Die sogenannte Tapie-Affäre könnte sie um ihren Posten an der IWF-Spitze bringen - Lagarde aber gibt sich kämpferisch. Die Vorwürfe gegen sie seien "absolut unbegründet", sagte Lagarde der Nachrichtenagentur AFP. Ihren Anwalt beauftragte sie damit, Rechtsmittel gegen das Ermittlungsverfahren einzulegen.
Die Finanzaffäre um umstrittene Millionenentschädigungen für den schillernden Geschäftsmann Bernard Tapie hatte Lagarde schon eingeholt, als sie erst wenige Wochen Chefin des IWF war: Im August 2011 leitete der französische Gerichtshof der Republik gegen Lagarde erste Ermittlungen wegen "Beihilfe zur Fälschung" und "Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Gelder" ein. Schon zuvor hatte sich Lagarde, die erste Frau an der Spitze des IWF, unerschrocken gegeben: "Ich habe volles Vertrauen in das Verfahren, denn ich habe ein völlig reines Gewissen."
In einem umstrittenen Schiedsspruch war Tapie 2008 nach dem Verkauf des Sportartikelherstellers Adidas staatlicher Schadenersatz in Höhe von rund 400 Millionen Euro zugesprochen worden. Lagarde hatte als Finanzministerin ein privates Schiedsgericht angerufen, um einem jahrelangen Rechtsstreit um den Adidas-Verkauf ein Ende zu setzten. Als das Schiedsgericht den Schadenersatz festlegte, entschied Lagarde, diesen nicht anzufechten.
Die französische Justiz hegt den Verdacht, dass Tapie wegen seiner Verbindungen zum damaligen Staatschef Nicolas Sarkozy eine Vorzugsbehandlung erhielt. Im Mai 2013 entging Lagarde noch einem formellen Ermittlungsverfahren. Nach einer erneuten, rund 15-stündigen Befragung Lagardes am Dienstag leitete der Gerichtshof der Republik ein solches nun aber ein.
Damit ist für Lagarde der Posten an der IWF-Spitze in Washington gefährdet, den sie 2011 von ihrem Landsmann Dominique Strauss-Kahn übernommen hatte, der wegen Vergewaltigungsvorwürfen als IWF-Chef zurückgetreten war.
Für den Posten schien die stets elegant gekleidete konservative Politikerin mit den silbernen Haaren wie geschaffen: Sie konnte langjährige Finanzkompetenz vorweisen und kannte die Großen der Welt, außerdem spricht sie perfekt Englisch. Bei ihrer Bewerbung für den Posten verkündete sie selbstbewusst: "Ich werde meine Erfahrung als Anwältin, Unternehmenschefin, Ministerin und Frau einbringen."
Die ehemalige französische Vize-Meisterin im Synchronschwimmen hatte mit 25 Jahren in der renommierten US-Anwaltskanzlei Baker and McKenzie begonnen und legte dort eine brillante Karriere bis an die Spitze der Kanzlei hin. Erst 2005 begann sie ihre politische Karriere in Frankreich, wurde Staatssekretärin für Außenhandel. 2007 beförderte der frischgewählte Staatschef Sarkozy sie an die Spitze des Finanzministeriums.
Während Lagarde als Ministerin bis zum Sommer 2011 an den Versuchen beteiligt war, die Schuldenkrise in der Eurozone einzudämmen, ließ sie das Thema auch in ihrer neuen Funktion als IWF-Chefin nicht los. Rastlos reiste sie um die Welt, nahm an Krisengipfeln teil, mahnte die Europäer zu mehr Entschlossenheit bei den Reformen und zur dringenden Rekapitalisierung ihrer Banken.
Zuletzt warb sie für eine Abkehr von einer zu harten Sparpolitik, um das schwache Wirtschaftswachstum in Europa nicht abzuwürgen, und warnte vor einer drohenden Deflation. An Deutschland appellierte sie vor wenigen Tagen, sich stärker für eine wirtschaftliche Erholung Europas zu engagieren.
Von der IWF-Spitze will die zweifach geschiedene Mutter zweier mittlerweile erwachsener Söhne auch nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens nicht weichen. Auf die Frage nach einem möglichen Rücktritt antwortete sie mit einem knappen "nein". Und fügte selbstbewusst hinzu: "Ich kehre diesen Nachmittag zum Arbeiten nach Washington zurück."
(Quelle: salzburg24)