Welt

Fake News: ÖVP und SPÖ loten Maßnahmen aus, Experten skeptisch

Veröffentlicht: 29. Dezember 2016 13:49 Uhr
Fake News, also Falschmeldungen im Internet, mit denen Nutzer in die Irre geführt werden, sorgen derzeit international für Diskussionen. In Tschechien und Deutschland, wo nächstes Jahr Parlamentswahlen stattfinden, bereitet man sich vor. In Prag nimmt mit 1. Jänner eine "Antidesinformationsstelle" ihre Arbeit auf. In Österreich wollen die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP eine Debatte über Fake News.

ÖVP-Generalsekretär und Mediensprecher Werner Amon schlägt eine parlamentarische Enquete vor. Dem Thema müsse man sich stellen, daher sollen Experten aus unterschiedlichen Bereichen geladen werden, erklärte er im Gespräch mit der APA. Die SPÖ-Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, Muna Duzdar, erklärte: "Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte, eine kritisches Bewusstsein der Akteure und eine Stärkung der Gegenrede".

Facebook in die Pflicht nehmen

Duzdar will auch Plattformen wie Facebook - das soziale Netzwerk spielt bei Fake News eine große Rolle - in die Pflicht nehmen. "Im Bezug auf Falschmeldungen geht es mir darum, auf die Verantwortung von Plattformbetreibern hinzuweisen - wenn eine Nachricht verbreitet wird, sollte der Wahrheitsgehalt überprüft werden." Das gleiche gelte aber auch für die Nutzer. "Wir brauchen ein Bewusstsein für Themen wie Quellenkritik und Umgang mit Falschnachrichten", so Duzdar gegenüber der APA.

Amon verwies auf die Verhandlungen zur Reform der Presseförderung, dabei werden auch Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung diskutiert. "Das ist schon ein Thema, dem man sich stellen muss, weil es geht nicht um Meinungsvielfalt und Information, sondern um Desinformation. Das hat man bisher nur Geheimdiensten zugeschrieben. Wenn damit aber Entscheidungsprozesse beeinflusst werden, muss man sich überlegen, wie man damit umgeht." Amon schlägt daher die Abhaltung einer Enquete im Parlament unter Einbeziehung von Experten vor.

40 russische Seiten mit gezielten Fake News

Ob die FPÖ mit ihren Kontakten nach Moskau auf derartige Unterstützung in künftigen Wahlkämpfen setzt, könne man "nicht ausschließen", meinte Amon auf Nachfrage. Einmal mehr kritisierte er die "fragwürdige außenpolitische Linie" der FPÖ. In Tschechien gehen die Behörden laut einem "Guardian"-Bericht von rund 40 Webseiten aus, die von Russland aus betrieben werden und gezielt falsche Informationen und Verschwörungstheorien verbreiten.

In Deutschland möglicherweise neuer Strafbestand

In der deutschen Regierung wird erwogen, einen neuen Straftatbestand für Desinformation einzuführen. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, ortete eine Regelungslücke im Strafrecht. Nach "Spiegel"-Informationen schlug das deutsche Innenministerium zudem kürzlich in einem internen Papier die Schaffung eines "Abwehrzentrums gegen Desinformation" vor.

Hierzulande ist man in puncto Änderungen im Strafrecht zurückhaltender. Duzdar: "Das Phänomen der Falschmeldungen ist nicht allein durch eine Strafkultur zu lösen." Die Staatssekretärin erinnerte daran, dass der Paragraf "Verbreitung falscher Gerüchte" Ende 2015 abgeschafft wurde. Dieser sei totes Recht gewesen, 20 Jahre lang habe es keine Verurteilung gegeben.

Experten für Aufklärung statt Gesetzesänderung

Experten halten Gesetze und Strafen, um gegen Fake News auf Facebook und Co. vorzugehen, für den falschen Weg. Sinnvoller sei eine Aufklärung der Nutzer, damit diese selbst Falschnachrichten entlarven können. Dass Facebook selbst den Wahrheitsgehalt von geteilten Inhalten überprüfen soll, wie zuletzt gefordert, sorgt etwa bei Mimikama, ein Verein, der selbst Fake News aufspürt, für Kopfschütteln.

"Es ist aus mehreren Gründen kaum möglich, die Flut an Inhalten auf Facebook zu prüfen", sagte Andre Wolf von Mimikama zur APA. Falschnachrichten mit einem einfachen "Fake" zu kennzeichnen, funktioniere nicht. "Das ist Wunschdenken. Subjektive Wiedergaben, redaktionelle Bearbeitungen, Thesen oder Interpretationen kann man nicht markieren und ich glaube, an diesem Punkt liegen wir mit den Erwartungen auch falsch." Im Höchstfall könnten auch Satireartikel wie von "Die Tagespresse" oder "Der Postillon" ungewollt einer Markierung zum Opfer fallen.

Anstatt Artikel als "falsch" oder "richtig" zu katalogisieren, müsse man sie analysieren. Genau das macht Mimikama seit 2011. Nutzer können Anfragen stellen und die Mitarbeiter begeben sich dann auf die Suche nach den Ursprüngen. "Einseitige, überspitzte oder dauerhaft tendenzielle Darstellungen, überhöhte und dramatische Ausdrucksweisen und stetiger Alarmismus in Inhalten sollten zu denken geben", erklärte Wolf. Er empfiehlt immer auch einen Blick ins Impressum und ob es sich dort um transparente und seriöse Angaben handle.

Einfache Lösung kaum möglich

Die Social-Media-Beraterin Judith Denkmayr hält eine einfache Lösung für kaum möglich. Dass Facebook angekündigt hat, Fakenews-Seiten von Werbeeinnahmen auszuschließen, sei aber sinnvoll. Denn: "Damit setzten sie bei einer der stärksten Motivationen für Fake News an." Denkmayr sieht die Überlegungen, staatlich einzugreifen allerdings kritisch. "Wir wollen eigentlich gezielt, dass nicht genehme Inhalte gelöscht werden, von einem Unternehmen, das am liebsten neutral bleiben möchte", warf Denkmayr ein. "Es wird mehr Bildung in dem Bereich brauchen, mehr Sensibilisierung, aber ob es Gesetze brauchen wird, da bin ich ehrlich gesagt unschlüssig."

"Fake richtet sich nach den Ängsten einer Gesellschaft"

Mimikama kann übrigens keine Zunahme an Fake News in letzter Zeit erkennen, auch nicht während der Bundespräsidentenwahl. In Wahlkampfzeiten seien Politiker aber natürlich eine Zielscheibe für gefälschte Nachrichten, so Wolf. Das Dilemma: "Selbst wenn Parteien untereinander ein Abkommen schließen, nicht mit Falschmeldungen den Wahlkampf zu bestreiten, so ist das lediglich ein Versprechen auf der Sonnenseite des Wahlkampfes. Anonyme oder fanatische Accountinhaber tangiert das nicht und somit können allerlei wilde Behauptungen in den Raum gestellt werden."

Für Mimikama-Macher Wolf geben Fake News auch Einblick, was die Leute gerade bewegt. "Ein Fake richtet sich nach den Ängsten einer Gesellschaft. Eine Falschmeldung fällt immer da auf fruchtbaren Boden, wo diese als wahr angesehen wird."

(APA)

(Quelle: salzburg24)

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