In der Nacht zum Montag landeten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 40 Mitarbeiter der deutschen Botschaft mit einem US-Flugzeug in Doha im Golfemirat Katar.
Evakuierungen laufen
An Bord der Maschine waren auch vier Angehörige der Schweizer Vertretung in Afghanistan. Wenige Stunden später starteten am Morgen die ersten drei Militärmaschinen der deutschen Bundeswehr mit Fallschirmjägern an Bord Richtung Kabul. Sie sollen die Evakuierung absichern.
"Gefährlicher Einsatz" für deutsche Bundeswehr
Es ist die bisher wohl größte Mission dieser Art der deutschen Bundeswehr - und eine besonders brisante. "Fest steht: Es ist ein gefährlicher Einsatz für unsere Soldatinnen und Soldaten", schrieb das deutsche Verteidigungsministerium am Montag auf Twitter. Die Bundeswehr war erst Ende Juni als Folge des Abzugs des US-Militärs nach einem 20-jährigen Einsatz aus Afghanistan abgezogen.
Schwedisches Personal in Sicherheit
Schweden hat nach Angaben der Regierung die Evakuierung der Botschaft in Kabul bereits abgeschlossen und das gesamte Personal aus dem Land in Sicherheit gebracht. Die schwedischen Mitarbeiter der Gesandtschaft seien in der vergangenen Nacht per Hubschrauber und mit einem US-Flugzeug nach Katar ausgeflogen worden, sagt Außenministerin Ann Linde. Nun werde daran gearbeitet auch die afghanischen Ortskräfte auszufliegen.
Tschechien holt Bürger zurück
Ein erster Evakuierungsflug der tschechischen Armee landete am Montag in Prag. An Bord seien tschechische Staatsbürger sowie afghanische Ortskräfte einschließlich ihrer Ehepartner und Kinder gewesen, teilte Außenminister Jakub Kulhanek bei Twitter mit. Insgesamt habe es sich um 46 Personen gehandelt, die nun in Tschechien in Sicherheit seien. Die Evakuierungsbemühungen würden fortgesetzt. Im Laufe des Tages sollte erneut ein Krisenstab zusammengekommen. Die tschechische Botschaft in Kabul war bereits am Samstag geräumt worden.
EU will afghanische Hilfskräfte ausfliegen
Auch die EU-Kommission arbeitet nach Angaben eines Sprechers mit Mitgliedstaaten daran, afghanische Hilfskräfte auszufliegen. "Das Thema ist sehr dringend, wir nehmen es sehr ernst und arbeiten hart dafür, eine rasche Lösung für ihre Sicherheit zu finden", sagt er in Brüssel. Die EU-Kommission macht aus Sicherheitsgründen aber keine Angaben, wie viele Afghanen sie selbst beschäftigt hatte. Österreich hat kein Botschaftspersonal in Kabul, Afghanistan wird von Islamabad aus betreut.
Taliban übernehmen Kabul
Die militant-islamistischen Taliban hatten in den vergangenen Tagen in einem rasanten Tempo eine Stadt nach der anderen teilweise kampflos eingenommen, waren am Sonntag auch in die Hauptstadt Kabul eingedrungen und haben bereits den Präsidentenpalast in ihrer Kontrolle.
"Der Krieg im Land ist vorbei", sagte Taliban-Sprecher Mohammed Naim am Sonntagabend dem Sender Al Jazeera. Bald werde klar sein, wie das Land künftig regiert werde. Zum weiteren Vorgehen äußerte sich Naim überraschend versöhnlich: man wolle mit allen Beteiligten Frieden, schütze afghanische Persönlichkeiten und diplomatische Vertretungen und suche den Dialog mit der Staatengemeinschaft. Erwartet worden war, dass die Taliban hart gegen Gegner vorgehen. Auch deshalb versuchen weiterhin zahlreiche Afghanen verzweifelt, das Land über den Flughafen Kabul zu verlassen. Dort harrten auch Angehörige westlicher Botschaften aus.
Islamisten wollen "Dialog"
Taliban-Sprecher Naim sagte, man wolle Frieden mit allen Beteiligten. Sorgen der internationalen Gemeinschaft wollten die Taliban im Dialog lösen. Der Kontakt zu anderen Staaten werde gesucht, da man nicht in Isolation leben wolle. "Wir bitten alle Länder und Organisationen, sich mit uns zusammenzusetzen, um alle Probleme zu lösen." Man werde sich nicht in Dinge anderer einmischen und Einmischung in eigene Angelegenheiten nicht zulassen. Rechte von Frauen und Minderheiten sowie die Meinungsfreiheit würden respektiert, wenn sie der Scharia entsprächen. Die Taliban würden jetzt die Früchte ihrer Bemühungen und Opfer ernten. "Wir haben das erreicht, was wir gewollt haben, nämlich die Freiheit unseres Landes und die Unabhängigkeit unseres Volkes." Der Politbüro-Chef der Taliban, Mullah Abdul Ghani Baradar, erklärte in einer Videobotschaft, nun folge die wirkliche Bewährungsprobe, bei der die Erwartungen der Menschen erfüllt und ihre Probleme gelöst werden müssten.
Diplomaten verlassen Afghanistan
In Kabul selbst war es am Sonntag eher ruhig geblieben. Der Sender 1TV berichtete dann von einigen Explosionen in der Nacht. Am Flughafen von Kabul kam es vereinzelt zu Rangeleien, da Abflüge gestrichen wurden. Die NATO hatte zuvor erklärt, der Airport sei für den zivilen Flugverkehr geschlossen worden. Der Flugbeobachtungs-Webseite flightradar24 zufolge flogen in der Nacht vereinzelt US-Militärmaschinen von Kabul ab. Die Aktivistin Rakhshanda Jilali, die von Kabul nach Pakistan fliegen wollte, sagte, das US-Militär habe am Airport die Flugsicherung übernommen. Nun würden Diplomaten ausgeflogen, während Afghanen warten müssten. Das sei nicht hinnehmbar.
Präsident Ghani schrieb auf Facebook, er habe das Land verlassen, um Blutvergießen zu vermeiden. Wie Al Jazeera unter Berufung auf einen seiner Leibwächter berichtete, war Ghani auf den Weg in die usbekische Hauptstadt Taschkent.
Viele Afghanen hatten zuletzt befürchtet, die Taliban könnten mit der Rückkehr an die Macht erneut eine sehr strenge Auslegung des islamischen Rechts durchsetzen. Die Islamisten hatten Afghanistan bereits von 1996 bis zu ihrem Sturz durch die US-geführten Truppen Ende 2001 beherrscht. In einer Erklärung hatten sie ihren raschen Vormarsch in den vergangenen Wochen als Beleg für ihre Akzeptanz in der Bevölkerung gewertet.
(Quelle: salzburg24)