Bei hohen Flüchtlingszahlen sollen alle Mitgliedstaaten zu "Solidarität" mit den Ankunftsländern verpflichtet werden - sei es über die Flüchtlingsaufnahme oder über Hilfe bei Abschiebungen.
Von der Leyen appelliert an Mitgliedsstaaten
Gleichzeitig plant die Kommission mehr legale Möglichkeiten zur Einwanderung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an die Mitgliedstaaten, eine Lösung für die Migrationsfrage zu finden. Es sei nun Zeit für alle, zu handeln und die Aufgabe gemeinsam zu bewältigen, sagte sie. "Es geht nicht um die Frage, ob Mitgliedstaaten mit Solidarität und Beiträgen unterstützen, sondern wie sie unterstützen."
Die Pläne gehen nun an die Mitgliedstaaten und das Europaparlament. Die Kommission forderte beide Seiten angesichts der "Dringlichkeit der Situation vor Ort in mehreren Mitgliedstaaten" auf, sich "bis zum Jahresende" auf die "Grundprinzipien" der Reform zu einigen.
Nehammer fordert "effektiven Grenzschutz"
Sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz als auch Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) bezeichneten die Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU im Vorfeld des neuen EU-Kommissionsvorschlags als "gescheitert". Der Innenminister erwartet, dass die Leistungen Österreichs - die Aufnahme von fast 120.000 Menschen in den vergangenen fünf Jahren - anerkannt werden. Er forderte einen "effektiven Grenzschutz" an der EU-Außengrenze.
Kritik an Kurz
Der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) kritisierte Kurz für dessen Ablehnung einer Verteilung von Flüchtlingen. "Ich würde jetzt allen raten, nicht schon gleich wieder Vetos einzulegen und Blockaden aufzubauen", sagte Roth im Deutschlandfunk. "Man kann sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen."
Reformen des Asylsystems scheiterten
Seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise von 2015 sind immer wieder Versuche gescheitert, Europas Asylsystem zu reformieren. Knackpunkt war immer die Verteilung von Flüchtlingen auf die anderen EU-Staaten, um Ankunftsländer wie Italien oder Griechenland an den Außengrenzen zu entlasten. Osteuropäische Staaten wie Ungarn und Polen weigerten sich kategorisch, Migranten aufzunehmen.
Die Kommission will nun die bisher geltenden Dublin-Regeln für das europäische Asylrecht abschaffen. Es bleibt aber grundsätzlich bei dem Grundsatz, dass ein Flüchtling seinen Asylantrag in dem Land stellen muss, in dem er zuerst in Europa ankommt.
Mehr Flexibilität innerhalb der EU
Allerdings soll es hier mehr Flexibilität geben, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Wenn Flüchtlinge enge Familienbeziehungen in anderen EU-Länder hätten oder dort schon studiert oder gearbeitet hätten, sollten sie in diese Länder gebracht werden. Für Migranten, die aus Ländern kämen, für die es sehr geringe Asylanerkennungsraten von unter 20 Prozent gebe, solle es beschleunigte Asylverfahren direkt an der Grenze geben.
Aufnahme, wenn Abschiebung nicht gelingt
Außer in Krisensituationen sollen nur Menschen mit einer Chance auf Asyl auf andere EU-Staaten verteilt werden. Länder, die absolut keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, können bei Abschiebungen in Heimatländer helfen. Gelingt ihnen das nach acht Monaten nicht, müssen sie die abgelehnten Asylbewerber bei sich unterbringen.
Grund- und Menschenrechte laut Caritas in Gefahr
Aktivisten und Migrationsexperten kritisierten die Pläne der EU-Kommission. "Leider hat die Kommission im Endeffekt dem Druck derjenigen EU-Regierungen nachgegeben, die vor allem die Anzahl der Menschen verringern wollen, denen Europa Schutz gewährt", erklärte die Europa-Chefin der Menschenrechtsorganisation Oxfam, Marissa Ryan, am Mittwoch. Die Hilfsorganisation Caritas sieht Grund- und Menschenrechte von Asylsuchenden in Gefahr.
Ein Solidaritätsmechanismus, der "den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, die Aufnahme zu vermeiden, indem die Rückkehr von Migranten erleichtert wird" sei "inakzeptabel", erklärte die Europa-Chefin der Caritas, Maria Nyman. Der Fokus auf den Außengrenzschutz und Rückführungen werde zwangsweise zu Lasten von völkerrechtlichen Grundprinzipien des humanitären Umgangs mit Flüchtlingen gehen.
"Es ist schwer zu begreifen, dass die EU nicht aus ihren jüngsten Fehlern gelernt hat", erklärte Anita Bay Bundegaard, EU-Direktorin von Save the Children.
Der Migrationswissenschaftler am Institut Delors und der Universität von Nantes, Yves Pascouau, bewertete die Kommissionspläne als lediglich "kosmetische" Änderungen. An der "Logik und Philosophie" der bestehenden Asylregeln ändere sich nichts. "Es wird auf Notsituationen, auf die Forderungen von Mitlgliedstaaten reagiert", sagte der Forscher. Aber ein "Grundgerüst" für einen Neuanfang sehe er nicht.
(Quelle: apa)