Welt

Energie-Union: Atomkraft-Nutzung "muss eben sicher sein"

EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete
Veröffentlicht: 25. Februar 2015 15:44 Uhr
Die EU-Kommission hat sich bei der Präsentation ihres Plans zu einer Energie-Union in Sachen Atomkraft zurückhaltend geäußert. Die Nutzung von Nuklearenergie "muss eben sicher sein", erklärte EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete. Natürlich gelte es zu "schauen, was mit den Kernabfällen, mit der Entsorgung passiert".

In dem umfangreichen Vorschlag der Brüsseler Behörde für eine Energie-Union wird lediglich festgehalten, dass der Energiemix Angelegenheit der einzelnen EU-Staaten bleibe. Wesentlich seien natürlich "saubere Energiequellen", um von fossilen Brennstoffen weniger abhängig zu werden.

Die Schwerpunkte der EU-Kommission liegen in einer größeren Versorgungssicherheit vor allem bei Gas angesichts der anhaltenden Russland-Ukraine-Krise und der Schaffung von billigeren Energiepreisen für die Konsumenten. Notfallpläne soll es für die Gasversorgung geben.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, und Canete unterstrichen auch die Bedeutung der grenzüberschreitenden Energie-Verbundleitungen zwischen den Staaten, die 2020 mindestens zehn Prozent erreichen sollen. Um den Energiemarkt neu zu gestalten, sollte es alle zwei Jahre einen Bericht zur Zusammensetzung der Energiepreise geben. Außerdem sollten mehr Möglichkeiten für Flüssiggas (LNG) in der EU eröffnet werden. Canete verwies darauf, dass es derzeit nur zwei LNG-Hubs in Europa gebe, in Österreich und den Niederlanden. "Wir brauchen zusätzliche Verteilerstellen", im Mittelmeerbereich und in Südeuropa. Dann könne die EU auch bessere Preise erhalten. Beschränkungen bei LNG gegenüber den USA müssten abgebaut werden.

Im Gasbereich "brauchen wir einen gemeinsamen Plan für Notfälle, wenn es im Osten eine neue Krise geben sollte", sagte Canete. Dabei gehe es darum, mit den Lieferländern Türkei und Algerien zusammenzuarbeiten, aber auch mit Norwegen und der Ukraine. Gleichzeitig "wird Russland weiter ein Partner der EU sein, der wichtigste Versorger". Aber es gelte zu diversifizieren. "Wir brauchen Gaskontrakte mit Aserbaidschan, vielleicht auch mit Turkmenistan". Sefcovic hofft auch auf einen diplomatischen Durchbruch in den Beziehungen mit dem Iran und einer Stabilisierung der Lage im Irak. "Wir brauchen verschiedene Möglichkeiten, Gas aus verschiedenen Teilen der Welt zu erhalten".

Ein großes Anliegen ist der EU-Kommission auch, vor neuen bilateralen Verträgen von Mitgliedstaaten mit Drittländern im Energiebereich eingebunden zu werden. Damit könnten auch Vertragsverletzungsverfahren verhindert werden. "Wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen", sagte Sefcovic. Die Verträge müssten mit EU-Recht kompatibel sein. Auch dies diene der Versorgungssicherheit.

Canete forderte auch einen Abbau der regulierten Energiepreise. Natürlich müsste es dann Maßnahmen zum Schutz von ärmeren Verbrauchern geben. Sefcovic äußerte sich euphorisch über die geplante Energie-Union, die er als "größtes Integrationsprojekt" seit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bezeichnete. Den vier Freiheiten - Kapital, Personen, Dienstleistung und Waren - müsste nun mit Energie eine fünfte Freiheit hinzugefügt werden.

Die "Energieunion"-Pläne der EU-Kommission von Mittwoch werden in Österreich überwiegend begrüßt, etwa von der Industrie. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) pocht auf eine bessere Balance von Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerb, die Energie-Control erwartet Vorteile für die Konsumenten. Umweltverbände vermissen einen Schwenk weg von fossiler und Nuklearenergie.

Das Ziel einer engeren Abstimmung der "Energiewende" im Binnenmarkt teile Österreich, sagte der für Energie zuständige Vizekanzler Mitterlehner. Neben einer Debatte der Rolle neuer Gas-Lieferquellen etwa angesichts der Russland-Ukraine-Krise gehe es auch darum, die Erneuerbaren soweit nötig zu fördern und an den Markt heranzuführen. Eine Aufwertung der Atomenergie wäre "das falsche Signal", so der Minister in einer Aussendung.

Aus Sicht der E-Control können Energiekonsumenten von den EU-Vorschlägen für mehr Marktintegration, Versorgungssicherheit und Eindämmung des Energieverbrauchs "nachhaltig profitieren", erklärte Vorstandsdirektor Walter Boltz. Marktbarrieren für neue Lieferanten gehörten beseitigt. Insgesamt sei das Brüsseler Papier positiv - teils sei aber noch unklar, ob die Vorschläge nicht unter dem Deckmantel der Versorgungssicherheit zu marktverzerrenden Interventionen führen könnten. Eine Reduktion der Energieabhängigkeit sei "notwendig und sinnvoll"; nur mit verschiedenen Optionen sei man nicht von einem einzigen Lieferland erpressbar, so Boltz mit Blick auf Russland als Gaslieferant.

Österreichs E-Wirtschaft unterstützt die EU-Pläne für eine Energieunion. Eine bessere Koordinierung der Energiepolitik sei wichtig für die Vollendung des Binnenmarktes, so Barbara Schmidt, die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie. Dem Bekenntnis zur Implementierung einer Strombinnenmarkt-Richtlinie schließe man sich an.

Die Industriellenvereinigung begrüßt vor allem, dass wettbewerbsfähige Energiekosten für Unternehmen als ein Hauptziel der Energieunion definiert werden. IV-General Christoph Neumayer würdigt, dass die EU-Kommission selbst einräumt, dass die Retail-Märkte nicht funktionieren und die Energieinfrastruktur veraltet und nicht für einen massiven Ausbau Erneuerbarer gerüstet sei - und auch dass die Abhängigkeit Europas von Gasimporten zunehme. Bei Erneuerbaren sei Brüssel klar gegen Markteingriffe über Kapazitätsmechanismen und auch gegen eine unkoordinierte Förderung. Gegen eine Übersubventionierung sollte auf marktbasierte kosteneffiziente Systeme gesetzt werden, so die IV.

Für die WKÖ ist das EU-Konzept der Energieunion ein Schritt in die richtige Richtung, die vorgestellten Maßnahmen würden die hohen Erwartungen aber nur bedingt erfüllen, kritisierte der Leiter der Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer, Stephan Schwarzer. Nötig sei ein besseres und koordiniertes Konzept des Energiemarktes, eine flächendeckende Schaffung intelligenter Netzstrukturen und eine Stärkung marktwirtschaftlicher Instrumente.

Janusköpfig ist der EU-Energieunion-Vorschlag für den WWF. Die "grüne" Seite des Konzepts spreche sich klar für Energie-Einsparung und Erneuerbaren-Förderung aus, Schattenseiten seien die Absicherung fossiler Energien und die Kernkraftwerke. Die EU dürfe nicht im Sumpf fossiler und nuklearer Energieträger stecken bleiben.

Greenpeace plädiert für Erneuerbare und Energieeffizienz statt Schiefergas und Atom, dafür biete jetzt die Energieunion die Chance. Österreich solle mit Deutschland und Dänemark entsprechende Allianzen schmieden. Von falsch gesetzten Prioritäten sprach Global 2000 und plädierte für einen Ausbau Erneuerbarer und eine Steigerung der Energieeffizienz in Europa statt der Errichtung neuer Gas-Infrastruktur.

Nach Meinung der IG Windkraft zeigen die Kommissionsvorschläge deutlich, wie schwer die Abkehr vom althergebrachten Pfad zu sein scheine. Viele Bereiche befassten sich mit den fossilen Energien und mit der Sicherstellung dieser Ressourcen. Aber zum ersten Mal stehe in einem EU-Papier eine lange erhobene Forderung, nämlich, dass der Strommarkt an die Erneuerbaren Energien angepasst werden müsse und nicht umgekehrt.

Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich äußert sich skeptisch zu den EU-Vorschlägen zur Energieunion. Zentraler Kritikpunkt sei, dass die Versorgungssicherheit nicht durch die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energien gesteigert werden solle, sondern hauptsächlich durch die Suche nach neuen Gaslieferanten.

Grünen-Umweltsprecherin Christiane Brunner warnte, die Energieunion der EU-Kommission könnte in einen "Klimakollaps" führen und sei auch ein fatales Signal für die Klimakonferenz von Paris. Das Kommissionspapier sei "eine energiepolitische Bankrotterklärung" und eine Fortführung einer fehlgeleiteten Energiepolitik, so die Grün-Mandatarin, die von einem "Kniefall vor der Profitgier der fossilen und nuklearen Energieinteressen" sprach.

(Quelle: salzburg24)

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