Welt

Debatte um Schutz der Brenner-Grenze - Kritik aus Italien

Veröffentlicht: 04. Juli 2017 17:26 Uhr
Die Vorbereitungen für Grenzkontrollen am Brenner sorgen für Debatten und für Verstimmung in Italien. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) stellte am Dienstag klar, dass Österreich im Fall eines Flüchtlingszustroms die Brenner-Grenze "schützen" will. Handlungsbedarf sieht er seitens der EU und Italiens. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) begrüßte die Vorbereitungen, Kritik kommt aus Rom.

Kurz bekräftigte im APA-Gespräch, Ziel müsse die Schließung der Mittelmeer-Route sein. Dass nun Vorbereitungen für Grenzkontrollen zu Italien vorgenommen würden, sei nicht nur richtig sondern auch notwendig, zeigt sich Kurz über die "gute Zusammenarbeit" zwischen Innen- und Verteidigungsministerium erfreut. Es sei auch ehrlich, jetzt Italien und der EU ganz klar zu sagen: "Wir bereiten uns vor und wir werden unsere Brenner-Grenze schützen, wenn es notwendig ist."

Kurz: Rettung im Mittelmeer kein Ticket nach Europa

Niemand brauche Österreich Vorwürfe machen: "Wir haben mehr Menschen aufgenommen als fast alle Staaten Europas." Die EU müsse klarstellen, dass eine Rettung im Mittelmeer nicht mit einem Ticket nach Europa verbunden sein dürfe. Entweder man führe die Flüchtlinge zurück oder müsse sie an den Außengrenzen stoppen und auf Inseln wie Lampedusa bringen.

Das Innenministerium und Tirols Landeshauptmann Platter begrüßten, dass das Bundesheer seine Bereitschaft an den Grenzen in Tirol erhöht. Derzeit fänden bereits "intensive Schleierfahndungen" im grenznahen Bereich statt, so Platter. Es benötige "eindeutige Signale in Richtung Italien und der Flüchtlinge, dass es am Brenner kein Durchkommen gibt". "Wenn es die Lage erfordert, lege ich Wert darauf, dass nicht Rücksicht auf die Bestimmungen der Europäischen Union genommen wird, sondern im Eigeninteresse des Landes Tirol kein Durchkommen für illegale Migranten am Brenner besteht", sagte Tirols Landeschef.

Keine vermehrten Aufgriffe in Kärnten oder Tirol

Die Zahlen der Flüchtlinge an den Übergängen bezeichnet Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperei und des Menschenhandels, im Ö1-"Morgenjournal" jedoch als stabil. Vermehrte Aufgriffe in Kärnten oder Tirol gebe es nicht. Auch nennt Tatzgern Österreich nicht als eines der Zielländer der großteils aus Afrika stammenden Flüchtlinge. Hauptzielländer seien Deutschland, Schweden und Norwegen. Jene, die aus französisch-sprachigen Staaten kommen, peilten Frankreich aber auch Teile der Schweiz an.

Grenzkontrollen für Tomac derzeit kein Thema

Für den Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac sind Grenzkontrollen am Brenner derzeit "kein Thema". Die Vorbereitungen des Verteidigungsministeriums seien "aufgrund der Entwicklung auf der Brennerroute in keiner Weise nachvollziehbar", sagte Tomac im Gespräch mit der APA. Selbstverständlich sei es aber "Angelegenheit des Bundesheers auch allfällige Vorlaufzeiten" zu berücksichtigen.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verlangt indes "unverzügliche" Maßnahmen, um auf einen "Flüchtlingsansturm" von Italien aus vorbereitet zu sein. Sofortige Grenzkontrollen vor allem am Brenner seien das Gebot der Stunde. Das "Asylchaos" in Italien werde ein massives Problem für Österreich werden, glaubt Strache. Die Grüne Migrationssprecherin Alev Korun ist hingegen gegen Grenzkontrollen und fordert stattdessen eine Bekämpfung der Fluchtursachen.

Bundesheer bereitet sich auf Einsatz vor

Im Bundesheer will man jedenfalls vorsorgen. 750 Personen werden für einen Einsatz am Brenner vorbereitet, sind also innerhalb von 72 Stunden einsatzbereit. In anderen Bundesländern ist man bereits seit längerem im Einsatz, gesamt mit 860 Mann, der Großteil davon im Burgenland (436). Aber auch in Kärnten, das ja wie Tirol an Italien grenzt, sind schon 129 Soldaten unterstützend tätig.

Missfallen in Rom

Auf Missfallen sind diese Vorbereitungen in Rom gestoßen. Das italienische Außenministerium bat den österreichischen Botschafter in Rom, René Pollitzer, zu einem Gespräch. Eine Politikerin der regierenden Demokratischen Partei (PD) um Ex-Premier Matteo Renzi forderte die Einleitung eines EU-Verfahrens gegen Österreich. "Die EU-Kommission soll sich sofort melden", verlangte die für EU-Fragen verantwortliche PD-Abgeordnete Marina Berlinghieri. "Österreich hat noch keinen einzigen Flüchtling im Rahmen des Relocation-Programms aufgenommen, genau wie Polen, Ungarn und die Tschechische Republik, gegen die bereits ein EU-Verfahren läuft. Das Land verletzt jegliche europäische Solidaritätsregel und schließt seine Grenzen", so Berlinghieri.

Auch andere Politiker reagierten besorgt auf die Aktivierung der Grenzkontrollen am Brenner. "Europa war dabei, sich zu erholen. Ist es möglich, dass Frankreich, Spanien und Österreich sich nicht über die Schäden im Klaren sind, die sie anrichten?", fragte Italiens Ex-Premier Enrico Letta.

Grenzkontrollen wegen Wahlkampf in Österreich?

Franz Kompatscher, Bürgermeister der Südtiroler Grenzgemeinde Brenner, meinte, es gebe keinen Flüchtlingsnotstand. "Es gibt durchaus wenige Flüchtlinge. Wir haben in der Vergangenheit viel schwierigere Zeiten erlebt. Die Migranten wissen, dass es auf beiden Seiten des Brenners strenge Kontrollen gibt", so Kompatscher laut der italienischen Nachrichtenagentur AdnKronos. Seiner Ansicht nach seien die Pläne zu Grenzkontrollen mit dem Wahlkampf in Österreich in Verbindung zu bringen. Das glaubt auch Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher: Die Aktivierung der Grenzkontrollen am Brenner sei eine "interne Botschaft" an die Wählerschaft, so Kompatscher. Er habe bereits Kontakt zu Platter aufgenommen, um sich ein Bild der Lage zu machen.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hat indes die EU-Staaten dazu aufgerufen, mehr Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Die meisten an Europas Küsten ankommenden Flüchtlinge kämen aus wirtschaftlichen Gründen, sagte Avramopoulos der französischen Tageszeitung "Le Figaro" vom Dienstag. "Die Rückkehr in die Heimatstaaten ist ein unerlässlicher Bestandteil einer umfassenden Migrationspolitik. Die europäischen Länder müssen gemeinsam die Zahl der Rückführungen erhöhen, denn es werden zu wenige Migranten zurückgebracht", hieß es weiter.

"Können Italien nicht alleine lassen"

Mit Blick auf die Lage in Italien, wo zahlreiche Flüchtlinge ankommen, sprach der Innenkommissar von einer "unhaltbaren Situation". "Wir können Italien nicht alleine lassen", sagte Avramopoulos. Beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in der estnischen Hauptstadt Tallinn müsse es "konkrete Antworten" geben.

In diesem Jahr sind bereits mehr als 100.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa geflohen. Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Dienstag bekannt gab, nahm allein Italien 85 Prozent von ihnen auf. 2.247 Menschen kamen demnach bei ihrem Fluchtversuch ums Leben.

(APA)

(Quelle: salzburg24)

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