Der Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Achtung des Privat- und Familienlebens) gebiete auch, dass die menschliche Persönlichkeit in ihrer Identität, Individualität und Integrität zu schützen ist - und somit bestehe ein "Recht auf individuelle Geschlechtsidentität", stellte der VfGH klar. Damit müssten Menschen aber nur jene Geschlechtszuschreibung durch staatliche Regelungen akzeptieren, die ihrer Identität entspricht. Art. 8 EMRK "schützt insbesondere Menschen mit alternativer Geschlechtsidentität vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung", steht im Erkenntnis, das am Freitag zugestellt wurde.
Drittes Geschlecht: Keine Gesetzesänderung nötig
Das Personenstandsgesetz muss dafür nicht korrigiert werden. Es verpflichtet zwar zur Eintragung des Geschlechts in Personenstandsregister und -urkunden. Aber es beschränkt diese nicht auf männlich oder weiblich. Der Begriff des Geschlechts im Gesetz lasse sich "ohne Schwierigkeiten dahin gehend verstehen, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließt".
Offen blieb, wie die alternativen Geschlechtsformen in Urkunden zu bezeichnen sind. Das lasse sich den Gesetzen nicht entnehmen, konstatierten die Verfassungsrichter, wäre aber "unter Rückgriff auf den Sprachgebrauch möglich". Es gebe mehrere Begriffe wie "divers", "inter" oder "offen" - der Gesetzgeber könnte auch eine bestimmte vorgeben.
Fall in OÖ brachte Urteil ins Rollen
Der VfGH hatte das Personenstandsgesetz amtswegig geprüft - nachdem eine Person aus Oberösterreich sich an das Höchstgericht gewandt hatte, weil es ihr nicht gestattet worden war, ihren Geschlechtseintrag im Zentralen Personenstandsregister auf "inter" oder eine ähnliche Formulierung ändern zu lassen. Sowohl der zuständige Bürgermeister als auch das Landesverwaltungsgericht hatten den Antrag abgelehnt.
"Heute habe ich zum ersten Mal im Leben das Gefühl, als das anerkannt zu sein, was ich bin. So wie ich geboren wurde", wird Alex Jürgen in einer Aussendung der Homosexuellen Initiative (HOSI) Salzburg zitiert. "Vielfalt ist die Norm und die Existenz von geschlechtlicher Vielfalt darf nicht länger problematisiert und pathologisiert werden", äußerte sich auch Tinou Ponzer von Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) in der Pressemeldung erfreut.
(APA/S24)
(Quelle: salzburg24)