Vor der Grenze auf griechischer Seite harrten rund 4.000 Iraker und Syrer aus. Afghanen wurden weiter nicht durchgelassen. Auf der Balkanroute geht die Angst um, dass viele Flüchtlinge in den Ländern stranden könnten, sollte Deutschland die Einreise plötzlich doch begrenzen. Der niederländische EU-Ratsvorsitz und die EU-Kommission warnten angesichts der sich abzeichnenden völligen Sperre der Balkanroute vor einer humanitären Katastrophe und mahnten die Staaten der Region zur Solidarität.
Die NATO wird nach Worten von ihrem Generalsekretär, Jens Stoltenberg, im Zuge ihres Anti-Schlepper-Einsatzes in der Ägäis keine Flüchtlingsboote zurückschicken. Die NATO werde keine polizeilichen Maßnahmen übernehmen, sagte Stoltenberg am Dienstag im Europaparlament in Brüssel. So wolle die Allianz die Küstenwachen Griechenlands und der Türkei sowie die EU-Grenzschutzagentur Frontex unterstützen.
Zu den Aufgaben der NATO im Mittelmeer gehörten die Aufklärung und die Überwachung. Darüber hinaus gelte das Völkerrecht. Wenn etwa ein Schiff untergehe, hätten alle die Pflicht, Menschenleben zu retten, dies gelte auch für die Boote der NATO.
Nach Angaben von Stoltenberg sei mit der Türkei vereinbart, dass Migranten zurückgeschickt werden, wenn sie aus der Türkei kommen. Die NATO sei noch dabei, die technischen und rechtlichen Details zu klären, sagte Stoltenberg.
Athen drohte aus Protest gegen die teilweise Schließung der mazedonischen Grenze mit einer Blockade der weiteren Annäherung von Beitrittskandidaten an die EU. "Dies (die Einlegung eines Vetos) schließen wir nicht aus", sagte die griechische Regierungssprecherin Olga Gerovasili in Athen. Allerdings blockiert Griechenland die EU-Annäherung des nördlichen Nachbarlandes schon seit Jahren wegen des Konflikts um den mazedonischen Staatsnamen.
Für Ärger sorgte in Athen auch die von Österreich für Mittwoch organisierte Westbalkankonferenz, zu der die Innen- und Außenminister der drei EU-Staaten Slowenien, Kroatien und Bulgarien sowie die Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien geladen sind. Diese Konferenz zur Migrationskrise sei "einseitig und absolut kein freundschaftlicher Akt", teilte das Außenministerium in Athen mit.
Kritik kam auch aus Brüssel. Die EU-Kommission zeigte sich "besorgt, dass einige Mitgliedstaaten außerhalb des vereinbarten Rahmens handeln", wie EU-Kommissionssprecherin Natasha Bertaud erklärte. Auch das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR monierte mit Blick auf Österreich und seine Balkan-Verbündeten, "dass einige Länder sich darauf konzentrieren, Flüchtlinge und Migranten fernzuhalten, statt den Zustrom verantwortungsvoll zu bewältigen und an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten".
Streit gab es auch zwischen Wien und Berlin: Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wies Kritik aus Deutschland an den neuen Obergrenzen seines Landes für Flüchtlinge zurück. Deutschland möge doch selbst eine ihr genehme Zahl von Flüchtlingen nennen, sagte Faymann. "Da hat Deutschland zu entscheiden, welche Zahl gilt." Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere hatte die von Wien festgelegte Tagesobergrenze von 3200 nach Deutschland durchreisenden Flüchtlingen als zu hoch kritisiert.
Österreich will sich nun doch von Portugal helfen lassen, aber schon in Griechenland. Es gebe Gespräche über die Übernahme von Österreichs Anteil an der EU-Flüchtlingsquote, teilten Bundeskanzleramt und Innenministerium der APA am Dienstagabend mit. "Das wäre eine Entlastung für uns", hieß es aus dem Innenministerium. Lissabon habe die Aufnahme von 2.800 Flüchtlingen angeboten.
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hatte zuvor auf APA-Anfrage mitgeteilt, es sei "nicht sinnvoll", wenn Flüchtlinge über tausende Kilometer zunächst nach Österreich und dann nach Portugal weiterverteilt werden. Die Verteilung müsse an den EU-Außengrenzen stattfinden. Wie Faymanns Sprecherin Susanna Enk am Dienstagabend präzisierte, könnte daher Lissabon einen Teil jener Flüchtlinge übernehmen, die in Griechenland oder Italien auf eine Aufnahme durch Österreich warten.
"Wir reden mit Portugal über diesen Vorschlag", sagte Enk mit Blick auf die "Relocation"-Vereinbarung zur Verteilung von insgesamt 160.000 Flüchtlingen auf die restlichen Mitgliedsstaaten. Es gebe aber auch noch andere Möglichkeiten, fügte die Sprecherin hinzu. Dass auch Flüchtlinge, die sich bereits in Österreich befinden, nach Portugal geschickt werden könnten, schloss sie auf Nachfrage nicht aus.
Österreich hat sich gegenüber der EU zur Aufnahme von 1.491 Flüchtlingen aus Griechenland und 462 Flüchtlingen aus Italien verpflichtet. Weil es selbst massiv vom Flüchtlingsstrom betroffen sei, bat Wien aber erst im Jänner um einen zwölfmonatigen Aufschub bei der Aufnahme der Flüchtlinge.
Der portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa hatte den besonders vom Flüchtlingsstrom betroffenen Staaten Italien, Griechenland, Österreich und Schweden angeboten, über den eigenen Anteil an der EU-Flüchtlingsquote hinaus 5.800 Flüchtlinge aufzunehmen. Faymanns Sprecherin Enk betonte, dass Wien mit Lissabon diesbezüglich "eng im Gespräch" sei, insbesondere seit dem EU-Gipfel vergangene Woche.
Die griechische Polizei räumte am Dienstag eine von überwiegend aus Afghanistan stammenden Flüchtlingen besetzte Eisenbahntrasse an der Grenze zu Mazedonien. Etwa 900 Flüchtlinge wurden ins Landesinnere zurückgebracht. Während die Flüchtlinge im Norden nur langsam ausreisen konnten, kamen in Piräus erneut mehr als 1250 Migranten an, die aus der Türkei zu den Ostägäisinseln übergesetzt hatten. Die EU-Kommission befürchtet deshalb eine humanitäre Krise in Griechenland.
Die Türkei kündigte an, Menschenschmuggler künftig ähnlich hart wie Terroristen bestrafen zu wollen. Eine Rücknahme von Flüchtlingen, die von NATO-Schiffen in der Ägäis aus Seenot gerettet werden, ist nach Angaben von Vizepremier Numan Kurtulmus jedoch noch nicht abschließend vereinbart. Er kündigte aber an, dass noch heuer allen 650.000 schulpflichtigen syrischen Flüchtlingskindern in der Türkei der Schulbesuch ermöglicht werden solle. Derzeit gehe nur die Hälfte dieser Kinder in die Schule.
Laut der EU-Grenzschutzagentur Frontex gab es heuer bereits 140.000 illegale Grenzübertritte, die meisten mit 82.000 in Griechenland. Frontex-Vertreter Fabrice Leggeri sagte am Dienstag, es sei heuer keine Entspannung in der Flüchtlingskrise zu erwarten. Wenn heuer so viele Migranten kämen wie im Vorjahr, "dann würde ich sagen, dass das kein schlechtes Jahr wäre", sagte Leggeri in Berlin.
(Quelle: salzburg24)