"Wir haben uns dazu entschlossen, in den kommenden Wochen und Monaten 50 Lehrplätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen", sagte die Spartenobfrau Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. Für gut die Hälfte gebe es schon Zusagen von Firmen.
Sie verwies auf 8.000 offene Lehrstellen in Österreich. Denen stünden zwar im Schnitt mindestens so viele Lehrstellensuchende gegenüber. Aber man wisse, unter den vielen Flüchtlingen seien sehr viele talentierte junge Menschen, wenngleich sie "sicher mehr Begleitung und Anfangsunterstützung" brauchten. Kooperiert wird bei dem Pilotprojekt mit "Lobby 16", einem gemeinnützigen Verein (NGO), der sich unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge annimmt, sie "ausbildungsreif" macht, ihnen also u.a. Kenntnisse in Deutsch, Englisch und Mathematik und Bewerbungshilfe vermittelt, so dass ihnen ein Einstieg in eine Lehre überhaupt erst möglich wird.
Es gehe darum, Unternehmen, die schon länger Lehrlinge suchten, auf die Situation aufmerksam zu machen, sagt die Wirtschaftskammer-Gewerbeobfrau. Vorerst gebe es ein Pilotprojekt in Wien und Niederösterreich. Für Lehrbetriebe, die in diesem Programm junge Flüchtlinge aufnehmen, soll es auch Unterstützungen bei der Lehrlingsentschädigung geben. Mit dem AMS Wien und Niederösterreich liefen Gespräche.
In der Wirtschaftskammer Österreich gibt es in Handel und Gewerbe mehr als zwei Dutzend Innungen. Für Donnerstag wurde zu dem Thema eine Konferenz der Bundesinnungsmeister einberufen. Es sei eine "gemeinsame Anstrengung" nötig, sagte der Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Reinhard Kainz. Von Vorschlägen etwa des Wifo-Chefs, wegen der Flüchtlingskrise "bedarfsorientiert" die Gewerbsordnung zu lockern, hält er nichts. Die Initiativen zielten darauf ab, Defizite auszugleichen und die Integration in der Arbeitswelt zu ermöglichen. Dies sei "kein Sozialprojekt, aber ein Projekt mit sozialem Hintergrund - dass man Menschen mit großem Leid unterstützt."
Ramin Nouri, der 2009 als unbegleiteter Jugendlicher aus Afghanistan nach Österreich kam, hat es geschafft. Er lernte in kürzester Zeit Deutsch, holte Pflichtschulbildung nach, widerlegte alle Zweifel, dass er die Berufsschule nicht schaffen würde und gab nach wenigen Monaten zwei Österreichern Nachhilfe in Mathematik. Unterstützt hat ihn der Verein "Lobby 16", die ihn auch an eine Elektrofirma (Schwarzmann) vermittelte. Vor kurzem habe er die Lehre abgeschlossen, "ohne einen Vierer im Zeugnis", wie er heute durchaus stolz berichtete. In seiner Freizeit dolmetscht er jetzt in einer Flüchtlings-Aufnahmestelle in Wien.
Wie Ramin Nouri seien fast alle jungen Menschen, die über die NGO-Organisation Lobby 16 auf Ausbildungsplätze vermittelt wurden, von den Unternehmen übernommen worden. In den fünf Jahren seit dem Start seien - nach vorheriger intensiver Schulung - 121 Jugendliche in Lehrstellen vermittelt worden, nur 20 seien ausgefallen. Heuer sind 34 Jugendliche in Projekten. Nächstes Jahr wird der Kreis jedenfalls größer. Die jungen "Quereinsteiger in unser Bildungssystem" hätten kein Netzwerk, brauchten Begleitung und Vermittlung. "Wir wollen keine Ausnahmen", sagte Geschäftsführerin Veronika Krainz, "aber wir brauchen von Unternehmen eine Art Verbindlichkeit, dass sie die erste Hürde wegnehmen" - schon vor und bei Aufnahmegesprächen, dass hier Tests nicht ganz so streng ausgelegt, sondern die schwierige Situation berücksichtigt wird.
(Quelle: salzburg24)