Belgiens Justizminister Koen Geens wies den Vorwurf der Fahrlässigkeit zurück. Die Polizei fahndet weiter nach einem Komplizen der drei Selbstmordattentäter, der vom Flughafen Brüssel geflüchtet sein soll.
Kritik an Polizei in Brüssel
EU-Kommissar Günther Oettinger kritisierte in der "Bild"-Zeitung (Donnerstag) den Zustand der belgischen Polizei in Brüssel: "Wir müssen aber auch klar die Mängel bei den belgischen Sicherheitsbehörden ansprechen. Es gibt allein in Brüssel mehrere verschiedene Polizeibehörden, die nicht ausreichend kooperieren. Das kann nicht so bleiben."
31 Tote durch Anschläge in Belgien
Die Selbstmordattentäter, die am Dienstag 31 Menschen in Brüssel in den Tod gerissen hatten, sind inzwischen identifiziert. Alle drei sind in Belgien geboren und hatten Verbindungen zu den islamistischen Drahtziehern der Anschläge von Paris. Es handelt sich um die Brüder Ibrahim (29) und Khalid (27) El Bakraoui und Medienberichten zufolge um den 24-jährigen Najim Laachraoui, der wegen der Terroranschläge von Paris erst vor kurzem zur Fahndung ausgeschrieben worden war.
Der Selbstmordattentäter in der Brüsseler Metro war unterdessen nach Informationen des belgischen Senders RTBF nicht alleine unterwegs. Auf Bildern einer Überwachungskamera sei ein zweiter Mann mit einer großen Tasche zu sehen, berichtete der öffentlich-rechtliche Rundfunk Donnerstag früh. Unklar sei, ob der Verdächtige bei der Explosion getötet wurde oder ob er auf der Flucht sei. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich zunächst nicht zu dem Bericht. Sie wollte im Laufe des Tages eine Pressemitteilung zum Stand der Ermittlungen veröffentlichen.
Atomkraftwerk als Anschlagsziel
Die Urheber der Anschläge vom Dienstag, das Brüderpaar El Bakraoui, hatten unterdessem laut einem Zeitungsbericht auch belgische Atomkraftwerke als Anschlagsziel. Nach Informationen der Zeitung "La Derniere Heure" vom Donnerstag handelt es sich bei den beiden Personen, die einen belgischen Nukleardirektor per versteckter Videokamera filmten, um die Brüder Ibrahim und Khalid El Bakraoui.
Die Zeitung nennt in ihrem Bericht keine Quelle. Das Video zeigt heimliche Aufnahmen vor dem Zuhause eines belgischen Nuklearforschungsdirektors. Es sei von den beiden Männern kurz nach den Pariser Anschlägen vom 13. September 2015 aufgenommen worden.
Verdächtiges Video von Terrorserie in Paris gefunden
Ermittler hatten bei einer Hausdurchsuchung in der belgischen Hauptstadt nach der Terrorserie in Paris im November 2015 ein verdächtiges Video gefunden. Darauf war der Direktor des Zentrums für Nuklearenergie im belgischen Mol zu sehen. Es umfasste zehn Stunden und dokumentierte den Tagesablauf des Mannes. Obwohl der Forscher nicht direkt mit einem Atomkraftwerk in Verbindung stehe, sei die Existenz dieses Videos "ziemlich heftig", sagte der Sprecher der Atomaufsichtsbehörde AFCN am Mittwoch.
Die für Innere Sicherheit zuständigen EU-Minister wollen am Donnerstagnachmittag zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammenkommen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wies darauf hin, dass konkrete Vorschläge für mehr Sicherheit in Europa seit Monaten auf dem Tisch lägen. Ein ähnliches Sondertreffen gab es auch nach den Anschlägen von Paris.
EU-Experten wollen in der kommenden Woche darüber beraten, wie Flughäfen sicherer gemacht werden können. Für den 31. März sei ein Treffen von Flugsicherheitsexperten der 28 Mitgliedsstaaten geplant, teilte ein EU-Vertreter am Mittwoch mit. Am 11. April würden Fachleute für Transportsicherheit zusammenkommen. Eine konkrete Agenda sei noch nicht festgelegt.
300 Verletzte bei Attentat in Brüssel
Nach jüngsten Zahlen wurden bei den Attentaten in Brüssel 300 Menschen verletzt. Die Hälfte von ihnen lag am Mittwoch noch in Krankenhäusern, 61 auf einer Intensivstation, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Es ist zu befürchten, dass sich die Zahl von 31 Toten noch erhöht. Aus Sorge vor neuen Anschlägen blieb die höchste Terror-Warnstufe in Kraft. Der Flughafen Zaventem bleibt bis einschließlich Freitag weitgehend geschlossen.
Anschlag fordert mehrere Wochen Planung
Die Urheber der Anschläge von Brüssel haben nach Ansicht eines führenden Experten "mehrere Wochen" benötigt, um jene Bomben zu bauen, die sie am Flughafen Zaventem und in der U-Bahn einsetzten. Diese Einschätzung vertrat Jimmie Oxley, ein US-Spezialist für den Sprengstoff TATP, jener Substanz, die nach den Anschlägen in einer Wohnung im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek gefunden wurde, in der Zeitung "La Libre Belgique".
Dies würde bedeuten, dass die Anschläge lange vorbereitet waren und die Bomben nicht unmittelbar nach der Festnahme des Top-Terrorverdächtigen Salah Abdeslam am vergangenen Freitag produziert wurden. "Wenn wir annehmen, dass jedes Gerät 15 Kilogramm TATP enthielt, haben sie mehrere Wochen gebraucht, um sie herzustellen", sagte der Chemieprofessor der Universität Rhode Island in dem Zeitungsinterview vom Donnerstag. "In unseren Labors testen wir Sprengstoffe von fünf Gramm der Reihe nach, um zuverhindern, dass die Studenten zu großen Risiken ausgesetzt sind. Die Terroristen kümmern sich weniger um ihre Sicherheit und gehen schneller vor", zitierte die Zeitung Oxley. Offiziell ist von den belgischen Behörden noch nicht erklärt worden, welcher Sprengstoff bei den Anschlägen zum Einsatz kam. In einer Wohnung in Schaerbeek wurden allerdings große Mengen von TATP sichergestellt.
Schweigeminute in Belgien für Opfer
Belgien will am Nachmittag um 14.30 Uhr mit einer landesweiten Schweigeminute der Opfer der Terroranschläge gedenken. Am Mittwochmittag hatte es bereits eine Schweigeminute in Brüssel gegeben, an der unter anderem das Königspaar teilnahm.
Am Freitag wird US-Außenminister John Kerry in Brüssel sein. Nach Angaben des Außenministeriums in Washington werde er nach den Anschlägen persönlich das Beileid der USA bekunden. Kerry werde auch Vertreter Belgiens und der Europäischen Union treffen.
Angreifer in Ankara festgenommen und ausgewiesen
Der türkische Staatspräsident Erdogan sagte in Ankara, einer der Brüsseler Angreifer sei im Juni festgenommen und ausgewiesen worden. Die belgischen Behörden seien am 14. Juli informiert worden. Laut Medienberichten handelte es sich um Ibrahim El Bakraoui, der aber von den belgischen Behörden freigelassen wurde. Justizminister Geens betonte, El Bakraoui habe in Belgien keine terroristischen Straftaten begangen. Seines Wissens sei er auch nicht nach Belgien, sondern in die Niederlande abgeschoben worden, sagte Geens dem Sender VRT.
Konkrete Warnung vor Anschläge in Brüssel
Nach einem israelischen Zeitungsbericht soll der belgische Geheimdienst konkrete Warnungen vor den Anschlägen in Brüssel bekommen haben. Auch andere westliche Geheimdienste seien im Bilde gewesen, schrieb die Zeitung "Haaretz", nannte allerdings keine Quellen. Der israelische Geheimdienstminister Israel Katz hatte bereits am Mittwoch erklärt: "Wenn sie in Belgien weiter Schokolade essen und das Leben genießen (...) und nicht klar feststellen, dass ein Teil der Muslime, die dort leben, Terror organisieren, dann können sie sie auch nicht bekämpfen."
US-Verteidigungsminister Ashton Carter und die US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton forderten angesichts der Terroranschläge in Brüssel von den Europäern größere Anstrengungen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu forderte einen globalen Kampf gegen den Terrorismus.
Der Fraktionsvorsitzende der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, sprach sich für eine Neuorganisation der europäischen Sicherheitsarchitektur aus. Der deutsche Justizminister Heiko Maas sieht nach den Brüsseler Anschlägen weiterhin keinen Grund dafür, einen direkten Zusammenhang zwischen dem Flüchtlingszustrom und Terrorgefahr herzustellen. "Die meisten Männer, die in den vergangenen Monaten diese grauenhaften Anschläge verübt haben, sind bei uns in Europa zu einer terroristischen Bedrohung herangewachsen".
Schweigemarsch an Flughafen in Brüssel
Zahlreiche Mitarbeiter und Anrainer des Brüsseler Flughafens versammelten sich am Mittwochabend zu einem Schweigemarsch. An dem Gedenken an die Opfer der Terroranschläge beteiligten sich nach Angaben der belgischen Nachrichtenagentur Belga Hunderte Menschen.
Die Austrian Airlines streichen alle Flüge zwischen Wien und Brüssel bis inklusive nächsten Montag, den 28. März, kündigte eine AUA-Sprecherin Mittwochabend gegenüber der APA an. Grund sei die zerstörte Infrastruktur am Brüsseler Flughafen nach dem Terroranschlag. In Brüssel sei derzeit keine Abfertigung für Passagiere möglich.
Auch die Deutsche Lufthansa streicht alle Flüge nach Brüssel bis einschließlich 28. März. Das teilte ein Sprecher der Fluggesellschaft am Mittwochabend mit.
(APA)
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(Quelle: salzburg24)