsse eine Entscheidung fallen. "Morgen muss es echt geschehen", betonte der niederländische Finanzminister in Den Haag. Wenn dann kein gutes Reformpaket auf dem Tisch liege, "ist es zu spät". Am Dienstag endet das laufende Hilfsprogramm für Griechenland. Zugleich wird die Rückzahlung von 1,6 Mrd. Euro an den internationalen Währungsfonds (IWF) fällig.

Dijsselbloem verwies darauf, dass eine Einigung noch von mehreren nationalen Parlamenten gebilligt werden müsse. Auf die Frage, ob eine Einigung noch möglich sei, sagte der Sozialdemokrat zögernd: "Ja, das geht noch." Athen müsse einsehen, dass harte Eingriffe unvermeidlich seien, "mehr auf dem Gebiet von Reformen als Sparmaßnahmen", fügte Dijsselbloem hinzu.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hofft "wahnsinnig auf eine Einigung" für Griechenland mit der Eurogruppe am Samstag. Vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel sagte Faymann, er wolle nicht über ein Scheitern spekulieren. Ein Grexit müsse verhindert werden und er wende sich gegen ein "Was-wäre-wenn-Negativszenario". Vielmehr sei Optimismus notwendig. "Den brauchen wir auch, um aufeinander zuzugehen. Den Realitätssinn auf beiden Seiten möchte ich unterstützen", sagte Faymann. "Ich wünsche mir, dass wie bei einer Kette auch das schwächste Glied nicht herausfällt aus der Eurozone, dass ein Grexit verhindert wird".

Auf die Frage, dass man sich aber doch auch auf die Folgen eines Grexit vorbereiten müsse, sagte der Kanzler, "das kommt mir so vor, als ob ein Wissenschafter oder Wirtschaftler oder Sportler, wenn er in eine wichtige Phase kommt, sich ununterbrochen auf den Plan B mehr als auf den Plan A vorbereitet. Mir ist es recht, sich für den Plan A mit voller Kraft einzusetzen, dass etwas herauskommt". Es sollte "alle Kraft und Energie und positiver Willen in die Schlussverhandlungen kommen. Ich möchte mir nichts anderes vorstellen und ich will nicht eine Lösung unterlaufen".

Trotz des enormen Zeitdrucks war ein viertes Treffen der Eurogruppe binnen einer Woche am Donnerstagnachmittag ergebnislos abgebrochen worden. Das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland läuft am Dienstag aus. Danach droht dem Euro-Land ohne eine Einigung mit den Gläubigern die Staatspleite.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hält es im Moment für völlig offen, ob sich Griechenland und seine Gläubiger im Schuldenstreit in den nächsten Tagen noch einigen. "Ich kann nicht sagen, was das Ergebnis sein wird, es steht 50 zu 50", sagte Schäuble am Freitag bei einer Finanzkonferenz in Frankfurt. Er pocht dabei weiter auf eine harte Linie.

"Man darf keinem Mitgliedsstaat erlauben, ohne Grenzen Geld auszugeben und andere Mitgliedsstaaten dann dafür haften zu lassen", sagte Schäuble. Es stehe viel auf dem Spiel. Sollten die Märkte das Vertrauen in die handelnden Personen verlieren, würde das die Währungsunion zerstören. "Es gibt große Risiken. Deshalb ist es eine sehr schwere Entscheidung."

Die Wahrscheinlichkeit eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone (Grexit) liegt nach Auffassung des tschechischen Staatspräsidenten Milos Zeman mittlerweile sogar bei "über 50 Prozent". Die westlichen Banken hätten sich bereits für diese Alternative vorbereitet und ihre Aktiva aus den griechischen Geldinstituten zurückgezogen, sagte Zeman laut Zeitungsberichten vom Freitag.

Im Schuldenstreit mit Griechenland haben die internationalen Geldgeber weitere Milliardenhilfen in Aussicht gestellt, wenn das Euro-Land die Reformauflagen in letzter Minute akzeptiert. Laut Unterlagen der Gläubiger-Institutionen könnte das Hilfsprogramm bis Ende November verlängert werden.

Dem von der Pleite bedrohten Land könnte bis dahin rund 15,3 Mrd. Euro zufließen. Die bisher für die Bankenrettung vorgesehenen Mittel sollen teilweise zur Finanzierung des griechischen Staates umgewidmet werden, wie aus dem Papier hervorgeht. Es werde zudem angenommen, dass "ein neues 3-Jahres-Programm" mit weiterer Finanzierung notwendig sei, heißt es in einer zweiseitigen vorläufigen Analyse zur Schuldentragfähigkeit des Landes.

(Quelle: salzburg24)

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