Das nordatlantische Verteidigungsbündnis habe sieben russischen Diplomaten die Akkreditierung entzogen, weitere drei Akkreditierungsgesuche würden abgelehnt, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in Brüssel. Die russische Vertretung bei der NATO werde somit künftig maximal 20 Mitglieder haben, fügte Stoltenberg hinzu. Er berichtete, dass sich "mehr als 25 NATO-Staaten und -Partner" an der Aktion beteiligt hätten, 140 russische Diplomaten seien betroffen. Man sende damit die "klare Botschaft an Russland, dass sein inakzeptables und gefährliches Verhalten mit Kosten und Konsequenzen verbunden ist".
Streit vor völliger Eskalation
Der russische Außenminister Sergej Lawrow macht Druck aus Washington für die konzertierte Aktion verantwortlich. Sie sei das "Ergebnis kolossalen Drucks, kolossaler Erpressung" seitens der USA, sagte Lawrow am Dienstag in Usbekistan. Lawrows britischer Kollege Boris Johnson nannte die massenhaften Ausweisungen einen "Wendepunkt" in den Beziehungen des Westens mit Russland. Es handle sich um einen "Schlag, von dem sich der russische Geheimdienst viele Jahre nicht erholen wird", schrieb Johnson in der Zeitung "Times".
Russland kündigt "angemessene" Reaktion an
Rjabkow sagte der Nachrichtenagentur RIA zufolge, dass sein Land nach wie vor für Gespräche mit den USA offen sei. Ein Sprecher des Außenministeriums äußerte sich später ebenfalls etwas zurückhaltender und sprach von einer "angemessenen" Reaktion auf die Maßnahmen der USA. Die US-Regierung hatte am Montag angekündigt, 60 russische Diplomaten wegen des Russland zugeschriebenen Giftanschlags in England auf den Ex-Spion Sergej Skripal auszuweisen. Außerdem soll das russische Konsulat in der Westküstenstadt Seattle geschlossen werden, von dem aus Spionage gegen die US-Armee und den Luftfahrtkonzern Boeing betrieben worden sein soll.
Österreich weist keine Russen aus
Auch viele EU-Staaten sowie Länder wie Kanada, die Ukraine oder Australien wiesen russische Diplomaten aus. Am Dienstag schloss sich Irland als 18. EU-Staat der Solidaritätsaktion an. Insgesamt sind mehr als 100 Russen betroffen. Österreich schloss sich den Maßnahmen explizit nicht an und argumentierte mit der völkerrechtlichen Neutralität des Landes und dem Bestreben, die "Gesprächskanäle" nach Moskau offen halten zu wollen.
Die Regierung in Moskau, die nach eigener Darstellung nicht hinter dem Anschlag auf Skripal und dessen Tochter steht, sprach von einer Provokation. Nachdem die britische Regierung vor zwei Wochen bereits 23 russische Diplomaten ausgewiesen hatte, reagierte Russland drei Tage später und verwies die selbe Zahl britischer Diplomaten des Landes.
WM-Boykott einzelner Staaten?
May kündigte ihrem Sprecher zufolge an, dass es auch eine längerfristige Antwort Großbritanniens geben müsse. Dies geschehe in Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern. Australien schloss sich anderen westlichen Staaten an und wies zwei russische Diplomaten aus. Die Regierung in Canberra erwägt zudem ein Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland in diesem Jahr. Island kündigte an, keine Funktionäre zu dem Wettkampf zu schicken. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte für Dienstagnachmittag eine Reaktion des Verteidigungsbündnisses an.
In Österreich übten SPÖ und NEOS Kritik am Verhalten der Bundesregierung. Es brauche ein einheitliches Vorgehen, betonte die NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar, die Österreichs Position als "wackelig" kritisierte. Österreich müsse "kohärenter" agieren, forderte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Alma Zadic von der Liste Pilz pochte hingegen auf eine volle Aufklärung des Vorfalls, bevor "entschieden wird, wie weiter vorgegangen wird".
Kneissl fordert "volle Aufklärung der Sachverhalte"
Kritik an der Vorgehensweise Österreichs gab es auch seitens der EU-Partner. "Neutralität für einen EU-Mitgliedsstaat ist ein schlechter Witz", twitterte etwa der frühere lettische Außenminister Artis Pabriks am Dienstag. "Welche weiteren EU-Politiken/-Entscheidungen lässt (Bundeskanzler Sebastian) Kurz nicht in Österreich gelten?", legte Pabriks nach.
Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) verteidigte am Rande ihrer Südosteuropa-Reise die Entscheidung, keine russischen Diplomaten auszuweisen. Gegenüber der APA forderte sie am Dienstag eine "volle Aufklärung der Sachverhalte". Doch werde sich Österreichs Haltung voraussichtlich auch dann nicht ändern, wenn sich herausstelle, dass Russland für den Anschlag von Salisbury verantwortlich sei.
(APA/ag.)
(Quelle: salzburg24)