Allerdings ist offen, wie das ohne Nachverhandlungen geschehen soll. Die britische Premierministerin Theresa May erwartet sich vom EU-Gipfel "keinen unmittelbaren Durchbruch" beim Brexit. Vor Beginn des Rats unterstrich May, dass sie für den mit der EU ausverhandelten Vertrag kämpfe, der der beste für beide Seiten sei. Die aufgeschobene Abstimmung des britischen Parlaments über das Brexit-Abkommen wird wohl nicht mehr in diesem Jahr stattfinden. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Vorschau der Sitzungsordnung des britischen Unterhauses für die kommende Woche hervor. Eine Fortsetzung der Debatte über den Brexit-Deal ist darin nicht vorgesehen.
May übersteht Misstrauensantrag
Am Mittwochabend musste sich May einer Misstrauensabstimmung stellen. Die Chefin der Konservativen Partei erhielt die Stimmen von 200 der 317 konservativen Abgeordneten im Unterhaus. Sie kann damit als Parteichefin und Premierministerin weitermachen. Für May ist das dennoch kaum ein Grund zum Feiern. Sie muss weiterhin ihren Brexit-Deal durchs Parlament bringen und nun damit rechnen, dass 117 Abgeordnete ihrer eigenen Partei dabei nicht mitspielen werden. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Parlament ist das ein desaströses Ergebnis.
EU diskutiert No-Deal-Szenario
Eine "erhebliche Zahl" an Abgeordneten habe gegen sie gestimmt, sagte May am Abend vor dem Regierungssitz 10 Downing Street in London. "Ich habe mir angehört, was sie gesagt haben." Hinter dem Misstrauensantrag gegen May standen vor allem Brexit-Hardliner in ihrer Fraktion um den erzkonservativen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Das Ergebnis sei "schrecklich", sagte er. "Sie muss dringend zur Queen gehen und zurücktreten."
Nicht nur in ihrer eigenen Partei brodelt es. Auch die nordirische DUP, auf die Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, und die Opposition kündigten Widerstand an. Labour-Chef Jeremy Corbyn setzt auf Neuwahlen. Großbritannien will Ende März aus der Staatengemeinschaft austreten. Hauptstreitpunkt im Vereinigten Königreich ist der von der EU verlangte Backstop. Brexit-Befürworter befürchten, dass die im Austrittsvertrag vorgesehene Regelung Großbritannien auf Dauer eng an die Europäische Union bindet. Sie wollen eine Befristung. Das hat die EU abgelehnt.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ('CDU) betonte am Mittwoch im Bundestag, man arbeite hart, um einen ungeregelten Brexit ohne Vertrag zu vermeiden. Ratschef Donald Tusk stellte in seinem Einladungsbrief an die EU-Staats- und Regierungschefs aber auch klar, dass man sich nun verstärkt für ein solches Szenario wappne. "Da die Zeit davonrennt, werden wir auch den Stand der Vorbereitung für ein No-Deal-Szenario diskutieren", schrieb Tusk. Er bezeichnete die Situation in Großbritannien als ernst.
Kurz will "hard brexit" vermeiden
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte am Donnerstag bei seinem Eintreffen in Brüssel, dass er in der Früh Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Michel Barnier, den Brexit-Chefverhandler der EU, getroffen habe, um den Gipfel vorzubereiten. Hauptthema der Gespräche dürfte aber der Brexit gewesen sein. "Unser Ziel ist es, einen 'hard Brexit' zu vermeiden", sagte Kurz.
"Insofern wird es auch eine Diskussion mit Theresa May geben, ob man in gewissen Fragen noch ein Stück weit besser erklären und konkretisieren kann, wie die zukünftigen Beziehungen aussehen sollen", betonte der Bundeskanzler. Klar sei aber, "dass wir sicherlich nicht das Austrittsabkommen noch einmal öffnen werden. Wir haben ein und dasselbe Ziel, einen 'hard Brexit' zu vermeiden." Dazu brauche es aber die Zustimmung im britischen und im Europäischen Parlament, "und daran arbeiten wir", sagte der Kanzler.
Nachverhandlungen ausgeschlossen
Kurz, der beim EU-Gipfel das letzte Mal in seiner Funktion als österreichischer Ratsvorsitzender dabei ist, hatte zuvor bei einem Treffen am Mittwochabend mit Ratspräsident Donald Tusk Nachverhandlungen zum Brexit-Vertrag ausgeschlossen. Allerdings sieht er Spielraum in der von den Briten verlangten Backstop-Frage bei Nordirland. Offenbar könnte es eine Art Zusatzerklärung der EU-27 geben, ohne allerdings den Vertrag selbst auch nur in geringster Weise aufzuschnüren.
Kurz wird beim EU-Gipfel, der von Donnerstag bis Freitag dauert und am Donnerstagabend mit dem Brexit-Gipfel ergänzt sowie am Freitag noch mit einem Euro-Gipfel abgeschlossen wird, auch Bilanz über den mit 31. Dezember ausklingenden österreichischen Ratsvorsitz ziehen. Dabei wird er vor allem auch die Migrationsfrage ansprechen.
Brexit reißt Loch in EU-Haushalt
Neben dem Brexit wollen die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem letzten Gipfel in diesem Jahr erstmals die Finanzplanung für die Zeit ab 2021 diskutieren. Umfang, Verteilung und Regeln des künftigen EU-Finanzrahmens sind höchst umstritten - auch weil der Brexit mittelfristig ein großes Loch in den EU-Haushalt reißen wird. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat vorgeschlagen, Gelder für Landwirte und strukturschwache Regionen zu kürzen. Investitionen in Bereiche wie Forschung, Jugend und digitale Wirtschaft sollen hingegen aufgestockt werden.
Weil bislang keine Einigung darauf absehbar ist, will man sich beim Gipfel nun zumindest auf einen Fahrplan für die weiteren Verhandlungen verständigen. Er soll nach dem Entwurf für die Abschlusserklärung vorsehen, bis Herbst 2019 einen Kompromiss zu finden.
(APA)
(Quelle: salzburg24)