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Politologe: Mit Türkei-Thema wird in Österreich Populismus betrieben

Der Politologe kritisiert innenpolitischen Hintergrund des Konflikts zwischen Wien und Ankara.
Veröffentlicht: 16. Dezember 2016 14:30 Uhr
In Österreich wird mit dem Türkei-Thema innenpolitischer Populismus betrieben, dabei würden auch außenpolitische Schäden in Kauf genommen, hat der Wiener Politologe Cengiz Günay in Gespräch mit der APA am Freitag kritisiert. In der Türkei gewinne man den Eindruck, dass es Österreich "nicht um Prinzipien", sondern um ein "Problem mit dem Wesen der Türkei" gehe.

Dieser "kulturalistische Diskurs" schiebe jedoch demokratische, oppositionelle Kräfte beiseite, warnte der Politologe des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (oiip). Diese Töne seien wiederum den nationalistischen Kräften in den Türkei "willkommen".

Türkei-Thema: "Verflechtung von Innenpolitik und Außenpolitik"

In Österreich herrsche gerade beim Türkei-Thema eine "Verflechtung von Innenpolitik und Außenpolitik" vor, analysierte Günay. Dies zeige sich auch in dem Umstand, dass Außen- und Integrationsministerium eine Einheit bildeten. Er verwies zudem auf den stärker werdenden Populismus in der Politik, die etwa auch auf die Umfragewerte der FPÖ zurückzuführen sei. Die türkischstämmige Bevölkerung diene hierzulande geradezu als "Sinnbild für die Frage der Integration". Er warnte, dass mit einer Konflikthaltung gegenüber der Türkei die in Österreich lebenden Türken nur dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan "in die Arme getrieben" würden.

Der Politologe plädierte vielmehr dafür, "die Türkei aus der innenpolitischen Debatte herauszunehmen", und für eine "besonnenere Politik" Österreichs. Wenn man in der Türkei wirklich etwas bewegen wolle, sei der Weg über eine "second-track diplomacy" bzw. über zivilgesellschaftliche Kontakte zielführender, sagte er.

Österreich in türkischer EU-Strategie unbedeutend

Als diplomatischen Hintergrund für den aktuellen Konflikt zwischen Wien und Ankara sieht Günay, dass aus österreichischer Sicht die Türkei für die außenpolitische Strategie "nicht so wichtig" sei: "Man kann sich Ausritte gegen die Türkei leisten." Der Politologe übte Kritik an diesem österreichischen "Kalkül", und verwies etwa auf die geopolitische, wirtschaftliche oder energiepolitische Bedeutung des Landes am Bosporus. Aus türkischer Sicht sei wiederum Österreich unbedeutend; die EU-Strategie des Landes habe "immer auf die Großen - Deutschland, Frankreich, Großbritannien - gezielt".

Ob Ankara derzeit noch überhaupt einen EU-Beitritt anstrebe, sei nicht leicht zu sagen: "Im Moment will wohl keiner einen Beitritt", weder die EU, noch die türkische Seite, meinte Günay. Die Europäische Union sei heute wirtschaftlich und politisch "im Umbruch", in der Türkei wiederum verstärke sich "die autoritäre Tendenz". In den letzten Jahren habe die EU zudem immer mehr ihre "transformative Kraft" gegenüber den Beitrittskandidaten verloren, ihre "normative Hoheit", die eine "Westeuropäisierung des gesamten Kontinents" anstrebte, gab Günay zu bedenken. Nun sagten Politiker wie Erdogan: "Ihr bestimmt nicht mehr, wie es läuft."

Derzeit "keine direkte Gesprächsbasis" zwischen Österreich und der Türkei

Zwischen Österreich und der Türkei herrscht derzeit nach Angaben von Diplomaten eine "Eiszeit": "Es gibt keine direkte Gesprächsbasis." Deren Beginn sei demnach im Spätsommer, mit der Rückberufung des türkischen Botschafters nach Ankara, anzusetzen. Anfang August hatte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei plädiert. Dies geschah wenige Wochen nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei gegen Präsident Erdogan. Am 22. August berief daraufhin Ankara seinen Botschafter zurück. Ankara stoppte zudem die seit 1895 laufenden österreichischen Grabungen in der UNESCO-Welterbestätte Ephesos.

Eine jüngste Zuspitzung erlebte der Konflikt in dieser Woche, als Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) im EU-Außenministerrat mit einem Veto die gemeinsamen Beschlüsse zu EU-Erweiterung und den Türkei-Beitrittsverhandlungen blockierte. Außenamtschef Mevlüt Cavusoglu kündigte daraufhin an, "auf allen Ebenen" gegen Österreich auftreten zu wollen.

(APA)

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(Quelle: salzburg24)

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