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Islamgesetz im Nationalrat beschlossen

Veröffentlicht: 25. Februar 2015 17:44 Uhr
Der Nationalrat hat Mittwochnachmittag die Novellierung des Islamgesetzes mit Koalitionsmehrheit beschlossen. Die Neufassung der aus dem Jahr 1912 stammenden Regelung bringt zwar ein Verbot der Finanzierung aus dem Ausland, aber auch Vorteile für die österreichischen Muslime, etwa die Etablierung eines islamisch-theologischen Studiums.

Der erste Abschnitt des Islamgesetzes definiert die organisierten Muslime in Österreich als Körperschaft öffentlichen Rechts. Auch geregelt ist, dass sich Muslime der heimischen Gesetzgebung unterzuordnen haben. Für den Erhalt der Rechtsstellung ist "eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat" notwendig.

Die "Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder" hat "im Inland zu erfolgen". Religiöse Funktionsträger aus dem Ausland dürfen ihre Funktion bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter ausüben. Vereine, die den Vorgaben des Gesetzes widersprechen, sind bis 31. März kommenden Jahres aufzulösen, ist einem in der Debatte eingebrachten Abänderungsantrag zu entnehmen. Ursprünglich war als Enddatum der 31. Dezember dieses Jahres eingesetzt.

Die Islamischen Glaubensgemeinden sind laut Gesetz künftig dazu verpflichtet, Funktionsträger wie etwa Imame ihrer Funktion zu entheben, sollten diese von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von ab einem Jahr verurteilt worden sein. Dies gilt auch, sollten diese die "öffentliche Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral oder die Rechte und Freiheiten anderer nachhaltig gefährden". Sollte gegen einen Funktionsträger der Religionsgesellschaft ein Verfahren eingeleitet oder Haft verhängt werden, muss diese umgehend von der Republik informiert werden.

Freilich bringt das Gesetz auch Punkte, die den Wünschen der islamischen Glaubensgruppen entsprechen. Der Fahrplan für ein islamisch-theologisches Studium an der Universität Wien sieht vor, dass ab kommendem Jahr der Bund bis zu sechs Stellen für Lehrpersonal zur Verfügung stellt.

Das Islamgesetz fixiert erstmals das Recht von Muslimen auf religiöse Betreuung - also auf Seelsorger - in Einrichtungen wie dem Bundesheer, in Justizanstalten sowie in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Auch bei der Verpflegung von Muslimen soll sichergestellt werden, dass auf religiöse Speisegebote und -verbote Rücksicht genommen wird.

Gestattet wird Muslimen, in Österreich "die Herstellung von Fleischprodukten und anderen Nahrungsmitteln gemäß ihren innerreligionsgesellschaftlichen Vorschriften zu organisieren" - Stichwort Schächten. Islamische Religionsgesellschaften und ihre Mitglieder werden ferner berechtigt, Kinder und Jugendliche durch alle traditionellen Bräuche zu führen und sie "entsprechend den religiösen Geboten zu erziehen." In den Erläuterungen wird dazu betont, dass davon "auch die männliche Beschneidung" umfasst sei.

Dem Beschluss des neuen Islam-Gesetzes ist am Mittwoch erwartungsgemäß eine hitzige Debatte im Nationalrat vorausgegangen. Für die FPÖ ist die Novelle ein "Pfusch". Der FPÖ sind die Regelungen zur Auslandsfinanzierung nicht rigoros genug. Überhaupt fand FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache, das Gesetz gehe an den Zielen vorbei und sei wirkungslos. "Bitte zurück zum Start", forderte er denn auch. Eigentlich sollte es darum gehen, dem radikalen Islamismus den Boden zu entziehen, erklärte Strache, und dieser habe natürlich mit dem Islam zu tun. Einige Politiker sagten, der Islam gehöre zu Österreich, "ich sage nein, er gehört nicht zu Österreich", polterte Strache. Man fordere, dass im Gesetz geregelt wird, dass in Moscheen, im Unterricht und in der Seelsorge auf Deutsch gepredigt wird, auch fehlen ihm ein Minarett- und ein Burkaverbot.

"Ich halte Ihre Rede für eine gesellschaftspolitische Spaltungsrede, und Integration findet nicht über Spaltung statt", konterte SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann. Das Gesetz regle die islamische Glaubensausübung in Österreich, es handle sich weder um eine Bauordnung noch um ein Kleidervorschreibungsgesetz. "Sie wollen Angst schüren, Sie wollen Gräben aufreißen und genau das Gegenteil wäre auch Ihre Aufgabe", maßregelte auch ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka den blauen Klubobmann. Wenn in Österreich mehr als 500.000 Menschen leben, die sich zum Islam bekennen, "dann kann ich nicht sagen, dass das kein Teil unserer Gesellschaft ist".

Für die Grünen begrüßte Alev Korun ausdrücklich, dass es endlich eine transparente Imam-Ausbildung an einer österreichischen Uni geben wird sowie dass die Frage der Friedhöfe und Seelsorge geregelt wird. Kritik übte sie aber am "Generalverdacht" gegen Muslime, weil im Gesetz mehrfach geschrieben werde, dass sich Muslime an die Gesetz zu halten hätten, was aber ohnehin alle in Österreich tun müssten. Auch in Sachen Auslandsfinanzierung sei mit der vorliegenden Regelung nicht gewährleistet, dass sich an der derzeitigen Situation etwas ändert.

Diesen Punkt bewertete auch Team Stronach-Abgeordnete Jessi Lintl als "halbherzig", weil es Umgehungsmöglichkeiten gebe. Die Intention des Gesetzes sei zwar positiv, es gehe aber leider an der Zielsetzung vorbei. NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak bemängelte ebenfalls, dass Religionen bei der Auslandsfinanzierung nun unterschiedlich behandelt würden, weiters ortete auch er einen Generalverdacht gegen Muslime im Gesetzestext.

Kultusminister Josef Ostermayer (SPÖ) wies diesen Vorwurf zurück. Man habe auch mit den Betroffenen über diesen Punkt geredet, und die meisten hätten das auch akzeptiert. Dass das Verbot der Auslandsfinanzierung wirkungslos sei, glaubt Ostermayer nicht, sonst würde das die Türkei wohl nicht kritisieren. Auf die jüngste Kritik der türkischen Religionsbehörde ging auch Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) ein - daran merke man, dass man hier einen "wesentlichen Punkt getroffen" habe, weil manche um ihren Einfluss fürchten. Es handle sich auch nicht um eine Ungleichbehandlung, denn in anderen Religionen würden nicht in Massen Prediger nach Österreich geschickt oder eine dauerhafte finanzielle Unterstützung wie im Islam geleistet.

Das Gesetz sei ein "sehr wichtiger Schritt" für das Zusammenleben, aber auch für den Islam, um sich in Österreich eigenständig entwickeln zu können, betonte Kurz. Es regle klar die Rechte und Pflichten der österreichischen Muslime. Klar sei auch, dass es "keine Reaktion auf den Terror sein kann und auch nicht sein darf", betonte Kurz.

Das Islamgesetz stößt nicht nur bei Muslimen in Österreich auf Kritik. Auch der Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Mehmet Görmez, lehnt es ab. Wie das Ö1-"Mittagsjournal" berichtete, kritisierte er es als diskriminierend und als Rückschritt. Görmez sprach von einem "gewaltigen Fehler", zitierte ihn das ORF-Radio. Er befürchte, "dass das geplante Gesetz Österreich um 100 Jahre zurückwerfen wird, was die Freiheit der Religionen in dem Land betrifft". Es gefährde die Einheit der Muslime und ihre Existenz. Im Zentrum der Kritik steht das Verbot der Auslandsfinanzierung, denn rund 60 der etwa 300 Imame in Österreich sind über den Verein ATIB aus der Türkei entsandt.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos wies die Kritik von Görmez am neuen Islamgesetz "entschieden" zurück. Das im Nationalrat beschlossene Gesetz sei "ausgewogen" und "auf breiter Basis diskutiert und beschlossen" worden, sagte der Geschäftsführer in einer Aussendung.

Darabos betonte, dass mit den betroffenen islamischen und islamisch-alevitischen Glaubensgemeinschaften Einigkeit herrsche, dass das Gesetz eine taugliche Rechtsgrundlage biete. "Wir haben hier in Österreich mit dem neuen Islamgesetz einen guten Konsens gefunden, der von den betroffenen Glaubensgemeinschaften akzeptiert wird. Das neue Gesetz gewährleistet die freie Religionsausübung in Österreich. Kritik von außen ist völlig unangebracht", so Darabos.

Nicht nur Österreich wird unterdessen von Görmez kritisiert. Der Islam sei eine universale Religion. Wenn Länder glaubten, sie könnten sich ihre eigene Version davon zusammenzimmern, hätten sie sich getäuscht. Auch ATIB meldete sich am Mittwoch zu Wort. Der Versuch, einen "Islam österreichischer Prägung" zu schaffen, verkenne das eigentliche Bedürfnis nach Förderung religiöser Vielfalt und gegenseitigem Respekt und mache das Islamgesetz zu einem Sicherheitsgesetz, hieß es in einer Presseerklärung. Das ausschließlich im Islamgesetz verankerte Verbot der Auslandsfinanzierung und "der dem Gesetz weiterhin anhaftende Generalverdacht gegenüber Muslimen" sei mit den Grundwerten der österreichischen Verfassungs- und Rechtsordnung und der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht in Einklang zu bringen, so ATIB weiter. Man werde "die in einem demokratischen Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mittel dafür einsetzen, um Gleichheit für alle herzustellen".

Durchwegs positiv fiel dagegen die Einschätzung der Islamisch Alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich aus. Die geplante Verabschiedung des Islamgesetzes stelle einen "Meilenstein für das Alevitentum in Österreich" dar, hieß es in einer Aussendung.

(Quelle: salzburg24)

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