Welt

Elbphilharmonie Hamburg ein Jahr vor ihrer Eröffnung

Das neue architektonische Aushängeschild der Hansestadt
Veröffentlicht: 31. Dezember 2015 12:01 Uhr
Es ist bereits jetzt der am meisten Aufsehen erregende Kulturneubau des neuen Jahrtausends. Die Silhouette der Elbphilharmonie Hamburg gleicht auch in natura jenen Renderings, die seit Jahren für das spektakuläres Bauwerk Werbung machen. In einem Jahr, am 11. Jänner 2017, wird eröffnet. Die APA durfte exklusiv einen Baustellenbesuch machen und auch den zentralen Konzertsaal von innen besichtigen.

Die Hauptaufgabe der Verantwortlichen ist es derzeit, der Welt klar zu machen: Dieser Eröffnungstermin hält! Schließlich hat das Projekt nicht nur mit seiner unvergleichlichen Architektur, sondern auch mit seinen Kostensteigerungen und Verschiebungen Schlagzeilen gemacht. Im Jahr 2006 war Christoph Lieben-Seutter, damals Intendant des Wiener Konzerthauses, designiert worden, um in Hamburg das Programm zu planen. Projektierter Eröffnungstermin damals: Herbst 2009. Heute gibt sich der 51-jährige Wiener cool und unerschütterlich. "Wie auf jeder Baustelle wird es am Schluss noch eng werden, aber die Eröffnung ist in Stein, da gibt es keinen Weg zurück. Für die ersten Monate ist ein dichtes Konzertprogramm fixiert und die Vorbereitungen für den Spielbetrieb laufen auf Hochtouren."

Auf Hochtouren laufen auch die Bauarbeiten im Gebäude. Außen jedoch entfaltet der mächtige ehemalige Kaispeicher A, dem eine filigran aussehende, geschwungene Kubatur aufgesetzt wurde, bereits jene märchenhafte Wirkung, die ihn zum neuen Wahrzeichen Hamburgs macht. Vom Hafen her wirkt das Gebäude wie ein vor Anker gegangener futuristischer Ozeanriese, an dem sich das Spiel der Wellen fortsetzt, stadtseitig sieht es wie eine gläserne Kathedrale aus, die 110 Meter hoch nach den Wolken strebt. "Der Speicher trägt die Philharmonie. Die Lasten, die der Speicher früher in sich aufnahm, nimmt er jetzt auf sich", beschreibt Nicholas Lyons die Poesie des Projekts.

Lyons ist Associate des prominenten Schweizer Architekturbüros Herzog & de Meuron und Projektmanager bei diesem ungewöhnlichen Bau, der durch zusätzliche Aufgaben an Komplexität gewonnen hat: In dem aus den 1960er-Jahren stammenden Speicher, einem mächtigen Backsteinbau an der Spitze der Hafen-City, ist nun auch ein Parkhaus mit 500 Stellplätzen untergebracht, überdies birgt das Bauwerk ein Hotel mit rund 250 Zimmern sowie 45 exklusive Wohnungen. Es ist ein Multifunktionsgebäude, in dessen Kern drei Konzertsäle verborgen sind, das aber über eine weitere, noch publikumsträchtigere Attraktion verfügt: die "Plaza".

An der Schnittstelle zwischen massivem Speicher und luftigem Aufbau liegt in 37 Metern Höhe nicht nur der eigentliche Eingangsbereich zu den Konzertsälen, sondern auch eine allgemein zugängliche noble Stadtterrasse mit 360 Grad Rundumblick - ein künftiges Muss jedes Hamburg-Besuchs und einer der Gründe, warum es für die Betreiber noch immer viele offene Fragen gibt: Wie viele Menschen kann die Plaza gleichzeitig verkraften? Wie sehr werden sie mit den Besucherströmen der Konzerte kollidieren? Eine Umplanung hat man bereits gemacht: Es wird auch am Gebäudeeingang, am Fuße der "Tube" genannten 82 Meter langen, gebogenen Rolltreppe, ein Ticket-Center geben.

Die 4.000 Quadratmeter große Plaza ist schon jetzt atemberaubend. Die Farbe des Backsteinbodens vermittelt Wärme und Geborgenheit, helle, geschwungene Wände und dünne Stützpfeiler ziehen einen förmlich in die Höhe, Richtung Musik, die Verkleidung nach außen übernehmen gebogene, nicht hermetisch geschlossene Glasflächen, die eine Mischung aus Außen- und Innenraum entstehen lassen. Auf der einen Seite ist hier der Hafen, auf der anderen Seite die Innenstadt präsent. "Das ist eine riesige Fläche, von der man die Stadt nicht nur sehen und hören, sondern auch riechen kann", schwärmt Enno Isermann, der Sprecher der Hamburger Kulturbehörde.

Aus der Nähe fasziniert besonders die Verarbeitung der insgesamt 1.100 Glaspaneele, aus denen die Fassade besteht: Sie sind immer wieder blasenartig gewölbt, mit eingearbeiteten, kiemenartigen Fensterschlitzen versehen und mit einer Unzahl von chromverspiegelten Punkten bedruckt - eine ausgetüftelte Technik für den Energiehaushalt des Gebäudes, aber auch ein faszinierendes Spiel mit Licht und Wolken: "Die wechselnden Stimmungen am Himmel reflektieren sich direkt an der Fassade der Elbphilharmonie - so verändert sich ihr Erscheinungsbild stetig", sagt Architekt Lyons.

Oberhalb der Plaza ist noch Großbaustelle. Über ein verwirrendes Labyrinth an Gängen gelangt man schließlich ins Herz des Gebäudes - zu den Konzertsälen. Das im Sockel gelegene Kaistudio ist für 170 Besucher ausgerichtet, im Kleinen Konzertsaal können bis zu 550 Besucher Kammermusik-Programmen lauschen. Die gefrästen, geriffelten Eichenholzwände laden förmlich zum Betasten ein, ähnlich wie die 10.000 individuell geformten, 3-D-gefrästen Gipsfaserplatten der 6.500 Quadratmeter umfassenden "weißen Haut" im Großen Konzertsaal. 2.100 Plätze sind hier nach dem "Weinberg-Prinzip" trichterförmig ansteigend um das Konzertpodium angeordnet. 50 Meter hoch ist dieser Raum, für dessen Akustik der Japaner Yasuhisa Toyota verantwortlich zeichnet und der mit seinem gesamten 12.500 Tonnen Gewicht auf 362 Federpaketen ruht und so vom übrigen Gebäude schallentkoppelt ist.

"In den Konzertsälen kann man schon erkennen, dass es sich um ganz außergewöhnliche und inspirierende Räume handelt", sagt Generalintendant Lieben-Seutter. "Die Akustik werden wir erst in ein paar Monaten beurteilen können, ich habe da ein sehr gutes Gefühl." Man spürt, dass alle Verantwortlichen die ersten Praxistests kaum erwarten können - und dass sie glücklich sind, endlich Herzeigbares zu haben, auf das sie stolz sein können.

Ein zweijähriger Baustopp hatte das Projekt, dessen Anfänge bis ins Jahr 2003 zurückreichen und dessen Gesamtkosten heute mit 865 Mio. Euro angegeben werden (789 Millionen davon werden von der öffentlichen Hand getragen) an den Rand des Abbruchs gebracht. In dieser Phase wurde nicht gebaut sondern zwischen Anwälten, Architekten, der Stadt und dem Bauunternehmen Hochtief gestritten. An die 10.000 Briefe seien dabei wohl ausgetauscht worden, schätzt Isermann. "Ich habe an vorderster Front mitgeschrieben", sagt Nick Lyons, der heute darüber wieder schmunzeln kann. Ende 2012 gab es einen Neustart, seit Juli 2013 wird wieder gebaut, die Briefflut ist komplett versiegt. Lyons sieht den Prozess als Katharsis: "Mir hat imponiert, wie sehr sich Bürgermeister Olaf Scholz dabei involviert hat. Schließlich hat er entschieden: Wir machen das fertig!"

Dass dieser Mut in der Hansestadt keineswegs selbstverständlich ist, zeigt nicht zuletzt die kürzlich per Bürgerentscheid abgesagte Olympiabewerbung Hamburgs. "Für die Elbphilharmonie hat das einen doppelten Effekt", sagt Enno Isermann: "Unsere Eröffnung wäre ein halbes Jahr vor der Vergabe-Entscheidung des IOC gewesen. Dieser Druck ist nun weggefallen. Dafür richten sich wieder alle Augen auf die Elbphilharmonie. Jetzt muss sie alleine für mehr Bekanntheit der Stadt sorgen."

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

25.09.2025
Kultserie

"Baywatch" bekommt Neuauflage

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken