Für die Analyse hat ein Team um den Kunsthistoriker Maximilian Schich von der Universität von Dallas (US-Bundesstaat Texas) und der ETH Zürich die Geburts- und Sterbeorte von 150.000 namhaften Kulturschaffenden statistisch ausgewertet. Diese erhielten die Forscher aus drei internetbasierten Künstler-Datenbanken.
Die Auswertung stellt das Leben und Sterben der Kulturelite der letzten 2.000 Jahre auf Karten Europas und Nordamerikas dar. Sie zeigt auf, welche Orte in welchen Zeiträumen kulturell attraktiv waren, und enthüllt die Migrations- und Interaktionsmuster der Kulturschaffenden, wie die ETH Zürich am Donnerstag mitteilte.
Wenig überraschend zeigen die Mobilitätsmuster, dass ein Großteil der kulturellen Entwicklung in Europa von Rom ausging. Sie demonstrieren auch, wie Amerika nach seiner Entdeckung allmählich erschlossen wurde. Man sieht einen starken Sog in Richtung Westküste, etwa Hollywood.
In Paris ist das Sterben von namhaften Künstlern vor allem für die Zeit nach dem 13. Jahrhundert dokumentiert. Damit konnten die Forscher grafisch darstellen, wie Paris seine Rolle als zentraler Knotenpunkt des kulturellen Schaffens kontinuierlich ausbaute. Diese Tendenz setzte bereits kurz vor dem 15. Jahrhundert ein, also rund 200 Jahre vor dem Absolutismus.
Während Frankreich stärker zentralisiert wurde, fanden in Deutschland und anderen Staaten Europas Föderalisierungsprozesse statt. So wechseln sich in Deutschland vom 13. Jahrhundert an Städte wie München, Köln, Leipzig, Heidelberg, Dresden, Hamburg oder Berlin als attraktive Schaffensorte für Künstler ab. Auch Wien findet sich laut Publikation unter den zwölf historisch für Kultuschaffende relevantesten Städten, seinen Zenit erlebte die österreichische Hauptstadt allerdings bereits zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert.
Neu für die Kunstgeschichte ist laut den Autoren die Erkenntnis, dass nicht nur ökonomische Zentren oder große Orte Künstler anzogen. Im anfangs kleinen Hollywood - ein Stadtteil von Los Angeles und Anziehungspunkt für Schauspieler und Drehbuchautoren - starben zehnmal mehr Kulturschaffende, als dort geboren wurden.
Laut Schich ist das daten-basierte Instrument eine Art "Makroskop", mit dem sich Regelmäßigkeiten und Trends in Daten erkennen lassen und interessante kulturhistorische Phänomene leichter zu orten sind. Für die Studie haben Kulturhistoriker, Netzwerkanalysten, Komplexitätsforscher und Informationsdesigner zusammengearbeitet.
Als Weiterentwicklung empfehlen die Forscher, das Netzwerk der Kulturschaffenden mit historischen Ereignissen zusammenzubringen, indem sie dieses mit der Suchfunktion Ngrams von Google verknüpfen. Damit lassen sich Abertausende von Büchern nach Stichworten durchsuchen.
Ein Teil der Studie wurde in der Arbeitsgruppe des Soziologen Dirk Helbing an der ETH Zürich durchgeführt. Die Arbeit wird am Freitag im ansonsten eher naturwissenschaftlich ausgerichteten Fachjournal "Science" veröffentlicht, was für geisteswissenschaftliche Studien eine Seltenheit ist.
(Quelle: salzburg24)