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Pizzeria Anarchia - Mieter können ins Haus zurück

Veröffentlicht: 30. Juli 2014 16:36 Uhr
Die letzte verbliebene Mietpartei könnte nach der Räumung der "Pizzeria Anarchia" wieder in das Haus in Wien-Leopoldstadt zurückkehren. Denn es bestehe immer noch ein aufrechtes Mietverhältnis, wie man im Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) auf APA-Anfrage betonte. Bald könnte zu den bisherigen Widrigkeiten jedoch eine Baustelle dazukommen, ein Dachgeschoßausbau wurde bereits genehmigt.

Im Juli sei der Antrag auf einen Dachgeschoßausbau inklusive Liftzubau genehmigt worden, so ein Sprecher von Stadtrat Ludwig. Einen Zusammenhang mit der Räumung gebe es aber keinen. Denn bei so einem Antrag spiele es grundsätzlich keine Rolle, ob die Wohnungen vermietet seien oder nicht. Vielmehr sei es entscheidend, ob baurechtliche und mietrechtliche Bestimmungen eingehalten werden. Beeinträchtige der baulich notwendige (Innen-)Umbau oder die Sanierung die Mieter zu sehr, liege es nach dem Gesetz beispielsweise in der Verantwortung der Vermieter, ein adäquates Ersatzquartier bereitzustellen.

Die Mieter könnten natürlich in ihre Wohnung in dem vormals besetzten Haus zurückkehren, hieß es. Da man von der bevorstehenden Räumung wusste, befinden sie sich derzeit in einer von der Stadt bereitgestellten Ersatzwohnung. Man stehe auch weiterhin in ständigem Kontakt mit der verbliebenen Partei und biete - wie auch schon in den Jahren zuvor - etwa Rechtsbeistand.

"Natürlich gibt es weiterhin die Möglichkeit, dass sich Vermieter und Mieter einvernehmlich einigen", meinte der Sprecher. Solche Vereinbarungen könnten etwa beinhalten, dass für den Verzicht auf die Mietrechte eine hohe Ablöse gezahlt, eine andere passende Wohnung gefunden und bzw. oder der Umzug finanziert werde. Derzeit sei eine Rückkehr jedoch "vereinbart und geplant".

Vor dem Einschreiten der Stadt und der Ansiedelung der Gruppe von Punks in der "Pizzeria Anarchia" sei es in der Mühlfeldgasse 12 auch zu anderen Unregelmäßigkeiten gekommen: Mieter seien mit Klagen eingedeckt worden, u.a. wurde auch Buttersäure im Stiegenhaus versprüht. Zu nachtschlafender Zeit habe es Besuche von Mittelsmännern gegeben: "Der Absiedelungsdruck auf die Bewohner war da", so der Sprecher - deshalb sei die Stadt auch "rigoros und konsequent" eingeschritten und habe etwa die Klagen abgewendet.

In der Mühlfeldgasse haben bereits am Dienstagnachmittag die Aufräumarbeiten begonnen. So wurde unter anderem Müll abtransportiert und Graffiti an den Wänden übermalt.

Auch zwei Tage nach der umstrittenen Räumung gab es Kritik am Einsatz. Dieser war "unverhältnismäßig, überzogen, der Aufwand war schlichtweg zu hoch", sagte Reinhard Kreissl, Leiter des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) in Wien, zur APA. Der Experte ortet in Wien einen Trend der Polizei zur "Kampf- und nicht als Friedenstruppe".

In den 90er-Jahren seien Polizisten noch in normalen Uniformen bei Räumungen im Einsatz gewesen. "Heute gibt es diese Robocops, hochmilitärisch aufgerüstete Polizeibeamte", sagte Kreissl. Ausrüstung und Orientierung der Polizei gingen in Richtung eines Bürgerkriegsszenarios.

Kritik äußerte Kreissl auch darüber, dass Medienvertreter teilweise nicht zugelassen bzw. weggescheucht wurden. "Wir sind hier nicht in der Ostukraine", konstatierte Kreissl. Die Polizei sollte vielmehr "transparent, öffentlich und bürgernah sein".

Indes gab es Verwirrung um eine mögliche Prüfung von Regressforderungen. Laut Wiener Polizei werde dies vom Justizministerium geprüft. Dort wusste man davon allerdings nichts.

"Der Wiener Polizei wurde vom Justizministerium definitiv bestätigt, dass Regressmöglichkeiten zeitnah geprüft werden", sagte Polizeisprecher Roman Hahslinger der APA. Dem widersprach Dagmar Albegger, die Sprecherin des Justizressorts. "Wir haben weder vom Innenministerium noch von der Wiener Polizei irgendein Schreiben bekommen und auch nicht zugesagt, Regressforderungen zu prüfen", sagte sie der APA.

Als "groteske Konsequenz rücksichtsloser Spekulation" mit Immobilien bezeichnete indes der Präsident der Arbeiterkammer (AK), Rudolf Kaske, die Vorkommnisse rund um die Räumung in der Wiener Mühlfeldgasse vorgestern. Seit dem Jahr 2000 drehe sich das Preisringelspiel bei Wiener Zinshäusern stark. Unter der Spekulation von Investoren und Fonds litten die Mieter - "damit muss Schluss sein", so Kaske.

Er nannte in einer Aussendung als Grund für hohe Mieten "nicht funktionierende" Mietenbegrenzungen und eine starke Nachfrage und forderte "eine rasche Reform des Mietrechts mit klaren Mietobergrenzen". Auch ein verstärkter Wohnungsneubau könne dazubeitragen, Mietpreise im Rahmen zu halten.

Kritik kam am Mittwoch auch von der Österreichischen Hochschülerschaft. Der Gesetzgeber müsse dafür sorgen, "dass Spekulation nicht mehr so attraktiv ist", so Florian Kraushofer vom Vorsitzteam der Studierenden. Vor allem bei der rechtlichen Absicherung der Mieter gebe es ein Problem. Die Verbraucher wüssten nicht, was ihnen zustehe. "Das Mietrecht ist ausgesprochen komplex und nur Experten kennen sich wirklich gut aus", bedauert Kraushofer.

(Quelle: salzburg24)

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