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Putin fühlt sich durch Kiews Verhalten an "Genozid" erinnert

Veröffentlicht: 25. Februar 2015 18:25 Uhr
Wenn Kiew den Rebellengebieten der Ostukraine das Erdgas verweigert, "erinnert das an Genozid". Das meinte der russische Präsident Wladimir Putin am Mittwoch. Putin drohte gleichzeitig der Ukraine, den Gashahn zuzudrehen, falls Kiew nicht zahlt. Unterdessen scheint die Waffenruhe in der Ostukraine weitgehend zu halten.

"Nicht nur herrscht dort eine Hungersnot, nicht nur hat die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Anm.) bestätigt, dass es dort eine humanitäre Katastrophe gibt, jetzt wird ihnen auch noch das Gas abgedreht", beklagte der russische Präsident vor Journalisten in seiner Residenz Nowo Ogarjowo nahe Moskau. "Das erinnert bereits an Genozid." Gleichzeitig warnte er, ein russischer Lieferstopp von Erdgas an die Ukraine würde auch für Europa "ein Problem bedeuten". Putin betonte, er hoffe aber, "dass es nicht dazu kommt".

Der Staatschef spielte auf die Entscheidung der Ukraine an, die Rebellengebiete nicht mehr mit Gas zu versorgen. Der Versorger Naftogaz hatte dies mit Schäden an den Leitungen begründet. Der russische Staatskonzern Gazprom leitete daraufhin Gas direkt die abtrünnigen Regionen und will die Kosten der Ukraine in Rechnung stellen.

Im Gaskonflikt hat die EU-Kommission unterdessen eine erneute Vermittlungsrunde angekündigt. "Wir versuchen, sehr bald ein Dreiertreffen zwischen den ukrainischen und russischen Energieministern, mir und der (EU-)Kommission einzuberufen", sagte der für Energiefragen zuständige Vizepräsident der Brüsseler Behörde, Maros Sefcovic, am Mittwoch in Brüssel.

Im Oktober hatten sich die beiden Länder auf russische Gaslieferungen für die Ukraine in den Wintermonaten geeignet. Das Winterpaket läuft Ende März aus. Russland vermisst laut Gazprom-Chef Alexej Miller bisher die vereinbarte Vorauszahlung für März.

Mehr als eine Woche nach dem offiziellen Beginn der Waffenruhe in der Ostukraine scheinen sich Rebellen und Regierungstruppen weitgehend an die Vereinbarungen zu halten. Zum ersten Mal seit mehreren Wochen sei in den vergangenen 24 Stunden kein Soldat getötet worden, erklärte ein ukrainischer Armeesprecher am Mittwoch. Die Streitkräfte betonten, es sei noch zu früh, um ihre eigenen schweren Waffen ebenfalls von der Front abzuziehen. Die Ukraine besteht darauf, dass dafür mindestens zwei Tage lang Ruhe herrschen müsse. Die Waffenruhe gilt eigentlich seit dem 15. Februar.

Deutschland, Frankreich und Schweden haben am Mittwoch ihre Bereitschaft bekräftigt, notfalls neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte nach einem Treffen mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven am Mittwoch in Berlin, das Minsker Friedensabkommen für die Ukraine werde nur schleppend umgesetzt. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius drohte Russland mit neuen Strafmaßnahmen, sollten die prorussischen Rebellen die Hafenstadt Mariupol angreifen.

Der russische Botschafter in Großbritannien, Alexander Jakowenko, kritisierte unterdessen die geplante Entsendung von 75 britischen Militärausbildnern in die Ukraine scharf. Die von Premierminister David Cameron angekündigte Maßnahme beweise, dass die NATO bereits am Ukrainekonflikt beteiligt sei, kritisierte der russische Botschafter in London, Alexander Jakowenko, am Mittwoch.

Großbritannien will Berichten zufolge 75 Armeeangehörige nach Kiew schicken. Zugleich hatte Premierminister Cameron am Dienstagabend versichert, britische Soldaten würden nicht in der Kampfzone in der Ostukraine eingesetzt werden. Cameron hatte hinzugefügt, es müsse eine diplomatische Lösung geben. "Wir glauben im Grunde nicht, dass es eine militärische Lösung hierfür gibt." Russlands Botschafter Jakowenko reagierte skeptisch: "Ich frage mich, wie man 75 britische Soldaten entsenden kann, um ukrainische Kräfte auszubilden, wenn man glaubt, dass der Konflikt nicht militärisch gelöst werden kann", sagte er.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll ein weiteres Jahr die Lage im Donbass überwachen. Dafür hatten sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine am Dienstag in Paris ausgesprochen. Die OSZE forderte in Wien allerdings eine ausreichende Finanzierung ihrer Arbeit. Derzeit sind rund 450 Beobachter unter OSZE-Mandat in der Ukraine unterwegs.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow rief die OSZE auf, sich stärker für die Überwachung der in Minsk beschlossenen Friedensschritte einzusetzen. Die prorussischen Separatisten im Kriegsgebiet werfen der Organisation vor, den Abzug schwerer Waffen von der Front nicht ausreichend zu beobachten. Nach eigener Darstellung haben die Aufständischen bereits zahlreiche Geschütze zurückgezogen und fordern nun denselben Schritt von der ukrainischen Armee. Diese lehnt jedoch ab. Kriegstechnik werde erst zurückgezogen, wenn die bisher brüchige Waffenruhe halte.

Die OSZE erklärte, bisher gebe es nur Hinweise, dass Kriegsgerät "bewegt" werde. "Dass Waffen abgezogen und sicher gelagert wurden, sind vorerst Behauptungen", sagte OSZE-Missionschef Ertugrul Apakan.

Aufmerksam beobachtet wurde in Moskau auch die Teilnahme von US-Soldaten an einer Militärparade zum Nationalfeiertag in Estland am Dienstag. Daran nahmen auch Kampffahrzeuge mit US-Flaggen teil. Allerdings ist die Teilnahme von NATO-Soldaten an derartigen Paraden in Estland nicht ungewöhnlich. Wegen der Ukrainekrise hat die NATO ihre Präsenz in den baltischen Ex-Sowjetrepubliken verstärkt.

Das Europaparlament will unterdessen Menschenrechtsverletzungen durch die prorussischen Separatisten in der Ostukraine untersuchen. Zu diesem Zweck sollte es bereits in wenigen Wochen ein erstes Treffen mit "öffentlichen Anhörungen" geben, sagte der ukrainische Abgeordnete Ostap Semerak am Mittwoch in Brüssel.

Semerak äußerte sich in seiner Funktion als Ko-Vorsitzender des Parlamentarischen Assoziierungs-Komitees (PAC), eines gemeinsamen Ausschusses von EU-Abgeordneten und ukrainischen Parlamentariern, der am Mittwoch zum ersten Mal seit Unterzeichnung des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens zusammentrat.

(Quelle: salzburg24)

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