Nach einem schweren Erdbeben vor der russischen Halbinsel Kamtschatka haben mehr als drei Meter hohe Tsunami-Wellen in der Nähe der Stadt Sewero-Kurilsk Russlands Pazifikküste erreicht. Die stärkste Welle sei sogar fünf Meter hoch gewesen, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Mittwoch. Ein Tsunami habe auch die japanische Insel Hokkaido erreicht, berichtete der Rundfunksender NHK. In Nord- und Südamerika wurden Tsunami-Warnungen ausgelöst.
"Das heutige Erdbeben war schwer und das stärkste seit Jahrzehnten", sagte der Gouverneur von Kamtschatka, Wladimir Solodow, in einem Video auf der Messaging-App Telegram. Russische Wissenschafter erklärten, es sei das stärkste Beben in der Region seit 1952. Das Beben vor Kamtschatka im Osten Russlands hatte eine Stärke von 8,8. Der US-Erdbebenwarte USGS zufolge ereignete es sich in einer geringen Tiefe von 19,3 Kilometern, das Epizentrum liege 119 Kilometer ost-südöstlich von Petropawlowsk-Kamtschatski, einer Stadt mit 165.000 Einwohnern. Auf das starke Beben folgten mindestens sechs Nachbeben, eines davon hatte die Stärke 6,9, ein anderes 6,3.
Tsunami-Welle erreicht Japan
In Japan wurde eine Tsunamiwelle von 1,3 Metern Höhe verzeichnet. Wie die japanische Wetterbehörde am Mittwoch mitteilte, erreichte der Tsunami um 13.52 Uhr (06.52 MESZ) einen Hafen in Japans nördlicher Präfektur Miyagi. Die Tsunami-Warnung, wonach Wellen von bis zu drei Metern entlang der japanischen Pazifikküste erwartet wurden, galt demnach weiter.
NHK berichtete, dass die Regierung für einige Gebiete Evakuierungsanordnungen erlassen hat. An der Küste der nordöstlichen Präfektur Miyagi wurden zunächst Wellen von 50 Zentimetern Höhe registriert, in anderen Präfekturen wie Fukushima, Hokkaido und Aomori Wellen von bis zu 40 Zentimetern Höhe, wie der japanische Fernsehsender meldete.
Berichte über Probleme in Atomkraftwerken gebe es nicht. Der Betreiber des havarierten japanischen Atomkraftwerks Fukushima brachte eigenen Angaben zufolge seine Arbeiter in Sicherheit. "Wir haben alle Arbeiter und Angestellten evakuiert", sagte eine Sprecherin des AKW-Betreibers Tepco am Mittwoch. Das am Meer gelegene Atomkraftwerk Fukushima war kurz nach einem schweren Seebeben am 11. März 2011 von einem fast 15 Meter hohen Tsunami getroffen worden. Das Kühlsystem des Kraftwerks fiel aus, in drei der sechs Reaktoren kam es zur Kernschmelze. Es war das schlimmste Atomunglück seit der Tschernobyl-Katastrophe von 1986.
Wellen können Hawaii erreichen
Die japanische Regierung richtete einen Krisenstab ein. Ministerpräsident Shigeru Ishiba rief die Menschen auf, sich in höher gelegene Gebiete oder Evakuierungsgebäude zu begeben. Nach Aussagen eines Regierungssprechers gab es jedoch zunächst weder Berichte über Opfer noch über Schäden.
Das staatliche Tsunami-Frühwarnsystem in den USA sprach ebenfalls von Wellen von bis zu drei Metern Höhe, die die Küste des Tausende Kilometer vom Zentrum des Bebens entfernten Bundesstaats Hawaii erreichen könnten. Küstenbewohner sollten die gefährdeten Gebiete sofort verlassen oder in mindestens zehnstöckigen Gebäuden Schutz suchen, hieß es. Auch für Alaskas Westküste wurde eine Tsunami-Warnung erlassen. Weiter entfernte Pazifikstaaten wie die Philippinen und Indonesien wappneten sich ebenfalls für drohende Flutwellen. Auch in Mexiko, Peru und Ecuador gab es örtliche Warnungen.
Das US-Tsunamizentrum warnte vor zwischen einem und drei Meter hohen Tsunamiwellen an den Küsten Chiles, Costa Ricas, Französisch-Polynesiens und der Pazifikinsel Guam. In unter anderem Australien, Kolumbien, Mexiko, Neuseeland und Taiwan seien Wellen von bis zu einem Meter möglich, hieß es. Die USA gaben Warnungen für die Westküste Nordamerikas und Kalifornien heraus. .
Schwerste Erdbeben seit 1952
Der Kamtschatka-Zweig des Geophysikalischen Dienstes der Russischen Akademie der Wissenschaften teilte mit, das Erdbeben sei das schwerste seit 1952 gewesen. Mit starken Nachbeben sei zu rechnen. Nach vorläufigen Informationen habe es in Russland einige leicht Verletzte gegeben, ein Kindergarten wurde beschädigt. Mehrere Menschen hätten nach dem Beben medizinische Hilfe in Anspruch genommen, sagte der regionale Gesundheitsminister Oleg Melnikow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS. Einige seien bei der Flucht nach draußen verletzt worden. Die russische Katastrophenschutzbehörde teilte mit, ein Tsunami habe die Hafenstadt Sewero-Kurilsk getroffen und überflutet. 2.000 Einwohner seien in Sicherheit gebracht worden.
Wie ein Korrespondent der russischen Nachrichtenagentur TASS berichtete, gab es insgesamt vier Beben. Viele Menschen seien ohne Schuhe und Oberbekleidung auf die Straße gelaufen. In den Wohnungen fielen Kästen um, Spiegel gingen zu Bruch, Autos schwankten auf der Straße und Balkone an Gebäuden wackelten spürbar. Außerdem seien Stromausfälle und Ausfälle der Mobilfunkdienste zu beobachten.
Bei der Halbinsel Kamtschatka treffen die pazifische und die nordamerikanische Kontinentalplatte aufeinander, was die Region zu einer der weltweit erdbebenreichsten Zonen macht. Am 20. Juli hatte sich in derselben Region ein Erdbeben der Stärke 7,4 ereignet. Dabei kam es zu keinen größeren Schäden.
(Quelle: apa)