Ein weißgerahmter Kubus mit hintereinander angeordneten, transparenten und verschiebbaren Wandelementen bildet das Zentrum der Bühne, von deren Decke eine überdimensionierte Glühbirne herabhängt, was gemeinsam mit den klinisch wirkenden Wänden bisweilen den Eindruck einer Zelle oder einer Anstalt evoziert (Ildiko Tihanyi hat diese atmosphärisch stimmige Raumlösung gestaltet). Alföldi verwendet die im strengen Versmaß gereimte Übersetzung von Wolfgang Wiens, die mit den emotionalen Verspannungen der sehr heutigen Protagonisten bestens korreliert.
Unter druckvollem Einsatz von Körpersprache, häufiger Verwendung von pantomimischen und Slapstick-Elementen und absichtsvollem Outrieren als Stilmittel entsteht eine Atmosphäre der Übertreibung, was die Personen bisweilen hart an den Rand der Hysterie treibt, nicht jedoch - wie etwa bei Herbert Fritsch - ins gänzlich Absurde. Diese Rechnung geht auf: Erstaunlich, was Alföldi dabei aus dem Landestheater-Ensemble hervorholt. Swintha Gersthofer gibt in ihrem geblümten Kleid eine resolute Zofe, Tobias Voigt als Orgon erliegt dem bigotten Gast in wahnhafter Intensität und folgt ihm schließlich wie ein Hund auf allen Vieren. Als Tartuffe wechselt Albrecht Abraham Schuch zwischen betulichem Geheuchel und brünstiger Unbeherrschtheit.
In seiner Fassung dreht Alföldi die Schraube in Richtung Drastik. Der kritiklose Orgon erkennt die Verschlagenheit des verehrten Tartuffe erst angesichts dessen Geschlechtsverkehr mit seiner Frau (Elisa Seydel spielt die Elmira mit großer Klasse), und am Ende lässt Tartuffe Gnade walten und amüsiert sich beim gemeinsamen Espresso über die langen Gesichter der drangsalierten Familie. Das ist kein Happy End, sondern eine klare, illusionslose politische Botschaft: Die Herrschenden danken nicht ab, auch wenn sie im Unrecht sind, sondern weiden sich auch noch an der erzwungenen Dankbarkeit der Beherrschten. Wie sagt doch Orgon: "Der Mensch ist ein gemeines Tier!"
(Quelle: salzburg24)